iGEM 2011: Deutsche Teams nicht auf dem Treppchen

In diesem Jahr waren es 66 Studentenmannschaften, die sich in Boston trafen. 2010 waren es doppelt so viele. <ic:message key='Bild vergrößern' />
In diesem Jahr waren es 66 Studentenmannschaften, die sich in Boston trafen. 2010 waren es doppelt so viele. Quelle: iGEM

09.11.2011  - 

Ob sie nun aus Bielefeld, München oder Potsdam zum großen iGEM-Finale vom 5. bis 7. November ins US-amerikanische Cambridge nach angereist waren: Keine der drei deutschen Studentenmannschaften konnte mit ihrem Projekt die Jury restlos überzeugen. Auf dem Siegertreppchen standen die Teams der Universität im US-Bundesstaat Washington, des Imperial College in London und der Zhejiang Universität im chinesischen Hangzhou. Sie planen, mit Methoden der Synthetischen Biologie unter anderem Biodiesel aus bisher schlecht verwertbaren Vorstufen  zu produzieren, Bodenerosion zu verhindern oder Biofilme als Biofabriken zu nutzen. Die deutschen Studenten erlebten einen spannenden und intensiven Wettbewerb auf hohem Niveau.


 

"Wir haben uns jetzt erstmal zwei Autos gemietet und gucken uns New York, Philadelphia und Washington an", sagt Jonas Aretz vom iGEM-Team Bielefeld am Tag danach fröhlich, als die Anspannung des Wettbewerbs langsam weicht. "Die Bewertung geht in Ordnung, wir hatten gar nicht unbedingt damit gerechnet, unter die besten vier zu kommen". Dabei brauchen sich die drei deutschen Teams, die es bei den Vorausscheidungen Anfang Oktober in Amsterdam in die Endrunde geschafft hatten (mehr...), mit ihren Themen nicht zu verstecken. Die Mannschaft der Universität Bielefeld trat mit einem Biosensor für das Umweltgift Bisphenol A an. Dafür gab es einen Extrapreis, die Aufnahme in die sogenannten "Sweet Sixteen", eine Selektion von Teams, die der Jury besonders bemerkenswert erschienen. Die TU München präsentierte einen lichtkontrollierten 3D-Protein-Drucker. Und Potsdam versuchte zyklische Peptide so zu modifizieren, dass sie gegen Eiweiße wirksam sind, die Krankheiten auslösen.

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Mehr Informationen zu allen Gewinnern und Teilnehmern im großen Nachwuchswettbewerb der Synthetischen Biologie gibt es auf der iGEM-Website: hier klicken

Gluten im Darm gezielt abbauen

Der strahlende Gewinner des „Grand Prize“ jedoch war das Team der University of Washington. Die Studenten von der Westküste präsentierten gleich zwei Projekte, die sie mit dem flotten Motto „Make it or break it“ garnierten. „Make“ bezog sich auf die Idee, in das Erbgut des Bakteriums Escherichia coli zwei Gene einzuführen, die Zwischenprodukte bei der Fettsäuresynthese in Alkane umwandeln können, den Grundstoff für Bioethanol. „Break“ meint das Vorhaben, ein  Protease-Enzym so zu modifizieren, dass es sich bevorzugt auf Gluten stürzt und dieses hocheffizient abbaut. Bestandteile des Glutens können bei Menschen mit entsprechender genetischer Veranlagung zu Zöliakie führen, einer entzündlichen Erkrankung der Darmschleimhaut. Als Pille geschluckt könnte die „getunte“ Protease die Folgen mindern, so die Hoffnung der Studenten.

