Wochenrückblick KW 44

08.11.2010

Zentren der Gesundheitsforschung: 27 Standorte erreichen Endrunde

Die vier neuen nationalen Zentren der Gesundheitsforschung nehmen Gestalt an. Wie das Bundesministerium für Bildung und Forschung am 8. November meldete, haben sich insgesamt 27 Standorte für die Endrunde qualifiziert.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg wird zusammen mit bis zu acht Partnerstandorten das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschung bilden.Lightbox-Link
Das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg wird zusammen mit bis zu acht Partnerstandorten das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschung bilden.Quelle: DKFZ

"Damit ist ein wichtiges Etappenziel erreicht", betonte Bundesforschungsministerin Annette Schavan. In einem letzten Schritt werden nun jeweils fünf bis acht Standorte gemeinsam ein Gesamtkonzept für das entsprechende Zentrum erarbeiten. Die Einrichtungen, die jeweils um ein Helmholtz-Zentrum als Kristallisationskeim angelegt sind, sollen die Vernetzung von Grundlagenforschung und klinischer Forschung zu bestimmten Großthemen  der Medizin vorantreiben. Auch die Patienten sollen schneller profitieren, "Die Deutschen Zentren sollen entscheidend dazu beitragen, die Translation, also den Transfer von Forschungsergebnissen aus dem Labor in die breite medizinische Versorgung, deutlich zu beschleunigen", sagte Schavan.

Die 27 Partnerstandorte

Die Partnerstandorte der Endrunde im Einzelnen: hier klicken

Dazu hatte das BMBF bereits 2009 das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD) gegründet. Vier weitere kommen nun hinzu: Das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislaufforschung, das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschung, das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung und das Deutsche Zentrum für Lungenforschung. Jedes Zentrum hat dabei mehrere Standorte, die typischerweise jeweils aus einer Universität, einem Universitätsklinikum und einer außeruniversitären Forschungseinrichtung bestehen. Bis zum 31. August gingen 77 Anträge beim BMBF ein, die nun auf 27 Kandidaten reduziert wurden. Ein Gutachtergremium wird die eingereichten Gesamtkonzepte beurteilen und die endgültige Zusammensetzung der Zentren im Frühjahr 2011 festlegen. Kurz darauf - so der Plan - werden die Verbünde ihre Arbeit aufnehmen. 

Stammzellen können Pluripotenz ein- und ausschalten

Forscher aus Münster haben ein Gen gefunden, dass eine bestimmte Sorte von Stammzellen zu Alleskönnern macht.

Epiblast-Stammzellen (EpiSC) stammen im Gegensatz zu embryonalen Stammzellen aus Embryonen, die sich bereits in die Gebärmutter eingenistet haben. EpiSC können sich wie embryonale Stammzellen in jeden der über 200 Zelltypen des Körpers entwickeln. Bisher allerdings fielen sie bei einem entscheidenden Stammzell-Test durch. Denn nur die wenigsten EpiSC können Chimären bilden. Dabei injiziert man die Zellen in einen Embryo im frühen Stadium und setzt dieses Zellgemisch in die Gebärmutter einer Maus ein. Gelingt die Prozedur, kommt am Ende eine gesunde junge Maus auf die Welt, deren Körper sich allerdings aus zwei genetisch unterschiedlichen Zellgruppen zusammensetzt: eine Chimäre.

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News: Stammzellen ohne Gentransfer hergestellt

News: 80 Millionen Euro für neues Stammzell-Forschungszentrum in Münster

Wissenschaftler um Dong Wook Han und Hans Schöler vom Max-Planck-Institut in Münster konnten jetzt zeigen, dass diese Fähigkeit in den EpiSCs nur schlummert. Wie das Team im Fachblatt Cell (Bd. 143, Ausg. 4, 12. November 2010) berichtet, lässt sie sich gezielt aktivieren. Offenbar ist dabei das Markergen namens Oct4-GFP verantwortlich, ob die EpiSC noch Chimären bilden können. Nur wenn Oct4-GFP aktiv ist – natürlicherweise nur in jedem 200. Fall – sind die Zellen noch vielseitig genug, um Chimären zu bilden. Zudem sind die EpiSC-Zellen in der Lage, so die Wissenschaftler, bei geeigneten Bedingungen von einem Zustand in den anderen zu wechseln. Diese Erkenntnis ist auch wichtig für humane Stammzellen.  Denn sollten diese Zelllinien ebenfalls aus unterschiedlichen Subtypen zusammengestellt sein, dann hat das Einfluss auf mögliche Therapieansätze: „Nur wenn wir wissen, ob Stammzelllinien in Wirklichkeit inhomogen sind, lassen sie sich mit bestimmten Wachstumsfaktoren gezielt steuern, um so Nerven- Muskel- oder Bindegewebszellen zu erhalten“, sagt Schöler.

VBIO will Regeln für gentechnische Labore lockern

Im Vorfeld des Bundesverfassungsgerichtsurteils zum Gentechnikgesetz hat sich der Verband VBIO zu Wort gemeldet.

