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Christiane Gebhardt: Die natürlichen Stärken der Knolle herauskitzeln

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Christiane Gebhardt leitet am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln die Erforschung des Kartoffelgenoms. Quelle: MPI für Züchtungsforschung, Köln

10.11.2009  - 

Seit die spanischen Konquistadoren die Kartoffel im 16. Jahrhundert bei den Inkas kennenlernten, ist die Knollenfrucht zu einem der wichtigsten Nahrungsmittel weltweit geworden. Ihre Rolle als zuverlässiger Nahrungsmittellieferant soll in der Zukunft noch größer werden, wenn es nach Christiane Gebhardt geht. Die Pflanzengenetikerin forscht mit ihrer Arbeitsgruppe am Kölner Max-Planck-Institut (MPI) für Züchtungsforschung daran, dass die Knollen aus der Erde sich besser gegen Krankheitserreger wehren können und besonders viel Stärke enthalten. Dafür muss sie aber weder in der Erde graben noch Gummistiefel überziehen.



 

Die Kartoffeln, die man im Supermarkt kaufen kann, sind das Ergebnis jahrhundertelanger Auslesezüchtung. „Pflanzenzüchter arbeiten mit natürlich auftretenden Varianten innerhalb einer Kartoffelpopulation“, erklärt Christiane Gebhardt. Die Züchter erzeugen durch Kreuzung geeigneter Kartoffeleltern Nachkommen, lesen darunter die besten aus und vermehren diese über die Knollen weiter. Diese Auslese beruht rein auf dem Phänotyp, also auf der sichtbaren Ausprägung der Pflanze, wenn sie heranwächst. 

Über die Bohne zur Kartoffel

„Wir setzen einen Schritt früher an“, sagt Gebhardt. Die habilitierte Biochemikerin leitet am Kölner MPI eine Arbeitsgruppe, die das Genom, also das Erbgut, der Kartoffel analysiert. "Krankheitsresistenz und Stärkegehalt, diese Eigenschaften werden durch ein Zusammenspiel von Genen und Umgebung bestimmt“. Gebhardt entwirft einen Methode, mit der Pflanzen, die von Natur aus eine besonders vorteilhafte Kombination an Genen aufweisen, erkannt werden können. Das ist die Voraussetzung für späteres Smart Breeding, bei dem die Züchter die Pflanzen mit den besten Genen erkennen können, ohne nur auf den Augenschein angewiesen zu sein. Doch der Weg dorthin ist nicht einfach: „Für viele Eigenschaften bei Nutzpflanzen sind die entscheidenden Gene noch gar nicht bekannt“, erklärt Gebhardt. Hinzu kommt, dass die Vererbung vieler Merkmale komplex ist, was bedeutet: Viele Eigenschaften werden nicht nur durch ein, sondern gleich durch mehrere Gene bestimmt.

Auf den einzelnen Chromosomen der Kartoffel haben die Forscher schon die Funktion bestimmter Gene identifiziert.Lightbox-Link
Auf den einzelnen Chromosomen der Kartoffel haben die Forscher schon die Funktion bestimmter Gene identifiziert.Quelle: MPI für Züchtungsforschung, Köln

Christiane Gebhardt kam über die Bohne zur Kartoffel. Als sie Anfang der achtziger Jahre ihre erste Stelle als Postdoc antrat, stand die molekulare Biologie bei Pflanzen noch ganz am Anfang. „Die Pflanzenwissenschaft hinkt der Humanwissenschaft immer etwas hinterher“, sagt die Wissenschaftlerin. Damals bot sich ihr die Chance, in England mit einem Stipendium der EU ein Gen der Bohne zu erforschen. Als drei Jahre später in Köln eine Arbeitsgruppe für die Genom-Analyse der Kartoffel gegründet wurde, galt sie schon als Expertin für die molekulare Genetik von Pflanzen. Sie wurde nach Köln geholt.

