Diabetes sehen und verstehen
27.06.2012 -
Diabetes wächst und wächst. Zum einen als Problem der Menschheit: Im Jahr 2030 werden 550 Millionen Menschen an Diabetes leiden, prognostiziert die Internationale Diabetes Föderation. Zum anderen wird die Zuckerkrankheit zu einer immer größeren Herausforderung für die Forschung: die Vorgänge im Stoffwechsel sind so komplex, dass eine ganze Reihe von Disziplinen herangezogen werden muss, um das Puzzle zu verstehen. Aus diesem Grund haben sich vier Helmholtz-Institute jetzt mit mehr als 25 Universitäten, Einrichtungen und Unternehmen in der ICEMED-Allianz zusammengetan. 30 Millionen Euro stehen bereit, um fünf Jahre lang bisher unbekannte zusammenhänge von Diabetes und Adipositas zu erforschen und im besten Fall sogar neuartige Wirkstoffe zu entwickeln.
„Gemeinsam können wir es schaffen, die sich ausweitende Pandemie von Diabetes und Adipositas einzudämmen und hoffentlich umzukehren“, sagt der Koordinator von ICEMED, Matthias Tschöp. Der gerade erst aus den USA zurückgekehrte Experte leitet das Institut für Diabetes- und Adipositasforschung des Helmholtz Zentrums München. Vor kurzem wurde er als erster Mediziner mit einer der begehrten Humboldt-Professuren ausgezeichnet. Das Helmholtz-Zentrum München hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der führenden Diabetes-Standorte Deutschlands entwickelt. Auch das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung, eines der vom BMBF eingerichteten nationalen Zentren der Gesundheitsforschung (mehr...), unterhält hier einen seiner wichtigsten Standorte.
Helmholtz-Gemeinschaft |
Die Helmholtz-Gemeinschaft wird zu 90% vom Bundeministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert, mit rund 2,5 Milliarden Euro im Jahr. Das erlaubt es den beteiligten Forschungsinstituten, schwierige Probleme mit einem langen Atem anzugehen. |
ICEMED steht für “Imaging and Curing Environmental Metabolic Diseases”, also die „Visualisierung und Therapie Umweltbedingter Stoffwechselerkrankungen". Die Forscher wollen in den kommenden fünf Jahren neue bildgebende Techniken entwickeln, die das Beobachten von Stoffwechselvorgängen im Gehirn ermöglichen. Unter anderem können die ICEMED-Mitglieder dabei auf hochauflösende MRI-Verfahren sowie ein weltweit einzigartiges MR-PET-Gerät mit 9,4 Tesla am Forschungszentrum Jülich zugreifen. Die Wissenschaftler wollen dabei nicht nur verstehen, sondern auch heilen.
Gemeinsam wollen sie einen Weg finden, um Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes mellitus und Übergewicht (Adipositas) zu heilen – oder zukünftig sogar ihre Entstehung zu verhindern. Die Helmholtz-Gemeinschaft, die beteiligten Helmholtz-Zentren und Universitäten unterstützen dieses Anliegen mit 30 Millionen Euro über fünf Jahre. Das Konsortium arbeitet dabei mit Sanofi Aventis Pharmaceuticals, aber auch mit den international renommierten Diabetes- und Adipositas-Forschungszentren der Universität von Cambridge in Großbritannien und an der Yale University in den USA zusammen.
Das Team konzentriert sich auf das Zentralnervensystem, das an der Steuerung aller systemischen, metabolischen Prozesse beteiligt ist und damit das entscheidende Organ für die Erforschung der Krankheit darstellt. Der Nachteil: Das Gehirn ist das komplexeste Gebilde des Universums. Doch Tschöp ist optimistisch: „Unser innovativer Ansatz und das herausragende interdisziplinäre Team können uns den wissenschaftlichen Durchbruch und neue personalisierte Therapieansätze bei Stoffwechselerkrankungen wie Adipositas oder Typ-2-Diabetes mellitus ermöglichen“, sagt er.
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Der Mediziner gründet seine Hoffnung unter anderem auf den Einsatz modernster Technik. "Eine besondere Chance liegt in unserer engen Zusammenarbeit mit führenden Physikern wie unserem ICEMED Co-Koordinator Professor Jon Shah vom Helmholtz Forschungszentrum Jülich", sagt Schöp. "Jon hat in den letzten Jahren neue Technologien zur gleichzeitigen Visualisierung mehrerer Stoffwechselprozesse im menschlichen Gehirn entwickelt."
Noch ist es zu früh, um vorherzusagen, welche Ergebnisse die großangelegte Zusammenarbeit zeitigen wird. Die Allianz will sich in den kommenden fünf Jahren aber nicht auf die Grundlagenforschung beschränken. Im Budget ist auch Geld für klinische Studien reserviert. Denn gleich wie spezialisiert sie auch sein mögen, in einem Punkt gleichen sich die Mediziner der Allianz doch, sagt Tschöp. Sie alle wollen ihre Medikamente "am Menschen sehen".
Film zur Diabetesforschung am Helmholtzzentrum München: hier klicken
Autor: Christoph Mayerl