Regenerative Medizin: Salamander offenbart völlig neue Erkenntnisse

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So sehen nachgewachsende Gliedmaßen des Axolotl aus, die mit angefärbten Schwann-Zellen ausgestattet sind, die sich um Nervenzellen wickeln. Quelle: Martin Kragl/CRTD

03.07.2009  - 

Regenerationswunder wie Salamander stehen schon seit Jahren hoch im Kurs der Wissenschaft. Mit ihnen versuchen Forscher zu verstehen, wie die Wiederherstellung neuer Gliedmaßen auf molekularer Ebene abläuft - um darauf aufbauend neue regenerative Therapieansätze für den Menschen zu entwickeln. Forscher um Elly Tanaka am DFG-Forschungszentrum für Regenerative Therapien in Dresden (CRTD) berichten nun im Fachamgazin Nature (2009, Vol. 460, S. 60-65) von völlig neuen Erkenntnissen, die den bisherigen Fokus auf pluripotente Alleskönner-Zellen revidieren.

Der mexikanische Schwanzlurch Axolotl (Ambystoma mexicanum) hat eine erstaunliche Fähigkeit, die uns Menschen verloren gegangen ist: ihm wachsen Gliedmaßen, Organe und sogar Teile des Gehirns vollständig und funktionstüchtig nach. Dieses Wunder der Natur analysieren Wissenschaftler um Elly Tanaka am DFG-Forschungszentrum für Regenerative Therapien in Dresden (CRTD) bereits seit Jahren, um dabei Rückschlüsse für mögliche regenerative Heilungsansätze beim Menschen ziehen – beispielsweise bei Verletzungen im Rückenmark. Von 2004 bis 2008 wurde die Forscherin dabei im Rahmen des BioFuture-Wettbewerbs des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unterstützt. Das CRTD ist im Jahr 2006 entstanden, als sich die TU Dresden mit ihrem Cluster "From Cells to Tissues to Therapies" in der ersten Runde der Exzellenz-Initiative des Bundes gesetzt hat und jährlich mit 6,5 Millionen Euro gefördert wird (mehr...).

BioFuture-Wettbewerb

Elly Tanaka ist eine von insgesamt 51 Forscherinnen und Forschern, die mit dem BioFuture-Preis des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ausgezeichnet wurden.

Mehr Infos: www.biofuture-wettbewerb.de

Mehr Infos zu Tanaka's Projekt: hier klicken

Regeneration ohne Alleskönner-Zellen

Lange Zeit hatten die Wissenschaftler geglaubt, dass die Regeneration beim Salamander dadurch geschieht, dass sich bei Verletzungen Zellen im Gewebe des Tieres in pluripotente Alleskönner-Zellen zurückentwickeln, aus denen wiederum alle möglichen Zelltypen werden können. Deswegen konzentrieren sich viele Forscher auch auf die Forschung mit Stammzellen, die ein Alleskönner-Potential besitzen. Sie versprechen sich davon großes Potenzial für regenerative Therapieansätze.

Tanaka ging der Regeneration beim Salamander nun genauer auf den Grund und stellte dabei etwas völlig Überraschendes fest. Wie die Forscherin gemeinsam mit Kollegen vom Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden sowie dem Institut für Anatomie an der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden im Fachmagazin Nature (2009, Vol. 460, S. 60-65)  berichtet, werden nach einer Verletzung über der Wunde beim Axolotl offenbar Vorläuferzellen produziert, die gar kein Alleskönner-, sondern nur ein beschränktes Entwicklungspotential besitzen.

Diese von den Forschern auch Blastema genannte Zone hatte Tanaka erstmals mit einer neuen Methode unter die Lupe genommen. Dabei wurden Zellen von verschiedenen Teilen des Salamnder-Körpers, die mit einem bestimmen Eiweißmarker – dem Grün Fluoreszierenden Protein (GFP) – angefärbt waren, in denselben Teil nicht angefärbter Tiere transplantiert, um jedes Gewebe grün zu markieren. Damit konnten die Forscher die Entwicklung der Gewebezellen von Epidermis (Oberhaut), Dermis (Lederhaut), Muskeln, Knorpel und Schwann-Zellen (isolieren Nervenzellen mit einer Art Hülle) genau nachverfolgen.