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Kartoffel ist die Nummer vier unter den zehn wichtigsten Nutzpflanzen

Auf die Frage, ob sie mit ihrem Forschungsfeld zufrieden sei, zögert sie kurz. „Die Kartoffel hat ein Image-Problem“, sagt sie dann. Wissenschaftlich sei die Kartoffel hoch spannend, aber immer wieder werde sie verwundert gefragt: „Kartoffeln? Was gibt es denn da zu forschen?“ Das ärgert die Forscherin. In solchen Fällen entgegnet sie dann, dass der Kartoffelanbau  ein wichtiger Faktor für die Industrialisierung im 19. Jahrhundert gewesen ist: „Kartoffeln konnten die Arbeiter in den wachsenden Städten auch in ihrem Garten anbauen, so sicherten sie sich eine vollwertige und billige Ernährung.“ Christiane Gebhardt kennt sich mit der Geschichte ihres Forschungsobjektes aus. „Heute ist die Kartoffel die Nummer Vier unter den Top-Ten der weltweit wichtigsten Nutzpflanzen“, betont sie. Forschung sei notwendig, um diese wertvolle Nahrungspflanze den sich wandelnden Bedingungen von Umwelt und Gesellschaft anzupassen.

Am MPI für Züchtungsforschung ist Gebhardt nun auf der Suche nach kleinen genetischen Veränderungen, die entscheidend sein könnten für die Eigenschaften der Frucht. „Der kleine Unterschied zwischen den Individuen einer Art sind Punktmutationen.“ Der englische Fachbegriff dafür lautet Single Nucleotide Polymorphism (SNP). Die DNA besteht aus einer langen Reihe von Basenpaaren. Wenn sich ein Organismus vermehrt und sich die DNA-Sequenz dafür verdoppelt, kann es vorkommen, dass innerhalb dieser Reihe einzelne Basen vertauscht werden. „Im menschlichen Genom ist etwa eine von 1000 Basen verändert, im Kartoffelgenom ist es ungefähr eine von 50“, erläutert die Forscherin.

Christiane Gebhardt am Max-Planck-Institut

Am Max-Planck Institut für Züchtungsforschung erforscht Christiane Gebhardt seit den 1980ern das Genom der Kartoffel.

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Erster Gentenst für Resistenz gegen Nematoden

Christiane Gebhardts Arbeitsgruppe analysiert dafür im Labor die DNA von Kartoffelpflanzen, die kooperierende Züchterfirmen herangezogen haben. Das klingt einfach, doch angesichts der relativ großen Kartoffel-DNA, die aus einer Milliarde Basenpaaren besteht, beschreibt Christiane Gebhardt ihre Arbeit als „Suche nach der Nadel im Heuhaufen“. Besonders interessant sind im ersten Schritt die DNA-Sequenzen rund um bisher bekannte Gene. Nach diesem Prinzip klappert ihre Arbeitsgruppe Stück für Stück das ganze Genom ab. Auf diese Weise ist es den Forschern gelungen, den ersten Gentest für die Resistenz gegen einen Wurzelnematoden zu entwickeln: Kartoffelzüchter können mit diesem Test ganz schnell im Labor erkennen, ob eine von ihnen gezüchtete Kartoffelsorte auf natürliche Weise die Basensequenz für eine starke Abwehr gegen die Parasiten enthält.

Kartoffelbrei oder –puffer, in Salzwasser gekocht oder in der Pfanne goldbraun gebraten: Christiane Gebhard ist dem gesunden Grundnahrungsmittel, das sie erforscht, auch privat nie überdrüssig geworden. Nur in ihren kleinen Garten ist die Knolle noch nicht vorgedrungen. „Kartoffeln brauchen viel zu viel Platz“, sagt sie und lacht. Platzsparende Kartoffelsorten stehen noch nicht auf dem Plan.


Autorin: Ute Zauft 

 

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