Wochenrückblick KW 29

20.07.2009

Erstmals dreidimensionale Bilder von heranreifenden HI-Viren

Kugelförmige Gitterstruktur, die Proteine um das Erbmaterial des HI-Virus bilden.Lightbox-Link
Kugelförmige Gitterstruktur, die Proteine um das Erbmaterial des HI-Virus bilden.Quelle: Universitätsklinikum Heidelberg
Erstmals gibt es nun hochauflösende Bilder von heranreifenden HI-Viren.

Wenn der HI-Virus den menschlichen Körper befällt, unterwirft er sich Zellen des Immunsystems und programmiert sie zu Virus-Fabriken um. Fortan vervielfältigen die menschlichen Zellen nicht nur das Erbmaterial des Virus, sondern produzieren auch die Hülle des Erregers. Sie ist kugelig und hat Löcher. Beides stellte die Wissenschaft bisher vor ein Rätsel. Denn normalerweise ist ein Gitter aus derartigen Proteinen flach und gleichmäßig.
Wissenschaftler des Europäischen Laboratoriums für Molekulare Biologie (EMBL) und des Universitätsklinikums Heidelberg konnten mit Hilfe hochauflösender Kryo-Elektronentomographen nun erstmals beobachten und in dreidimensionalen Bildern festhalten, wie sich das Gitter zu einer Kugel ausbildet. Das berichten sie im Fachblatt Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS, 2009, Vol. 106, Ausg. 27, S. 11090-11095).

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Dossier: Tödliche Immunschwäche Aids: Seit mehr als 25 Jahren auf der Agenda

Offenbar lagern sich die Proteine selbständig zu einer gekrümmten Struktur zusammen, beobachteten die Teams um EMBL-Forscher John Briggs und Hans-Georg Kräusslich vom Uniklinikum Heidelberg. Die Krümmung verursacht demnach Spannungen im Gitter, der dann durch Löcher im Gitter ausgeglichen wird. Auf diese Weise entsteht schließlich eine kugelige Wabenstruktur mit unregelmäßig angeordneten Löchern. Dieser sehr einfache Vorgang spiele möglicherweise eine Rolle für die hohe Toleranz des Virus für genetische Veränderungen, vermuten die Forscher. Im weiteren Verlauf der Virusreifung werden die Proteine der Hülle dann von einem Enzym gespalten, es entsteht das reife, infektiöse Virus mit intakter Schutzhülle.
Nun wollen die Heidelberger Wissenschaftler ihr Strukturmodell noch weiter verfeinern und weitere Details des Protein-Gitters aufdecken: "Je besser wir den Bildungs- und Reifungsprozess von HIV verstehen, desto eher können wir Schwachstellen ausfindig machen und als Angriffspunkte für gezielte Therapien nutzen", sagt Kräusslich.

Biotech-Branchenverband attackiert Gentechnikgesetz

Das derzeit in Deutschland geltende Gentechnikgesetz ist ein "Beispiel für unangemessene Reglementierung statt vernünftiger Regulierungen", stellt der Branchenverband BioDeutschland in einem Thesenpapier fest, das zusammen mit der Konrad-Adenauer Stiftung erstellt wurde.

Das Gesetz zur Regelung der Gentechnik

Im GenTG sind die Vorschriften im Umgang mit gentechnischen Verfahren und Produkten zusammengefasst.

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Das Gesetz führe praktisch zum Verbot "der Anwendung einer innovativen Technologie in Deutschland, die einen wichtigen Beitrag zur Zukunftssicherung unseres Landes leisten kann", heißt es in dem Papier, das am 14. Juli in Berlin vorgestellt wurde. Neben dem Gentechnikgesetz fordern die Autoren eine stärker zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik: "Benachteiligende Reglementierungen der Biotechnologie am Standort Deutschland müssen abgebaut werden."

