Axel Ullrich: Krebspionier mit Gründer-Gen

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Axel Ullrich ist Direktor der Abteilung für Molekularbiologie am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried. Quelle: MPI Martinsried

26.07.2011  - 

Als Axel Ullrich nach seiner Promotion 1975 in die USA ging, konnten sich unter Biotechnologie nur einige hochspezialisierte Wissenschaflter überhaupt etwas vorstellen. Heute ist Ullrich Direktor am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried und die Biotechnologie eine wachsende Branche weltweit. In den vergangenen Jahrzehnten hat die Arbeit des Biochemikers nicht nur zu mehreren medizinischen Durchbrüchen in der Behandlung von Krebs geführt. Beinahe als Nebenprodukt sind auch noch vier Biotechnologie-Firmen unter seiner Ägide entstanden.

Schon seit Jahrzehnten ist Ullrich im Bereich der Krebsforschung tätig, auch viele seiner aktuellen Forschungsarbeiten konzentrieren sich auf dieses Themengebiet. Tumore entstehen immer dann, wenn das Zellwachstum außer Kontrolle gerät. Viele Details sind  bis heute nicht richtig verstanden, die Grundzüge sind jedoch  - auch dank Ullrichs Arbeiten - inzwischen lange bekannt: So verändert sich im Laufe der Zeit das Erbgut in den Zellen durch Mutationen. "Je nachdem, welcher Abschnitt der DNA betroffen ist, kann das ganz harmlos sein oder eben doch die Aktivität eines Gens beeinflussen", so Ullrich. In einigen Fällen könnte so zum Beispiel ein Gen für das Zellwachstum zu stark aktiviert werden. Die Zelle würde sich dann viel häufiger teilen als gewöhnlich. In anderen Fällen könnte ein Gen, das den natürlichen Zelltod reguliert, von der Mutation betroffen sein und dadurch seine Funktion verlieren. Die Zellen würden dann nicht mehr wie gewöhnlich nach einer bestimmten Zeit sterben, sondern unbegrenzt weiter existieren. Zwei unterschiedliche Mechanismen, die Folge ist aber dieselbe: ein Tumor entsteht.

Neuartige Ansätze für die Krebstherapie

Viele moderne Krebsmedikamente zielen darauf ab, die Wirkung bestimmter krebsauslösender Gene zu blockieren, indem sie das dazugehörige Protein hemmen. Doch ihre Erfolge sind vergleichsweise bescheiden. „Die zielgerichteten Ansätze werden allenfalls Teil-Erfolge gegen den Krebs bringen“, ist sich auch Ullrich sicher. „Bis jetzt verlängern sie das Leben der Patienten häufig nur um wenige Monate. Das ist schon enttäuschend.“ Der Krebsexperte hat auch gleich eine Erklärung parat, warum das so ist. Die genetische Ausstattung der Krebszellen ändere sich ständig - den einen, alle anderen dominierenden Krebsfaktor gebe es schlichtweg nicht. Stattdessen handelt es sich aus seiner Sicht eher um ein Mosaik unterschiedlicher Faktoren: „Wird nur ein einzelnes Onkogen attackiert, dann wird im Tumor einfach ein anderes aktiv und macht den bisherigen Erfolg zunichte.“

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Statt wie bisher den Tumor direkt anzugreifen, konzentriert sich Ullrich deshalb nun auf alternative Ziele. Eines davon ist ein Rezeptor mit dem Namen FGFR4 (fibroblast growth factor receptor 4), an den Wachstumsfaktoren binden können. Normalerweise sorgen Fibroblasten-Wachstumsfaktoren für die Neubildung von Blutgefäßen und sind an der Wundheilung beteiligt. Im Zusammenspiel mit einer bestehenden Tumorerkrankung kann eine abnormale Form von FGFR4 aber eine fatale Wirkung entfalten. Die Mutation kommt vor allem bei Europäern, Asiaten und aus Europa stammenden Amerikanern vor und beeinflusst das Leben normalerweise nicht. „Falls ein Individuum mit der abnormalen Variante des Rezeptors aber an Krebs erkrankt, wird das Tumorwachstum etwa fünfmal schneller voranschreiten, als bei Menschen mit dem unveränderten Gen“, erläutert Ullrich. Warum das so ist, weiß noch niemand. Trotzdem laufen bereits erste Versuche, das Krebswachstum in diesem Fall mit einem gegen FGFR4 gerichteten Antikörper zu bremsen.