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Zellen wissen, wo sie hingehören

Tanaka hat es dabei zum ersten Mal geschafft, das grün leuchtende Markereiweiß GFP ins Genom des Axolotls einzubringen und damit im Detail das Schicksal einzelner Zellen und Gewebe zu beobachten. Die Ergebnisse der Dresdner Forscher widerlegen nun bisherige Vorstellungen über die Regeneration beim Axolotl. "Die Zellen entwickeln sich nicht in ein pluripotentes Stadium zurück, behalten aber eine starke Erinnerung an ihre Herkunft“, erläutert die Professorin. „Das Blastema ist demzufolge ein heterogener Pool von Vorläuferzellen mit begrenztem Entwicklungspotential", so ihre Schlussforlgerung.

Regenerative Medizin in Deutschland

In Deutschland gibt es derzeit sechs Zentren der Regenerativen Medizin.

Berlin-Brandenburg Center for Regenerative Therapies
BCRT
Center for Regenerative Therapies Dresden
CRTD

Translational Centre for Regenerative Medicine Leipzig
TRM
Regenerative Biology and Reconstructive Therapy Hannover
REBIRTH
Referenz- und Translationszentrum für kardiale Stammzelltherapie
RTC

Regenerative Medizin in der Region Neckar-Alb
REGiNA

Im Detail zeigen die Ergebnisse: Hautgewebe produziert bei der Regeneration zwar Knorpel und Sehnen, aber keine Muskelzellen oder Schwann-Zellen. Knorpel bildet kein Muskelgewebe, sondern meistens wieder Knorpel. Muskel hingegen entwickelt kein Knorpel- oder Epidermisgewebe, sondern beschränkt sich hauptsächlich oder exklusiv auf die Bildung von Muskeln. Die meisten Zellen sind somit auf ihre eigene Gewebeidentität beschränkt, wobei das Hautgewebe das flexibelste von allen ist.

Große Relevanz für regenerative Therapien

Die Forscher haben dabei auch untersucht, ob Blastema-Zellen von verschiedenen Geweben dieselben molekularen und zellulären Eigenschaften bezüglich dieser Positions-Identität besitzen. "Wir haben auch hier Erstaunliches gefunden", so Tanaka. "Die Positions-Identität ist ein spezifisches Merkmal von Zelltypen des Blastemas. Blastema-Zellen, die aus dem Knorpel abgeleitet werden, behalten Ihre Positions-Identität, wissen also genau wohin sie im neuen Glied gehören. Hingegen behalten Zellen, die aus Schwann-Zellen entstehen, diese Identität nicht." Für die Forscher ist damit klar: Künftig muss jedes Gewebe einzeln beobachtet werden.

Obwohl die Studien an einem Modellorganismus durchgeführt wurden, sieht Tanaka in ihren Ergebnissen eine große Relevanz für die regenerative Medizin beim Menschen. Aus ihrer Sicht zeigen sie vor allem, dass das komplexe Phänomen der Regeneration auch ohne komplette Zurückentwicklung der Zellen in ein pluripotentes Alleskönner-Stadium erreicht werden kann. "Zum ersten Mal wurde festgestellt, dass sich die Zellen im Regenerationswunder Axolotl wie Zellen in Säugetieren verhalten und nicht so verschieden von unseren sind", betont Tanaka. "Dennoch bilden die Zellen beim Salamander ein vollständiges Glied, d.h. dass die Zellen eine Art Reprogrammierung durchlaufen müssen, selbst wenn sie nicht in das früheste pluripotente Stadium zurückkehren." Nun will sich die Forscherin mit verschiedenen Genen beschäftigen, die für die Regeneration wichtig sind.

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