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News: Umfrage: Stimmung der Biotech-Branche verhalten optimistisch

Desweiteren wird im Thesenpapier eine steuerliche Besserstellung von forschungsintensiven Unternehmen angemahnt, weil der Biotechnologie-Mittelstand ein Motor für Innovationen sei. Die "seit der Unternehmenssteuerreform bestehende Diskriminierung der kleinen und mittleren technologie-Unternehmen" müsse beendet werden, lautet eine weitere Forderung. Bio Deutschland und die den Christdemokraten nahestehende Konrad-Adenauer-Stiftung halten dies unter anderem durch eine erweiterte Abschreibungsfähigkeit von Verlusten sowie die Abschaffung der Abgeltungssteuer bei Kursgewinnen aus direkten oder indirekten Beteiligungen an innovativen Unternehmen für möglich. 

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Genom des Bilharziose-Erregers analysiert

Unterteilung der Mikro-Exon-Gene (MEGs) in S. mansoni in 14 Familien mit bis zu 23 sequenz-ähnlichen MitgliedernLightbox-Link
Unterteilung der Mikro-Exon-Gene (MEGs) in S. mansoni in 14 Familien mit bis zu 23 sequenz-ähnlichen MitgliedernQuelle: Universität Göttingen

Das Genom des Bilharziose-Erregers Schistosoma mansoni ist entschlüsselt.

Nach der Sequenzierung in den USA hat ein internationales Forscherteam mit mehr als 50 Wissenschaftlern aus sieben Ländern - unter anderem aus Deutschland - nun das Genom genauer analysiert. Die Forscher identifizierten ingesamt 11.812 Gene und stießen auf ungewöhnliche Sequenzen. Zudem haben sie in der Veröffentlichung im Fachmagazin Nature (2009, Vol. 460, S. 352-358) 34 Gene aufgelistet, die Ansatzpunkte für die Entwicklung neuer Medikamente bieten können. Der Göttinger Bioinformatiker Mario Stanke war als einziger in Deutschland arbeitender Wissenschaftler daran beteiligt. Er bediente das Gen-Analyseprogramm AUGUSTUS, das in der Abteilung Bioinformatik der Universität Göttingen entwickelt wurde. Mit dem Programm durchforstete Stanke die komplette Genomsequenz von S. mansoni mit mehr als 380 Millionen Basen und identifizierte mögliche Genabschnitte. Stankes Ergebnisse wurden mit denen der Kollegen abgeglichen und daraus eine Gen-Datenbank des Bilharziose-Erregers erstellt.

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News: Sehr menschlich:  Das Genom des Neandertalers

Die tropische Krankheit Bilharziose (Schistosomiasis) wird durch im Wasser lebende parasitäre Saugwürmer der Gattung Schistosoma ausgelöst, die durch die Haut in den Menschen eindringen. Weltweit erkranken daran rund 210 Millionen Menschen; in entlegenen Regionen kann die Krankheit ohne Behandlung tödlich verlaufen. Zur Behandlung sind bislang nur zwei Medikamente auf dem Markt, die jedoch nicht vor erneuter Infektion schützen und gegen die die Saugwürmer zunehmend resistent werden könnten. Weil auch die Suche nach einem wirksamen Impfstoff bisher erfolglos blieb, wird nach Ansatzpunkten für neue Therapien gesucht.
Durch Vergleich von gefundenen Proteinsequenzen mit bereits bekannten, ähnlichen Proteinen konnten die Wissenschaftler auch Aussagen über deren wahrscheinliche Funktion machen. So schließen sie aus dem Fehlen von Teilen des Lipidstoffwechsels, dass der Wurm hierfür auf den Wirt angewiesen ist. Zudem fanden sie Neuropeptide, die nicht im Menschen vorkommen. Hier vermuten sie einen möglichen Ansatz für die Entwicklung von Medikamenten, die den Wurm schädigen könnte, ohne den Menschen zu beeinträchtigen.

