Parkinson-Gene auf dem Prüfstand

Wissenschaftler des Berliner Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik haben eine Gendatenbank der Parkinson-Krankheit erstellt. Die Sammlung soll künftig die Forschung erleichtern. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Wissenschaftler des Berliner Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik haben eine Gendatenbank der Parkinson-Krankheit erstellt. Die Sammlung soll künftig die Forschung erleichtern. Quelle: NHIGR

20.03.2012  - 

Die Datenmenge zur Parkinson-Krankheit ist gewaltig: Hunderte von Studien, teilweise mit widersprüchlichen Ergebnissen, dazu ein gutes Dutzend an Genvarianten, die mit der Entstehung der neurodegenerativen Erkrankung in Verbindung gebracht werden. Um die Interpretation der großen, beständig wachsenden Datenmenge zum Thema Parkinson zu erleichtern, haben Wissenschaftler des Berliner Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik zusammen mit 44 internationalen Kollaborationspartnern aus der ganzen Welt ein umfassendes, frei zugängliches Daten-Kompendium für die Parkinson-Krankheit erstellt.  Dabei entdeckten sie auch ein neues Risikogen. Über ihre Erkenntnisse berichten sie im Fachjournal PLoS Genetics (2012, Online-Veröffentlichung).

Die Bandbreite der Ergebnisse aus der Parkinson-Forschung ist groß: So erforscht beispielsweise ein deutsch-amerikanisches Team die Rolle von Entzündungserkrankungen bei der Enstehung des Gehirnleidens. Der Neurologe Günter Höglinger wies nach, dass der Genuss einer Südsee-Frucht ebenfalls zu Krankheitssymptomen führt (mehr...). Und die Tübinger Forscherin Saskia Biskup identifizierte ein Parkinson-Risikogen (mehr...).  Drei von hunderten Erkenntnissen zu den Ursachen der Krankheit, unter der allein in Deutschland fast eine halbe Million Menschen leiden.

Widersprüchliche Studien

Die Suche nach Risikogenen ist schwierig. Studien zur Erforschung des Risikoprofils komplexer genetischer Erkrankungen führen oft zu widersprüchlichen Ergebnissen. So kann eine Forschergruppe überzeugende Daten präsentieren, dass sich bei Vorliegen einer bestimmten Sequenzvariante im Genom das Risiko einer Erkrankung erhöht.

Parkinson Datenbank

Weitere Informationen zum Projekt finden Sie auf der PDGene-Webseite

Untersuchungen in unabhängigen Stichproben finden aber für genau diese Risikoeffekte dann häufig keine Hinweise. Dies trifft auch auf die Parkinson-Krankheit zu. Um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten, müssen Wissenschaftler daher auf so genannte Meta-Analysen zurückgreifen. Dies sind statistische Verfahren, die die Ergebnisse mehrerer Studien quantitativ zusammenführen. "Wenn man es mit Millionen genetischer Varianten in fast 1000 wissenschaftlichen Publikationen zu tun hat, kann das schnell zur Sisyphus-Arbeit werden", sagt die Molekularbiologin Christina Lill. Die Forscher vom Berliner Max-Planck-Institut waren angewiesen auf die Unterstützung zahlreicher Forschungsgruppen aus insgesamt 44 Ländern. Aus den eigenen Daten und denen der Forscherkollegen entstand PDGene – eine online-Datenbank, welche die Ergebnisse zusammenführt und auswertet.  Am MPI hat man damit bereits Erfahrung: Unter der Leitung von Lars Bertram entstanden bereits vergleichbare Datenbanken zur Alzheimer-Krankheit und zu Schizophrenie.

Die Suche nach den Risikogenen

„Neben der Bestätigung von etwa einem Dutzend genetischer Risikogene haben wir auch eine viel größere Anzahl von Genen ausgeschlossen, die in der Vergangenheit als Parkinson-Risikogene diskutiert worden sind“, sagt Bertram. Die Zusammenführung aller existierenden Daten zu den betreffenden Genen habe deutlich gezeigt, dass für diese kein Risikoeffekt für die Parkinson-Erkrankung nachgewiesen werden kann. Gerade diesen vermeintlichen Rückschlag wertet Bertram als Erfolg: Die "negativen" Daten seien wichtig, damit zukünftige Untersuchungen in dem Gebiet nicht auf falschen Hypothesen aufbauen.

Nachdem eine Reihe von Hypothesen widerlegt waren, eröffneten sich neue Blickwinkel – und ein neuer Kandidat für eine genetische Disposition. Hinter der Bezeichnung ITGA8 ("alpha-8 integrin") verbirgt sich ein Gen, das für ein im Gehirn vorkommendes Eiweiß kodiert. Bisherige Studien haben bereits gezeigt, dass das Eiweiß dort Wechselwirkungen zwischen Zellen beeinflusst und das Auswachsen von Nervenzellfortsätzen reguliert, die für den Tastsinn und die Bewegung notwendig sind.

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Um die potenziellen molekularen und biochemischen Mechanismen der Verbindung von ITGA8 mit Parkinson zu klären, sind weitere Studien notwendig. Nichtsdestotrotz ist ITGA8 der nächste heiße Kandidat für ein Risikogen.

Nächstes Ziel: Demenz, MS und Lateralsklerose

Der vom Max-Planck-Team verwendete Meta-Analyse-Ansatz wurde ursprünglich für die Analyse von Ergebnissen klinischer Studien entwickelt, beispielsweise von pharmakologischen Studien. Ähnlich wie genetische Studien zeigen auch diese häufig widersprüchliche Ergebnisse. Für die Meta-Analysen der PDGene-Studie mussten alle relevanten Daten zuerst identifiziert, geprüft und dann mit bereits existierenden Daten abgeglichen werden. "Neben der Bedeutung für die Parkinson-Forschung kann unser Ansatz auch als hilfreiches Beispiel für andere Erkrankungen dienen", sagt Bertram. Seine Gruppe arbeitet nun an Datenbanken für andere neurogenetische Krankheiten wie die amyotrophe Lateralsklerose, frontotemporale Demenz und Multiple Sklerose.

© biotechnologie.de/ck

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