In einem Positionspapier fordern die Vertreter des Verbands Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin weniger strenge Regularien bei Einrichtung und Betrieb von gentechnischen Laboren der Sicherheitsstufe 1.

Der Verband VBIO fordert die Politik auf, Zulassung und Betrieb von gentechnischen Laboren in Zukunft einfacher zu gestalten.Lightbox-Link
Der Verband VBIO fordert die Politik auf, Zulassung und Betrieb von gentechnischen Laboren in Zukunft einfacher zu gestalten.Quelle: Boerhinger Ingelheim

„Die Summe der vielen Einzelregelungen, besonders der erhöhte Koordinations-, Berichts- und Archivierungsaufwand führen zu einer unnötigen Belastung der Beteiligten“, sagt Diethard Tautz, Präsident des VBIO. „Dem steht kein nachweisbarer Sicherheitsgewinn gegenüber, da es keine erkennbaren Gefahren gibt“, so Tautz weiter. Die unterste Sicherheitsstufe 1 umfasst laut Gentechnikgesetz Arbeiten, bei denen "nicht von einem Risiko für die menschliche Gesundheit und Umwelt auszugehen ist“.

Positionspapier

Plädoyer für eine Entbürokratisierung des Gentechnikgesetzes in Bezug auf gentechnische Labore

pdf-Download: hier klicken

Der VBIO fordert die Politik auf, das Gentechnikgesetz an die weiter gefassten Bestimmungen der EU-Richtlinie 2009/41/EG anzupassen. Gentechnische Arbeiten mit Organismen der Sicherheitsstufe 1 könnten demnach automatisch zugelassen werden, sofern die übrigen geltenden Bestimmungen für den Betrieb eines biologischen Labors eingehalten werden. In der Konsequenz könnten die GenTG-spezifischen baulichen, technischen und organisatorischen Anforderungen an S1-Labore entfallen, fordert VBIO. Desgleichen könnten die GenTG-spezifischen Aufzeichnungs- und Archivierungspflichten in S1 reduziert und eine behördliche Beaufsichtigung der GenTG-spezifischen Arbeiten erst ab Sicherheitsstufe S2 festgelegt werden.

Eine Neubearbeitung des Gesetz zur Regelung der Gentechnik könnte nötig werden, falls das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am 24. November der Klage des Bundeslandes Sachsen-Anhalt stattgibt. Kern der Klage sind vor allem die Haftungsbestimmungen für den Fall, dass durch den Einsatz gentechnisch veränderter Organismen in der Landwirtschaft die Ernte benachbarter Bauern „wesentlich beeinträchtigt“ wird. Diese „garantieartige Sonderhaftung“ ist aus Sicht Sachsen-Anhalts  unverhältnismäßig, da die angebauten Gentechnik-Produkte bereits ein europäisches Zulassungsverfahren durchlaufen hätten.

Wilex AG und Heidelberg Pharma tun sich zusammen

Die Münchener Wilex AG will die Heidelberg Pharma AG übernehmen.

Wilex will dazu frische Aktien im Volumen von 19,2 Millionen Euro ausgeben, wie das Unternehmen am 3. November mitteilte. Die Aktionäre der nicht-börsennotierten Heidelberg Pharma erhalten für je 5,75 Anteilsscheine eine der 3,2 Millionen neu ausgegebenen Wilex-Aktien. Das entspricht einem Preis von 6,00 Euro je Wilex-Wertpapier und damit einem Aufschlag von 25 Prozent auf den Schlusskurs vom 1. November.

Wilex will in Zukunft die eigenen Wirkstoffkandidaten mit Hilfe der ADC-Technologide von Heidelberg Pharma verbessern.Lightbox-Link
Wilex will in Zukunft die eigenen Wirkstoffkandidaten mit Hilfe der ADC-Technologide von Heidelberg Pharma verbessern.Quelle: Wilex AG

Größter Aktionär beider Unternehmen ist der Milliardär Dietmar Hopp, der mit der Übernahme die konsolidierung seines Biotech-Portfolios anstrebt. Stimmt auch die Mehrheit der restlichen Aktionäre des bayerischen Biotech-Spezialisten auf einer außerordentlichen Hauptversammlung am 15. Dezember für die Übernahme, würde Heidelberg Pharma eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von Wilex werden.

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Wochenrückblick: Wilex AG erhält Zusage über 20 Millionen Euro

Wochenrückblick: Wilex und UCB beschließen Partnerschaft

Mit der Übernahme erhält Wilex Zugriff auf die ADC-Technologie, mit der die Münchener die eigenen Wirkstoffkandidaten aufwerten könnten. ADC hat das Potenzial, die Wirksamkeit vieler auf Antikörper basierender Wirkstoffe zu verbessern sowie bereits zugelassene Therapeutika weiterzuentwickeln. „Dieser Unternehmenskauf ergänzt unser Geschäftsmodell und hat für beide Gesellschaften eine strategische Bedeutung,“ sagt Wilex-CEO Olaf Wilhelm.

