Roter Laser und Grüner Tee gegen das Vergessen
08.02.2012 -
Grüner Tee, oder besser der darin enthaltene Wirkstoff Epigallocatechingallat (EGCG), ist in der Alzheimer-Prävention schon länger bekannt. Forscher der Universität Ulm haben jetzt eine ungewöhnliche Kombinationstherapie mit dem Wirkstoff entwickelt. Im Modell zeigten sie, dass die Gabe von EGCG in Kombination mit rotem Laserlicht die Alzheimer-typischen Beta-Amyloid-Plaques auffällig verringert. Das Bundesforschungsministerium fördert das „Verbundprojekt Alzheimer“ mit insgesamt 926.828 Euro. Ihre Erkenntnisse haben die Forscher bereits unter anderem in den Fachzeitschriften Photomedicine and Laser Surgery (2012, Bd. 30, S. 54-60) und Nature Chemical Biology (2012, Bd. 8, 93-101) publiziert.
Alzheimer beherrscht nicht erst seit der Erkrankung des früheren Schalke-Managers Rudi Assauer die Schlagzeilen. Mehr als 700.000 Menschen leiden in Deutschland an dieser speziellen Form der Demenz. Auslöser der Alzheimer- Erkrankung sind Eiweiße, sogenannte Plaques. Sie stören die Signalübertragung im Gehirn und lösen so die typischen Krankheitssymptome aus. Schon länger ist bekannt, dass der im Grünen Tee enthaltene Wirkstoff EGCG diese Aß-Plaques bekämpft. Weltweit führend auf dem Gebiet der in-vitro-Forschung zur Interaktion von EGCG mit Amyloid-ß ist das Max-Delbrück-Centrum (MDC) für Molekulare Medizin in Berlin (mehr...). Dort waren die Molekularmediziner Erich Wanker (mehr...) und Jan Bieschke auch der gedächtnisfördernden Wirkung des Grüntees auf die Spur gekommen (mehr...).
Rotes Laserlicht erhöht den Therapieerfolg
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Die Wissenschaftler am MDC sind ebenfalls am Verbundprojekt Alzheimer beteiligt, die Idee für den neuen Therapieansatz entstand jedoch am Institut für Mikro- und Nanomaterialien der Universität Ulm. Der Materialwissenschaftler Andrei Sommer hatte entdeckt, dass sich dünne Wasserfilme bei Bestrahlung mit rotem Laser ausdehnen, und danach wieder zusammen ziehen. Eine Erkenntnis, die auch auf das Wasser in den körpereigenen Zellen zutrifft. In der Kontraktionsphase können die Zellen gut Substanzen aus der Umgebung aufnehmen.
„Biomedizinische Laseranwendungen haben für viele etwas mit Zerstörung zu tun, zum Beispiel bei Operationen“, erklärt Andrei Sommer von der Universität Ulm. „Das von uns verwendete Laserlicht ist anders, es wird seit über 40 Jahren in der klinischen Wundheilung eingesetzt. Hier bewirkt das Licht die Produktion von ATP in den Zellen, es kommt zu Stoffwechselprozessen und Zellwachstum.“ Entsprechend wirkte das in Wellenlänge, Intensität und Energiedichte genau festgelegte Laserlicht bei den untersuchten Zellen.
Überraschung in den Neuroblastomzellen
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Bereits 2010 hatten die Forscher ähnliche Erfolge mit Gebärmutterkrebszellen. Sie konnten nach der Bestrahlung das EGCG besser aufnehmen, das auch tumorhemmend wirkt. Die Tatsache, dass EGCG auch die Amyloid-ß-Plaques der Alzheimerkrankheit abbaut, brachte Sommer auf die Idee, die beiden Ansätze zu kombinieren. Mit einer „interessanten Überraschung“, wie Sommer beschreibt. „Bei den Neuroblastomzellen scheint die Bestrahlung einen Prozess zu stimulieren, bei dem die Zelle in ihr enthaltene Amyloid-ß-Anteile reduziert.“
Alzheimer-Forscher fragen sich seit langem, warum zelleigene Mechanismen nicht ausreichen, um die Alzheimer-Plaques in den Nervenzellen auf natürlichem Weg abzubauen. „Die Neuronen werden mit ihrer Amyloid-ß-Last nicht fertig. Möglicherweise kann ihnen an dieser Stelle mit dem Laserlicht geholfen werden“, hofft Sommer.
Noch befindet sich das Experiment in der Petrischale, und damit am Anfang einer bis zu 12 Jahre dauernden Therapieentwicklung. „Vielleicht lässt sich diese Zeit bei unserer Kombinationsmethode verkürzen“, meint Sommer. Die verlorenen Neuronen bei Alzheimerpatienten können auch Laserlicht und Grüntee-Extrakt nicht ersetzen, die Forscher hoffen jedoch, die Krankheit einmal aufzuhalten. Sommer verweist auf Erfolge in anderen Ländern: In den USA wird Licht vergleichbarer Qualität bereits zur Therapie bei Hirnschäden und Schlaganfall eingesetzt, die Chinesen kultivieren den Grünen Tee seit mehr als 5 000 Jahren.
Autorin: Cornelia Kästner