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Geländegängige Abwehrjäger des Körpers

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Eine Immunzelle bahnt sich ihren Weg und bildet dabei fingerartige Ausstülpungen. Farbig markiert ist hierbei das Zellskelett. Quelle: Michael Sixt/Max-Planck-Institut für Biochemie

19.11.2009  - 

Weiße Blutkörperchen oder Leukozyten bekämpfen auf vielfältige Weise Infektionen im menschlichen Körper. Für diese Aufgabe haben sie eine außerordentliche Fähigkeit: Sie können im Körper beinahe überall hin wandern. Wie ein Geländewagen passen sie dabei ihren Antrieb dem Untergrund an. Wie das genau funktioniert, haben jetzt Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut (MPI) für Biochemie in Martinsried bei München in Zusammenarbeit mit Kollegen vom MPI für Metallforschung in Stuttgart erforscht. Über ihre Erkenntnisse berichten sie im Fachblatt Nature Cell Biology (15. November 2009, Online-Vorabveröffentlichung).

Als Abwehrzellen sind sie in der Lage, in infizierte Gewebe einzudringen, Krankheitserreger zu erkennen und anschließend zu beseitigen. Auch körperfremde Strukturen und Trümmer körpereigener Zellen werden von ihnen entsorgt. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, bewegen sie sich bis zu 100-mal schneller als andere Zelltypen. Dabei folgen Immunzellen bestimmten Lockstoffen im Körper, die entweder von körpereigenen Zellen oder den Krankheitserregern selbst freigesetzt werden.

Um an ihren Einsatzort zu kommen, müssen die Zellen dabei die verschiedensten Hindernisse überwinden und über unterschiedliche Oberflächen hinweggleiten. Dabei arbeiten sie mit ähnlichen Methoden wie Automobile. "Wie bei einem Auto gibt es einen Motor, eine Kupplung und Räder, die für die nötige Reibung sorgen", sagt Forschungsgruppenleiter Michael Sixt vom MPI für Biochemie in Martinsried.

Das Bild zeigt den Aufbau eines Leukozyten, der sich nach rechts oben schiebt. Grün angefärbt ist das fließende Aktin-Zellskelett, während der Zellkern blau erscheint und die dicht gepackten Zellorganellen rot.Lightbox-Link
Das Bild zeigt den Aufbau eines Leukozyten, der sich nach rechts oben schiebt. Grün angefärbt ist das fließende Aktin-Zellskelett, während der Zellkern blau erscheint und die dicht gepackten Zellorganellen rot.Quelle: Michael Sixt/Max-Planck-Institut für Biochemie

Fingerartige Ausläufer sorgen für den Antrieb

Um von der Stelle zu kommen, müssen Zellen zunächst einmal die nötige Energie in ihrem Inneren bilden. Diese Aufgabe übernimmt das Zellskelett, ein die Zelle durchspannendes Netzwerk aus Proteinbausteinen. Es kann sich ausdehnen und fingerartige Ausläufer bilden, diese aber auch wieder zurückziehen.

Doch diese Verformung allein reicht nicht aus, damit die Zelle sich bewegt. "Zunächst einmal muss die Energie des Motors auf die Straße übertragen werden", erläutert Sixt. "Eine Kupplung und Räder müssen her." Zu diesem Zweck trägt jede Zelle spezielle Zellanker, auch Integrine genannt, auf ihrer Oberfläche. Diese Proteine durchspannen die Hülle der Zellen und sind direkt mit dem Zellskelett verbunden. Auf der Außenseite können diese Zellanker an anderen Zellen und auch Gewebe haften und so eine Verbindung zur Außenwelt herstellen. "Die Verbindung zwischen Zellskelett und Integrin entspricht der Kupplung beim Auto, die Verbindung zwischen Integrin und Außenwelt dem Greifen der Räder", so der Wissenschaftler.

Die gleiche Technik wie bei teuren Geländewagen

Dabei sind die Abwehrzellen jedoch nicht starr und unflexibel. Sie sind in der Lage sich jedem Untergrund anzupassen. "Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass sich Leukozyten immer mit der gleichen Geschwindigkeit bewegen, egal ob sie auf rutschigem oder griffigem Substrat wandern", sagt Sixt. Möglich macht dies das enge Zusammenspiel von Reifen, Motor und Kupplung. Greifen die Zellanker auf rutschigem Untergrund nicht mehr zu 100 Prozent, erhöht sich die Drehzahl des Motors - das Zellskelett verändert sich schneller. Dadurch bleibt die Geschwindigkeit der Zellen gleich.

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Auch punktuell auftretende Unebenheiten können die Zellen ausgleichen. Befindet sich eine Zelle mit einer Hälfte auf rutschigem und mit einer Hälfte auf griffigem Untergrund, passt sich das Zellskelett entsprechend lokal an - ähnlich wie bei einem Differentialgetriebe eines ernstzunehmenden Geländewagens. "Die Wanderungsrichtung bestimmt somit ausschließlich der Lockstoff und dieser hält sich in seiner Ausbreitung genauso wenig an Gewebegrenzen und Unebenheiten wie der wandernde Leukozyt", schlussfolgert der Mediziner.

Das Forscherteam um Sixt hat die Abwehrzellen und ihre Fortbewegung schon seit längerem im Visier. Im Mai 2008 konnten sie zusammen mit Wissenschaftlern der Medizinischen Hochschule Hannover und der Universität Leicester in Großbritannien erstmals zeigen, wie die Leukozyten sich fortbewegen. In der Fachzeitschrift Nature berichteten sie darüber (1. Mai 2008, Bd. 453, S. 51-55). Anstatt fest am Untergrund anzudocken, fließen die Zellen demnach offenbar vorwärts - und zwar durch dick und dünn. Wird es einmal sehr eng, können sie sogar ihren recht starren Zellkern durchkneten - und ihn damit durch das Nadelöhr drücken. Laut den Wissenschaftlern gibt es Hinweise, dass manche Tumorzellen diese Art der Fortbewegung für sich nutzen können - und das scheint sie besonders gefährlich zu machen.

 

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