Industrielle Biotechnologie in Deutschland besiegelt Bündnis

Mit dem für 2011 geplanten Chemisch-Biotechnologischen-Prozesszentrum will sich Leuna als ein Zentrum der Industriellen Biotechnologie in Deutschland etablieren.Lightbox-Link
Mit dem für 2011 geplanten Chemisch-Biotechnologischen-Prozesszentrum will sich Leuna als ein Zentrum der Industriellen Biotechnologie in Deutschland etablieren.Quelle: Linde-KCA

Die Industrielle Biotechnologie in Deutschland tritt im Ausland nun mit einer Stimme auf.

Initiiert durch die staatliche Investitionsagentur Germany Trade & Invest haben sich Forschungsinstitutionen, Cluster der Industriellen Biotechnologie, Produktionsstandorte (Chemieparks) sowie regionale Wirtschaftsförderungsgesellschaften zusammengeschlossen. Seinen ersten Auftritt bestreitet das "Bündnis Industrielle Biotechnologie in Deutschland" derzeit beim „Sixth Annual World Congress on Industrial Biotechnology and Bioprocessing“, der vom 19. – 22. Juli im kanadischen Montreal stattfindet.
Das Bündnis soll die Entwicklung der Industriellen Biotechnologie in Deutschland vorantreiben. Gemeinsam sollen nicht nur Forschungs- und Entwicklungsprojekte in die Wege geleitet, sondern auch potenzielle Investoren aus einer Hand beraten werden. Am neuen Bündnis sind Cluster beteiligt, die 2007 aus dem Wettbewerb "BioIndustrie 2021" hervorgegangen sind, der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung ins Leben gerufen worden war (mehr...): BIOKATALYSE2021 aus Hamburg, Biopolymere/Biowerkstoffe aus Stuttgart, CIB aus Frankfurt/Main sowie CLIB2021 aus Düsseldorf.

Bündnis Industrielle Biotechnologie in Deutschland

Deutsche Biotech-Cluster, Chemieparks und Germany Trade & Invest haben sich zusammengeschlossen, um gemeinsam Investoren im Bereich der indsutriellen Biotechnologie anzulocken.

Details zum Kongressauftritt: hier klicken

Darüber hinaus sind auch Vertreter des erst im April dieses Jahres gestarteten Chemisch-Biotechnologische Prozesszentrums aus Leuna (mehr...) in Kanada anwesend, um über neue Bioraffinerie-Konzepte zu informieren. In Montreal soll zudem das Thema synthetische Biologie diskutiert werden. Als deutsch-europäische Stimme ist hierfür Sibylle Gaisser vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI vor Ort. Gaisser hatte das europäische Projekt TESSY (Towards a European Strategy for Synthetic Biology) geleitet, das erstmals eine strategische Perspektive für die noch junge Disziplin entworfen hat (mehr...). Die dabei formulierten Empfehlungen wird Gaisser in Montreal vorstellen.

Gehirntumore programmieren Nervenzellen zu willigen Helfern um

Die leuchtenden Bereiche am Rand des Tumors markieren hohe Konzentrationen des Enzyms, das dem Tumor das Wachstum in gesundes Gewebe ermöglicht. Lightbox-Link
Die leuchtenden Bereiche am Rand des Tumors markieren hohe Konzentrationen des Enzyms, das dem Tumor das Wachstum in gesundes Gewebe ermöglicht. Quelle: MDC Berlin

Tumore bringen Gehirnzellen dazu, ihnen beim Vorstoß in gesundes Gewebe zu helfen, wie Berliner Forscher herausfanden.

Glioblastome zählen zu häufigsten Hirntumoren und gelten als sehr aggressiv. Sie wachsen schnell und dringen auch erstaunlich leicht in das gesunde Gehirngewebe ein, weshalb bei einer Operation nie das gesamte Krebsgeschwür entfernt werden kann. Wie die Glioblastome das bewerkstelligen, war bisher unklar. Jetzt haben Berliner Forscher entdeckt, dass die Tumore bestimmte Gehirnzellen rekrutieren, um ihnen den Weg ins Gehirn freizumachen. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS, Online-Vorabveröffentlichung, 15. Juli 2009) veröffentlicht.
Darko Markovic vom Helios Klinikum Berlin Buch, Michael Synowitz vom Universitätsklinikum der Charité sowie Rainer Glass und Helmut Kettenmann vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin konnten zeigen, dass sogenannte Mikrogliazellen des Gehirns den Tumor bei der Ausbreitung unfreiwillig unterstützen. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) innerhalb eines deutsch-polnischen Partnerprogramms unterstützt.

