Tumorüberwachung per Mikrochip

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Gerade einmal halb so groß wie ein kleiner Finger sind die Mikrochips, die zur Tumorüberwachung eingesetzt werden sollen. Quelle: Becker/TU München

13.12.2011  - 

Krebs braucht Sauerstoff, um sich auszubreiten. Ein Sensorchip, den Wissenschaftler an der TU München gerade entwickeln, macht sich diese Tatsache zur Diagnose zunutze. Im Körper eingesetzt soll er die Sauerstoffkonzentration in der Nähe von Tumoren überwachen und Ärzte warnen, wenn ein Geschwür aktiv wird und sich anschickt, Metastasen zu bilden.

Der Spion, der künftig Krebstumoren im Auge behalten soll, ist gerade einmal halb so groß wie ein kleiner Finger. Medizintechniker um Bernhard Wolf, Professor am Heinz Nixdorf-Lehrstuhl für Medizinische Elektronik, haben ihn aus biokompatiblen Materialien hergestellt und mit einer speziellen Membran beschichtet. Damit wollen sie verhindern, dass der Körper ihn als Fremdstoff erkennt, mit einer Gewebekapsel umschließt oder sogar abstößt. Mit Hilfe kleiner Ösen wird er vor Ort festgenäht, damit ihn der Körper auch nicht vom Ort des Geschehens wegtransportiert. Mittendrin statt außen vor – der im Projekt IntelliTuM (Intelligentes Implantat zum Tumor-Monitoring) entwickelte Datenträger soll so nah wie möglich am Krebsgeschwür sitzen und dessen Wachstum überwachen. Die Daten werden per Funk an den behandelnden Arzt übermittelt. Dieser kann dann entscheiden, wann eine Therapie angebracht ist. Das Projekt wurde über 3 Jahre hinweg mit insgesamt 530.000 Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Jetzt können die Wissenschaftler einen Prototyp vorweisen.

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Weniger Kontrollbesuche

„In Tumoren und in ihrer unmittelbaren Umgebung nimmt die Sauerstoffkonzentration im Gewebe ab“, beschreibt Projektleiter Sven Becker von der TU München den Ansatz des Projektes. „Das liegt daran, dass an diesem Ort viele Blutgefäße relativ unkontrolliert wuchern. Je stärker also die Sauerstoffverarmung in der Nähe eines Tumors ist, desto größer ist seine Tendenz zu metastasieren.“ Der Sauerstoff ist dabei einer der wichtigsten, aber nicht der einzige Indikator. Geplant sind außerdem Messgeräte für Temperatur und den Ph-Wert, weil es im Tumorumfeld auch zu einer Ansäuerung des Gewebes kommt.

Der neuentwickelte Sensorchip gibt die Daten an ein Empfangsgerät weiter, welches der Patient bei sich trägt. Dieses übermittelt die Daten an den Arzt, der daraufhin über Therapien oder eine Operation entscheidet. Das würde den Aufwand erheblich verringern. Kontrollbesuche, Röntgenuntersuchungen und Tomografien wären nicht mehr notwendig, und der Tumor wäre trotzdem weit feinmaschiger beobachtet als bisher. Auch nach einer Operation könnte so der Erfolg überwacht werden: Bildet sich ein neuer Tumor, schlägt der Chip Alarm.

 

Der Chip überwacht die Sauerstoffkonzentration in der Nähe der Tumoren und schlägt Alarm, sobald sich Metastasen bilden.Lightbox-Link
Der Chip überwacht die Sauerstoffkonzentration in der Nähe der Tumoren und schlägt Alarm, sobald sich Metastasen bilden.Quelle: Becker/TU München

Selbstkalibrierend und biokompatibel

Die Miniatur-Medizintechnik ist eines der Spezialgebiete des Institutes der TUM, so wurden beispielsweise bereits Drucksensoren für eine Knirschschiene in der Zahntechnik entwickelt. IntelliTUM baut auf einem Pilotprojekt auf, mit dem die Wissenschaftler bei einem Schaf die Knochenheilung überwacht haben – ebenfalls über die Konzentration des im Blut gelösten Sauerstoffs an der Wundstelle. Die Idee dazu kommt aus der Grundlagenforschung im Bereich der Zell-Chip Systeme, die seit vielen Jahren am Lehrstuhl betrieben wird. Diese Chipsysteme verwenden lebende Zellen als Signalwandler, so können beispielsweise Chemosensitivitätstests an Tumorzellkulturen durchgeführt werden. Im IntelliTUM Projekt wurden diese Chipsysteme nun für den in-vivo Einsatz weiterentwickelt. „Wir haben den Sensorchip so konstruiert, dass er sich in Messpausen selbst an einer definierten Gelöstsauerstoffkonzentration kalibriert“, erklärt Becker. Eine biokompatible Hülle umschließt Auswertungselektronik, Platinelektroden, Funkeinheit und Batterie.

Das Ziel des vom BMBF geförderten Projekts wurde mit dem Prototyp erreicht, derzeit beantragen die Wissenschaftler ein Folgeprojekt zur klinischen Validierung. „Im Labor hat es gut funktioniert, jetzt müssen wir die Technik in den Körper bringen“, so Becker. Da bedeutet zunächst, Schafe oder Schweine mit dem Sensor auszustatten, der für den Einsatz beim Menschen auch noch verkleinert werden muss. „Wir streben einen minimalinvasiven Eingriff an“, sagt Becker. „Der Chip soll einmal so klein werden, dass man ihn mit einer Biopsienadel einsetzen kann.“

In Arbeit ist außerdem eine Miniatur-Medikamentenpumpe, die bei Bedarf Chemotherapeutika direkt am Tumor abgeben kann. Auch an der Energieversorgung tüfteln die Münchener noch: Momentan hält die Batterie des Sensorchips etwa neun Monate, Becker und sein Team wollen die Laufzeit auf mehrere Jahre ausdehnen. Wenn alles läuft wie geplant, könnte IntelliTuM in etwa zehn Jahren regulär bei Menschen eingesetzt werden.

© biotechnologie.de/cm

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