An diesen Arbeiten ist auch U3 Pharma beteiligt, eine der vier von Ullrich gegründeten Firmen, die mittlerweile zum japanischen Pharmakonzern Daiichi Sankkyo gehört. „Die Firmen sind für mich Mittel zum Zweck gewesen. Ich will meine Ideen und Projekte in die medizinische Anwendungen umsetzen“, sagt der passionierte Grundlagenforscher. Folgerichtig kümmert er sich in den Firmen dann vor allem auch um die wissenschaftliche Seite, liefert neue Konzepte und innovative Entwicklungsansätze. „Im eigentlichen Management sehe ich nicht meine Hauptaufgabe, das überlasse ich gerne anderen“, sagt Ullrich.

 

Seine Erfahrung als Seriengründer gibt Axel Ullrich auch an junge Unternehmer weiter, wie hier beim Charité Entrepreneurship Summit 2011.Lightbox-Link
Seine Erfahrung als Seriengründer gibt Axel Ullrich auch an junge Unternehmer weiter, wie hier beim Charité Entrepreneurship Summit 2011.Quelle: BIOCOM AG

Leidenschaftlicher Grundlagenforscher

Im Grunde seines Herzens sei er Grundlagenforscher, das betont der Krebsexperte immer wieder. Nach seiner Promotion im Jahr 1975 in Heidelberg ging er in die USA, "um herauszufinden, ob all die Visionen der frühen Ära der Gentechnik wirklich wahr werden könnten". Nach einem Zwischenstopp an der Universität von Kalifornien in San Francisco arbeitete er schließlich ab 1979 bei dem damals noch gänzlich unbekannten Start-up Genentech. Dreißig Jahre später wurde das inzwischen zweitgrößte Biotechnologie-Unternehmen der Welt für mehrere Milliarden US-Dollar vom Schweizer Pharmakonzern Roche gekauft. In den Siebzigern konzentrierte sich Genentech auf die Produktion von menschlichen Proteinen in gentechnisch modifizierten Mikroorganismen. Die Aufgabe von Ullrichs Team: Den molekularen Aufbau und die Struktur verschiedener Rezeptoren beschreiben. Ein Ergebnis dieser Arbeit ist das Antikörper-Medikament Herceptin (Trastuzumab), das den für die Krebsentwicklung wichtigen Rezeptor HER2/neu blockiert. Das Medikament wurde 1998 zur Behandlung von Brustkrebs zugelassen. Zu diesem Zeitpunkt war Axel Ullrich schon längst nicht mehr bei Genentech beschäftigt. Zehn Jahre zuvor, 1988, wurde er Direktor der Abteilung für Molekularbiologie am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried. „Wenn Unternehmen größer werden, entwickeln sie Konzernstrukturen. Das macht die Arbeit dann sehr kompliziert“, erinnert sich Ullrich rückblickend.

Hintergrund

Am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried leitet Axel Ullrich die Abteilung für Molekularbiologie.

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Für Ullrich und die Max-Planck-Gesellschaft sollte sich sein Einstieg in Martinsried als Glücksfall erweisen. Die Forschungsarbeiten vor den Toren Münchens lieferten viele gute Ideen und wichtige Entdeckungen für die Krebsforschung. Um seine Konzepte in die Anwendung zu überführen, gründete Ullrich schließlich selbst ein Biotechnologie-Start-Up nach dem anderen. Als erstes entstand 1991 noch in den USA die Firma Sugen. Das im kalifornischen San Francisco ansässige Unternehmen konzentriert sich auf die Krebsforschung. Die Idee: Eine bestimmte Molekülklasse, sogenannte Kinaseinhibitoren, könnten in Tumoren wichtige Signalwege blockieren und so ein Wachstum der Krebsgeschwulst hemmen. Dass dieser Mechanismus tatsächlich funktioniert, zeigte sich Jahre später. Nach mehreren Übernahmen gehörte Sugen ab 2003 schließlich zum US-Pharmakonzern Pfizer. Seit 2006 produziert das Unternehmen mit Sutent (Sunitinib) ein unter anderem zur Behandlung von Nierenkrebs zugelassenes Medikament, das sich den von Ullrich und seinen Mitstreitern ersonnenen Mechanismus zu Nutze macht.

Nachdem mit Sugen der Startschuss gefallen war, ging es für den Forscher fast im Fünfjahrestakt weiter mit dem Firmen gründen. 1998 folgte Axxima Pharmaceuticals, im Jahr 2001 die schon erwähnte U3 Pharma und 2005 schließlich die Kinaxo Biotechnologies GmbH. Alle Firmen gehören inzwischen zu größeren Unternehmen. „Die Marktzulassung von Sutent hätte eine kleine Firma wie Sugen niemals alleine erreichen können“, so Ullrich.  Und doch, ganz zufrieden ist der 67-jährige noch nicht. Gerade wenn er für seine Arbeit geehrt werde, sei er innerlich zwiegespalten: „Ich bin mir bewusst, dass der Kampf gegen Krebs noch nicht gewonnen ist – und wohl auch noch viele Jahre nicht gewonnen sein wird.“

Autor: Bernd Kaltwaßer

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