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Menschen: Nils Blüthgen: Krebszellen in den Selbstmord treiben
Förderbeispiel: Leuchtende Krebszellen weisen Chirurgen den Weg

Mikrogliazellen sind die Immunabwehr des zentralen Nervenssystems (ZNS). Auf ihrer Oberfläche tragen diese Nervenzellen spezielle Antennen. Die Glioblastomzellen schütten wiederum bestimmte Enzyme aus, die das Gewebe zwischen den Zellen auflösen. Dann kann der Tumor besser wachsen. Normalerweise produzieren Mikrogliazellen dieses Enzym nicht. Die Gliomzellen jedoch können die Mikrogliazellen so stimulieren, dass diese das Enzym auf ihrer Zelloberfläche präsentieren. Damit kommt der Tumor schneller voran. In Mäusen konnten die Forscher ihre in der Zellkultur gewonnenen Daten bestätigen. "Bei den Tieren, bei denen wir das MT1-MMP-Gen oder ein zentrales Gen für die TLR-Signalgebung ausgeschaltet hatten, lockten Gliome weit weniger Mikrogliazellen an und die Tumore wuchsen erheblich langsamer", erläutert MDC-Forscher Kettenmann. Möglicherweise, so hoffen die Wissenschaftler, könnte eine molekulare Blockade dieses Mechanismus in Zukunft die Ausbreitung von Glioblastomen verzögern.

Publikations-Ranking: Deutsche Proteomforscher an der Spitze

Deutsche Wissenschaftler stehen an der Spitze eines Publikations-Rankings der Proteomforschung, das das Journal of Proteomics Research jüngst veröffentlicht hat.

Eiweiße sind die molekularen Arbeitstiere des Körpers. Jede Körperzelle enthält Tausende von verschiedenen Eiweißen, die als winzige Maschinen zusammenarbeiten und in der Zelle "den Laden in Gang halten".  Eiweiße sind auch die wichtigsten Baustoffe der Lebewesen. Fast jeder Bestandteil des Körpers ist entweder selbst ein Eiweiß oder wurde durch Eiweiße erzeugt. Die Bedeutung der wissenschaftlichen Erforschung dieser Teilchen ist heute sehr groß, vor allem weil Genforscher inzwischen herausgefunden haben, dass es weitaus mehr Proteine als Gene gibt. Um die genaue Anzahl und die Funktion all dieser Eiweiße zu verstehen - daran arbeiten Wissenschaftler in der Proteomforschung. Auf der Basis von Veröffentlichungen und Zitierungen hat das auf dieses Forschungsgebiet spezialisierte Fachmagazin Proteomics Research nun eine Bestenliste der Proteomik-Labors erstellt. Ganz oben hat sich dabei Matthias Mann vom Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried platziert, noch vor Forschern aus den USA und der Schweiz. Im Jahr 2008 gelang es ihm, das gesamte Proteom der Hefe vorzustellen (mehr...). 


Übersicht über Platzierung der deutschen Forscher

PlatzierungForscher/inForschungseinrichtungOrt
1Matthias MannMax-Planck-Institut für BiochemieMartiensried
16Michael HeckerUniverstität GreifswaldGreifswald
30Peter JungblutMax-Planck-Institut für InfektionsbiologieBerlin
44Albert SickmannInstitute for Analytical SciencesDortmund
54Burkhard RostTechnische Universität MünchenMünchen
59Angelika GörgTechnische Universität MünchenMünchen
80Stefan KaufmannMax-Planck-Institut für InfektionsbiologieBerlin
92Ferdinand von EggelingUniversität JenaJena
97Harald MischakMedizinische Hochschule HannoverHannover

 
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