„Unser persönlicher Favorit für den Grand Prize war aber das Imperial College London“, sagt Susan Käger vom Team der TU- München. „Die haben bereits das europäische Finale in Amsterdam gewonnen.“ Die Jury sah das ähnlich und sprach den Briten immerhin den zweiten Platz zu, oder um im iGEM-Jargon zu bleiben, den „1st Runner Up“-Preis. Die Idee ist ausgefeilt: Pflanzensamen wollen die Studenten mit einem Belag aus E.coli-Bakterien versehen, denen genetisch die Fähigkeit verliehen wurde, ein wichtiges Pflanzenhormon herzustellen, das Auxin. Wenn der Samen in der Erde aufbricht und die junge Pflanze daraus entsteht, nimmt sie die Bakterien über die Wurzeln ins Innere auf und sichert so deren Überleben. Im Gegenzug produzieren die Bakterien ein Hormon, welches die Pflanze veranlasst, ein dichteres Wurzelnetzwerk zu bilden. Derart ausgestattete Pflanzen könnten die Erde besser festhalten und so ein Bollwerk gegen Bodenerosion bilden.

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Vorrunde treibt Kosten in die Höhe

Der dritte Preis ging nach China, an die Zhejiang Universität in Hanghzou. Die Studenten der Synthetischen Biologie machten sich Gedanken, wie sich Biofilme benutzen lassen, um die Produktion von biologischen Substanzen in Bakterien oder die Verwendung der Bakterien als Biomarker zu vereinfachen. Insgesamt traten am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge 66 Studentenmannschaften gegeneinander an. „Das war übersichtlicher als im vergangenen Jahr, als fast 130 Mannschaften am MIT versammelt waren“, sagt Kristian Müller, der als Betreuer die Studenten der Universität Potsdam begleitete. Müller ist ein Veteran des Wettbewerbs, für das Team Freiburg war er von 2007 bis 2010 immer dabei. Mit der steigenden Popularität wuchsen auch die Platzprobleme in Boston, weshalb sich die Veranstalter in diesem Jahr für regionale Vorentscheidungen in Europa/Afrika, den Amerikas und Asien entschieden. Das sei gut für die Organisation gewesen, sagt Müller, andererseits treibe das zweistufige Verfahren die schon erheblichen Kosten für die Teams weiter in die Höhe. „Alleine an Reisekosten kamen durch Amsterdam noch einmal 5.000 Euro dazu“, so Müller.

Humboldtsches Ideal: Einheit von Forschung und Lehre

Inklusive Forschungsaufwand und der Reise nach Boston, wenn das Finale erreicht wird, kommen so leicht mehrere zehntausend Euro zusammen. „Ich weiß nicht, ob das dauerhaft zu stemmen ist“, so Müller. Diesmal konnten die Ausgaben durch Eigenmittel der Gruppen Müller und Arndt in Verbindung mit Beiträgen der Fakultät, der Kollegen, der Friede Springer Stiftung, dem Forschungsministerium Brandenburg und weiteren Sponsoren gedeckt werden. „Wir hatten aber schon überlegt, welche Studierenden wie viel aus ihrer eigenen Tasche zahlen können, wenn alle Stricke reißen“, sagt Müller. Ein tragfähiges Finanzierungsmodell sei auf Dauer angeraten, denn der Wettbewerb lohne den Aufwand. „Es ist nach wie vor eine hervorragende Methode, Studenten an die Forschung heranzuführen. Hier wird das Humboldtsche Ideal verwirklicht, die Einheit von Forschung und Lehre.“

Die meisten Ideen sind so gut, dass die Studenten sie auch nach dem Wettbewerb weiterverfolgen wollen. Der Bisphenol A-Test aus Bielefeld zum Beispiel wird „mindestens in eine Masterarbeit münden", sagt Jonas Aretz. „Die Ergebnisse sind so interessant, dass man hier auf jeden Fall weiterforschen sollte.“ Die Studenten der TU München könnten ihren über Laser gesteuerten 3D-Protein-Drucker vielleicht eines Tages sogar in Aktion sehen. „Eine Vertreterin der NASA war von unserer Idee begeistert“, sagt Susan Kläger. „Sie überlegt, die Idee in ihrem Labor weiterzuentwickeln.“ Da braucht es dann gar keinen Grand Prize mehr.

© biotechnologie.de/cm

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