Wochenrückblick KW 05
Rückblick auf Kalenderwoche 5
Für den Zeitraum vom 31. Januar bis 6. Februar 2012 hat biotechnologie.de für Sie die wichtigsten Nachrichten aus der Biotech-Branche zusammengestellt.
Neue Hämoglobin-Anomalie entdeckt
Forscher vom Universitätsklinikum Bonn haben eine bisher unbekannte genetische Veränderung des roten Blutfarbstoffs entdeckt.
Dabei kann das Hämoglobin die Sauerstoffmoleküle nicht so gut binden wie die normale Variante. Das führt bei den Betroffenen zu einer deutlichen Verminderung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Die Forscher haben diese Erkenntnisse im Fachjournal Clinical Chemistry (2012, Online-Vorabveröffentlichung) publiziert. Die Anomalie wurde nach ihrem Entdeckungsort Hämoglobin Venusberg genannt. Ein Internist aus Bayern hatte sich an die Forscher des Bonner Universitätsklinikums gewandt. Er betreute zwei Patienten mit einer sehr niedrigen Sauerstoffsättigung im Blut, deren Ursache nicht festzustellen war. Die Vermutung, dass es sich um die bereits 2008 entdeckte Hämoglobin-Variante "Bonn" handeln könnte, hatte sich nicht bestätigt. Vielmehr handelte es sich um einen ganz neuen Defekt.
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Im Gegensatz zu "Hämoglobin Bonn" haben die Patienten nicht nur auf den Instrumenten zu niedrige Sauerstoffsättigungswerte, sondern tatsächlich zu wenig Sauerstoff im Blut, sagt Berndt Zur vom Institut für Klinische Chemie und Pharmakologie, dem Zentrallabor des Universitätsklinikums Bonn. "Das kann zu einer zeitweiligen Blauverfärbung der Lippen und einer eingeschränkten körperlichen Leistungsfähigkeit führen. Zudem sind die Ergebnisse des Laborwertes für HbA1c, einem Marker für den Diabetes mellitus, falsch hoch.“ Das könne zur Folge haben, dass bei Patienten mit „Hämoglobin Venusberg“ die Zuckerkrankheit diagnostiziert wird. Für die beiden Patienten beendete die Diagnose auch eine mehr als zehnjährige Odyssee durch verschiedene Krankenhäuser und Arztpraxen.
© biotechnologie.de/ck
Boehringer: Forschungsneubau für Biologicals
Boehringer Ingelheim stärkt die Entwicklung biotechnologischer Arzneimittel.
In einem am 31. Januar eingeweihten Forschungsneubau in Biberach sollen zukünftig 120 Mitarbeiter aus den Bereichen Strukturforschung, Medizinische Chemie und New Biological Entity (NBE) Discovery an Biologicals forschen. Auch das hauseigene Scientific Information Center mit Bibliothek und Recherchediensten ist in dem 26 Millionen Euro teuren Bau untergebracht. Die Abteilung NBE Discovery, die an neuen biologischen Arzneimittelwirkstoffen arbeitet, wurde in Biberach neu gegründet. Sie beschäftigt sich hauptsächlich mit Forschungen zu neuen therapeutischen Proteinen und Antikörpern. „Diese biotechnisch hergestellten Moleküle werden in Zukunft bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen eine zusätzliche therapeutische Möglichkeit neben kleinen chemisch synthetisierten Molekülen“ bieten, heißt es aus Biberach.
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Hinzu kommen Informatikexperten, die die Wechselwirkung neuer Arzneistoffe mit krankheitsauslösenden Proteinen im menschlichen Organismus am Computer vorhersagen und analysieren. Im Jahr 2010 erwirtschaftete Boehringer Ingelheim Gesamterlöse von rund 12,6 Milliarden Euro. Erst im vergangenen Herbst hatte das Unternehmen angekündigt, künftig auch eigene Biosimilars entwickeln und vermarkten zu wollen. 2011 hatte der Pharmakonzern außerdem ein Biozentrum in Kooperation mit der Universtät Ulm gegründet (mehr...). Das Institut für Molekulare Biologie (IMB) an der Universität Mainz und das Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien gehen wesentlich auf Initiativen des Ingelheimer Unternehmens zurück. Das BIU widmet sich drei Schwerpunkten: neurodegenerativen und kardiometabolischen Krankheitsbildern sowie Lungenerkrankungen.
©biotechnologie.de/bk
Mäusegehirn in Hochauflösung
Am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie haben Forscher erstmals Live-Bilder aus dem Gehirn einer lebenden Maus aufgenommen.