Mit Redectane und Rencarex testet Wilex derzeit Antikörper für die Diagnose beziehungsweise Therapie von Nierenzellkrebs in klinischen Studien der Phase III. Außerdem sind noch zwei niedermolekulare Substanzen (Mesupron, WX-554) in der klinischen Entwicklung, die als Inhibitoren wichtige Tumor-Stoffwechselwege hemmen. Heidelberg Pharma hatte sich in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Aufbau eines Service-Geschäftes für Wirkstoffentwickler beschäftigt. Ob der Zusammenschluss personelle Konsequenzen im Management mit sich bringt und wie viele der 34 Mitarbeiter von Heidelberg Pharma am Standort Ladenburg im Unternehmen beschäftigt bleiben, wurde bislang nicht bekannt.

Blockade von Signalprotein verhindert Rheumaschub

Forscher vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig und Rheumatologen der französischen Universität Montpellier haben die Rolle des zentralen Entzündungsfaktors TAK1 bei rheumatoider Arthritis untersucht.

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News: Rheuma-Übeltäter dingfest gemacht

News: Rheumaforschung - Den Gedächtniszellen auf der Spur

Menschen: Annett Jacobi - Rheumaforschung und Patientenversorgung vereinen

TAK1 ist ein Signalmolekül, dass in Zellen des Immunsystems die Entzündungsreaktion fördert. Bei rheumatoider Arthritis wird diese Funktion zum Problem: Die Entzündung wird soweit verstärkt, dass sie dauerhaft wird und sich nicht mehr unterdrücken lässt. In der Folge greift das Immunsystem den eigenen Körper an und schädigt so Knochen und Gelenkknorpel.

Wie die Forscher um Gerhard Gross im Fachjournal Blood  (Ausg. 116, S. 3505-3516) berichten, ist es ihnen gelungen, in rheumakranken Mäusen die RNA von TAK1 zu blockieren, so dass kein Protein mehr hergestellt werden konnte. Der Effekt war drastisch: „Die Entzündungsreaktion ging stark zurück und die betroffenen Gelenke erholten sich fast vollständig“, sagt Rheuma-Experte Gross. Dies erklärt sich aus der Funktion von TAK1, so die Forscher: Es wirkt auf zwei wichtige Untergruppen von Immunzellen, die entzündungsfördernde Stoffe produzieren und so die Reaktion verstärken. Ohne TAK1 bleiben diese Entzündungszellen inaktiv, eine bestehende Reizung beruhigt sich, ohne dass es zu dauerhaften Gelenkschäden kommt. „Über Signalvermittler wie TAK1 besteht die Möglichkeit, eine gute Therapie gegen diese Entzündungserkrankungen zu entwickeln“, hofft Gross. Bis es soweit ist, werden aber wohl noch Jahre vergehen, denn noch hat die Blockade von TAK1 einen entscheidenden Nachteil: Es werden nicht nur die Entzündungsreaktionen unterdrückt, auch nützliche Signalwege im Immunsystem werden unterbunden.

Ionenverteilung auf Bakterienoberflächen beeinflusst Anibiotika-Wirksamkeit

Wissenschaftler am Institut für physikalische Chemie der Universität Heidelberg konnten die Menge und Verteilung von Ionen auf einer Bakterienhülle bestimmen.

Die Ergebnisse präsentieren die Forscher im Fachmagazin PNAS (Bd. 107, Ausg. 20, S. 9147-9151). Diese Messungen sind ein erster Schritt, um künftig systematisch den Einfluss der Ionen auf Wechselwirkungen von Bakterien mit verschiedenen Biomolekülen zu untersuchen.

Motomu Tanaka

Motomu Tanaka leitet den Lehrstuhl für Physikalische Chemie von Biosystemen an der Universität Heidelberg.

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Das könnte vor allem für die Medizin interessant sein, so die Forscher, denn es ist zum Beispiel schon lange bekannt, dass die Wirksamkeit bestimmter Antibiotika durch die Anwesenheit von Kalziumionen auf der Bakterienoberfläche herabgesetzt wird. Für die Neuentwicklung von Antibiotika sind Informationen über die Beschaffenheit der Bakterienmembran besonders wertvoll.

Für die Untersuchungen nutzte das Team um Motomu Tanaka die Europäische Synchrotonstrahlenquelle ESFR in Grenoble. Mit Hilfe eines Röntgenstrahls untersuchten die Forscher eine Schicht bakterieller Membranmoleküle, so genannte Lipopolysaccharide, auf einer Wasseroberfläche. Die Ionen wurden durch den Strahl zum Fluoreszieren angeregt. Dabei stellten die Forscher fest: Je größer der Einfallswinkel des Strahls, desto mehr Ionen wurden auch in tieferen Schichten zum Fluoreszieren angeregt. Auf diese Weise konnten die Forscher um Tanaka genaue Rückschlüsse auf die Verteilung der Ionen ziehen. Mit einer Ionenkarte der Bakterienhülle, , so die Hoffnung, könnten vielleicht effektivere Medikamente entwickelt werden, die hemmende Ionenbarrieren umgehen.