Wie das Team um Stefan Hell im Fachjournal Science (2012, Online-Vorabpublikation) berichtet, nutzten die Forscher dazu ein neues hochauflösendes Mikroskopieverfahren, die sogenannte STED-Mikroskopie. Die von Hell entwickelte Methode erreicht eine bisher unmögliche Auflösung von unter 70 Nanometern und zeigt damit erstmals die Strukturen, über die Nervenzellen miteinander kommunizieren. Die Göttinger Forscher blickten mit dem STED-Mikroskop direkt in das Gehirn lebender Mäuse. Ihre Arbeiten zeigen Nervenzellen aus der oberen Hirnschicht der Nager in bisher unerreichter Detailtreue. Die Anwendung der STED-Mikroskopie eröffnet Neurobiologen und Medizinern neue Wege, grundlegende Vorgänge im Gehirn zu entschlüsseln. „Mit dem STED-Mikroskop sehen wir selbst die Verästelungen von Nervenzellen im Gehirn einer lebenden Maus scharf", so Hell.
"Wir können die sogenannten Dornfortsätze mit ihren pilz- oder knopfförmigen Ausstülpungen deutlich erkennen.“ Bilder der Nervenzellen im Abstand von sieben bis acht Minuten offenbarten den Wissenschaftlern Überraschendes: Die Dornfortsätze können sich bewegen und ändern ihre Form. „Die Aufnahmen könnten in Zukunft sogar zeigen, wie bestimmte Proteine an den Kontaktstellen verteilt sind“, vermutet Hell.
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Feinheiten, die enger beieinander liegen als 200 Nanometer, erscheinen in herkömmlichen Lichtmikroskopen aufgrund der unvermeidbaren Lichtbeugung als ein einziger verwaschener Fleck. Die von Hell und seinem Team entwickelte STED-Mikroskopie hat diese Grenze unterlaufen, indem eng benachbarte Details durch einen speziellen Lichtstrahl sequenziell dunkel gehalten werden. Sie leuchten nicht auf einmal, sondern nacheinander auf und können somit unterschieden werden. Die Technik steigert die Auflösung gegenüber herkömmlichen Lichtmikroskopen bis um etwa das Zehnfache. Die Forscher hoffen, mit dieser Methode Krankheiten wie Autismus und Epilepsie besser zu verstehen, die auf einer Fehlfunktion von Synapsen beruhen.
© biotechnologie.de/ck
Agennix bricht Sepsis-Studie ab
Die Agennix AG hat ihre Phase II/III-Studie für den Immunmodulator Talactoferin aus Sicherheitsgründen abgebrochen.
Wie das Unternehmen am 2. Februar bekannt gab, folgte es damit einer Empfehlung des Data Safety Monitoring Board, eines unabhängigen Gremiums, welches im Auftrag der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA die Sicherheit der Studienteilnehmer überwacht. „Die Ergebnisse zeigten, dass die 28-Tages-Mortalität im Talactoferrin-Arm der Studie höher war als im Placebo-Arm“, teilte Agennix als Begründung mit. Noch ist unklar, warum der Immunmodulator in der im Juli 2011 gestarteten Studie versagte. „Wir werden die Ergebnisse einer genauen Untersuchung unterziehen, um diese besser nachvollziehen zu können“, sagte Rajesh Malik, der medizinische Leiter von Agennix. Für Agennix sind die Nachrichten bedrohlich: Erst vor wenigen Wochen hatte das Unternehmen im Rahmen eines Bezugrechtsangebotes 27,5 Millionen Euro eingesammelt, um die Talactoferrin-Entwicklung weiter vorantreiben zu können.
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Wochenrückblick: Agennix: 27,5 Millionen Euro für Arzneientwicklung Wirtschaft: Biotech-Unternehmen Agennix will 80 Millionen Euro an Börse einsammeln |
An der Börse sorgte der Abbruch für einen Kursrutsch, die Agennix-Aktie verlor zwischenzeitlich ein Drittel ihres Wertes. Bei der Firma selbst wird nun Ursachenforschung betrieben. Sobald die Überprüfung der inzwischen von Agennix entblindeten Ergebnisse abgeschlossen sei, solle auch über das Vorgehen hinsichtlich der weiteren Entwicklung von Talactoferrin bei schwerer Sepsis beschlossen werden. „Diese lebensbedrohliche Erkrankung ist äußerst schwierig zu behandeln, weshalb wir vor Beginn der OASIS-Studie die Entscheidung getroffen haben, zusätzliche klinische Daten vor Start einer größeren Phase III-Studie zu generieren“, so Malik: Die Studie wurde vor Beginn der teuren Phase III abgebrochen. In anderen Anwendungen hat Agennix die Hoffnung auf einen Erfolg mit der Arznei offenbar noch nicht ganz aufgegeben: „Basierend auf den zur Verfügung stehenden Informationen sollten diese Ergebnisse keine Auswirkung auf die Durchführung der laufenden FORTIS- Studie mit Talactoferrin bei nicht-kleinzelligem Lungenkrebs haben“, sagte Malik.
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Europäisches Netzwerk für Biomaterialien
Das baden-württembergische Kompetenznetzwerk BioRegio STERN wird Teil des europäischen Verbundprojektes BIOMAT-In zu Biomaterialien.
Wie die BioRegio STERN Management GmbH am 31. Januar mitteilte, erhält das Unternehmen damit über die nächsten drei Jahre 223.000 Euro an EU-Fördermitteln, um ein nachhaltiges Netzwerk aus Unternehmen, Institutionen und Kliniken aufzubauen. Das transnationale EU-Projekt BIOMAT-In fördert Geschäftsbeziehungen zwischen kleinen und mittleren Unternehmen sowie Forschungseinrichtungen im Bereich der Biomaterialien und des Tissue Engineering.
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Menschen: Herwig Brunner: Ein Wandler zwischen zwei Welten Förderung: BMBF-Wettbewerb Gesundheitsregionen: 15 Millionen Euro für Regenerative Medizin Wissenschaft: Keine Spinnerei: Nerven aus Seidenfasern |
Es wird drei Jahre lang mit insgesamt 1,24 Millionen Euro unterstützt. BioRegio STERN ist gemeinsames Kompetenznetzwerk, Beratungsstelle und Anlaufpunkt für Existenzgründer, Forscher und Unternehmer aus der Biotechnologie in den Städten Stuttgart, Esslingen, Reutlingen und der Region Neckar-Alb. Zu den Schwerpunkten von BioRegio STERN zählt unter anderem die Regenerationsmedizin. Zahlreiche Forschungseinrichtungen, Kliniken und Unternehmen beschäftigen sich mit medizinischen Anwendungen beispielsweise im haut- und Wundsystem oder im Herz-Kreislauf-Bereich. Als Teil von BIOMAT-In arbeiten die Baden-Württemberger zusammen mit vier anderen Spitzenclustern aus Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien am Aufbau eines transnationalen Netzwerks. In den kommenden drei Jahren werden die Daten von BioRegio STERN mit denen der übrigen Cluster in einer Datenbank zusammengeführt. Unternehmer sollen so einen Überblick über das gesamte europäische Netzwerk sowie Informationen zu den jeweiligen Zulassungsbedingungen und Marktchancen erhalten.
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Wächter-Gen erklärt Entstehung von Krebs
Ein Gen mit „Wächterfunktion“ bietet eine mögliche Erklärung für die Entartung von Zellen zu Tumoren.
In der Fachzeitschrift Cell (2012, Online-Vorabveröffentlichung) beschreiben Forscher am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg (DKFZ) eine Ursache dafür, dass sich normale Zellen in Geschwulste verwandeln.
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Wissenschaft: Gentherapie im Reifeprozess Menschen: Christian Reinhardt: Smarte Tricks gegen Tumorzellen |
Demnach sind Mutationen im Gen mit dem wissenschaftlichen Namen p53 verantwortlich. Als „Wächter des Genoms“ sorgt p53 dafür, dass sich Zellen mit genetischen Schäden nicht vermehren. Versagt p53, kann sich nicht nur langfristig Krebs entwickeln. Bestimmte Defekte in dem wichtigen Molekül können auch zur plötzlichen Krebsentstehung führen, wenn die Erbinformation einer Zelle in einem einzelnen, katastrophalen Ereignis völlig zerstört wird und sich die Zelle dann in eine Krebszelle verwandelt.
„Diese Forschungsergebnisse dienen als Basis für neuartige Möglichkeiten zur Diagnose und Therapie von Krebserkrankungen und haben das Verständnis, wie Krebs überhaupt entsteht, grundlegend erweitert“, sagt Otmar Wiestler, Wissenschaftlicher Stiftungsvorstand des DKFZ. Die Arbeit entstand im Rahmen des PedBrainTumor-Netzwerks, das die Erbinformationen von Hirntumoren entschlüsseln soll, die bei Kindern die höchste Sterblichkeitsrate haben. Das Netzwerk wurde 2010 durch eine bis dahin einzigartige Zusammenarbeit zwischen der Deutschen Krebshilfe und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ermöglicht und wird von beiden mit insgesamt 15 Millionen Euro unterstützt. Jedes Jahr erkranken in Deutschland 450 000 Menschen neu an Krebs, jährlich sterben etwa 220.000 Patienten an den Krankheitsfolgen. „Grundlegende Erkenntnisse über die Entstehung von Krebs sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer personalisierten Therapie dieser Krankheit“, sagte Bundesforschungsministerin Annette Schavan anlässlich des Weltkrebstages am 4. Februar in Berlin.
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