Simon Moroney: Mit Morphosys nach Antikörpern fischen

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Simon Moroney studierte Chemie in seinem Geburtsland Neuseeland. Im bayerischen Martinsried gründete er 1992 Morphosys. Quelle: Morphosys AG

04.06.2010  - 

Fischen gehen, heißt es bei MorphoSys mitunter recht locker, wenn ein passender Antikörper zu einem Zielmolekül gefunden werden soll. Seine Aufträge erhält das Biotechnologie-Unternehmen aus Martinsried sowohl von Forschungseinrichtungen und Universitäten als auch aus der Pharmaindustrie. Aber was hier so leicht klingt, ist alles andere als einfach.


 

Nur hoch spezialisierte Unternehmen können mithilfe einer über Jahre gereiften und kontinuierlich erweiterten Technologie diese Aufgabe meistern. Bei der MorphoSys AG heißt diese schlicht HuCAL (Humane kombinatorische Antikörperbibliothek), und es ist kaum zu glauben, dass Novartis als eines der größten Pharmaunternehmen aktuell bereit ist, eine zehnjährige Kooperation einzugehen, bei der jährlich 40 Millionen Euro fließen werden (mehr...). So viel ist es aktuell wert, auf das gesammelte Know-How der MorphoSys zugreifen zu können.

1992 gründete der gebürtige Neuseeländer Simon E. Moroney das auf die Synthetisierung von Antikörpern spezialisierte Unternehmen zusammen mit seinem Kollegen Andreas Plückthun vom Max-Planck Institut für Biochemie in Martinsried. Moroney studierte Chemie und promovierte 1984 als Stipendiat der Commonwealth-Stiftung im Fach Chemie an der Universität von Oxford. Bevor er im Jahr 1992 die Firma MorphoSys gründete, war er an der Universität in Cambridge (Großbritannien), an der Universität von British Columbia (Kanada) und an der ETH in Zürich (Schweiz) tätig. Weiterhin arbeitete an der Havard Medical School und für Immunogen in Boston (USA) im Bereich der Entwicklung von therapeutischen Antikörpern.

45 Milliarden humane Antikörper-Varianten umfasst die HUCAL-Bibliothek von Morphosys. Aus ihr bedienen sich Labors und Pharmafirmen.Lightbox-Link
45 Milliarden humane Antikörper-Varianten umfasst die HUCAL-Bibliothek von Morphosys. Aus ihr bedienen sich Labors und Pharmafirmen.Quelle: Morphosys AG

Mit 1,1 Millionen D-Mark fing es an

Seit 1994 leitet Moroney die MorphoSys und führte sie als erstes deutsches Biotechnologie-Unternehmen 1999 an die deutsche Börse. Inzwischen ist die AG in den Prime Standard der Technologieindexes TecDAX aufgenommen. Dabei waren die Aussichten für die Biotechnologiebranche in Deutschland zum Zeitpunkt der Gründung nicht gerade rosig, so Moroney. Die politischen Restriktionen in der Bundesrepublik waren hoch, Biopharmazeutika konnten nicht in Deutschland produziert werden. Die Strategie einiger Pharmakonzerne war daher, die Produktion ins Ausland zu verlegen und das fertige Produkt zu importieren. Vor diesem Hintergrund war es für die MorphoSys-Gründer schwer, für ihre Idee bei den großen Konzernen Gehör zu finden.

Mehr Erfolg hatten sie bei zwei Risikokapitalgebern, Korda & Co. aus London und Technostart aus Stuttgart. „Es war unser Glück, dass wir solche erfahrenen Investoren fanden. Es war von Anfang an klar, dass es mindestens fünf Jahre dauern wird, bis wir an die Börse gehen können und sie die Möglichkeit für ihren Exit haben“, sagt Moroney. 1,1 Millionen D-Mark erhielten die Gründer aus dieser ersten Finanzierungsrunde. Eine weitere Million floss ihnen von der staatlichen Technologie Beteiligungsgesellschaft (TGB) zu. Bis zum Börsengang folgten noch drei Finanzierungsrunden, an denen sich weitere führende Risikokapitalgesellschaften beteiligten.

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Antikörper per Katalogbestellung

Moroney und sein Team konnten nun konsequent ihr Ziel des modularen Aufbaus einer umfangreichen Antikörper-Bibliothekensammlung weiterverfolgen. Mit dem Umfang der Bibliothek wuchs auch das Personal. Heute beschäftigt das Unternehmen rund 340 Fachkräfte, und ihre Sammlung umfasst 45 Milliarden unterschiedliche, vollständig humane Antikörper. Das ist mehr als das Zwanzigfache der durchschnittlichen Anzahl von zwei Milliarden Antikörpern im menschlichen Blut. „Diese sehr hohe Anzahl beruht auf einem kombinatorischen Effekt“, erklärt der promovierte Biochemiker: „Durch den gezielten Austausch der Bausteine haben wir die Möglichkeit, die Antikörper zu optimieren.“ Der in Form von Reagenzien gespeicherte Wissensschatz, aus dem Wirkstoffe gegen alle erdenklichen Krankheiten hergestellt werden können, wird an verschiedenen Standorten sicher aufbewahrt und weltweit durch Patente geschützt. Das Geschäftsmodell von MorphoSys unterteilt sich in zwei Segmente: die Entwicklung therapeutischer und forschungsadaptierter Antikörper.

Unter dem Markennamen AbD Serotec bietet das Unternehmen seinen Kunden aus dem akademischen und industriellen Umfeld spezifische monoklonale Antikörper an. Diese sind speziell für den Einsatz in Forschung und Diagnostik optimiert und können innerhalb von nur acht Wochen bereitgestellt werden. Außerdem können die Geschäftspartner jederzeit komfortabel über einen Katalog aus mehr als 10.000 Produkten wählen. Die Forschungsantikörper und immunologischen Reagenzien können direkt online bezogen werden. MorphoSys konnte in den Jahren 2005 und 2006 zwei britischamerikanische Firmen zukaufen und so die Position in diesem Marktsegment entscheidend ausbauen.

Gewinnbeteiligung durch Meilensteinzahlungen und Tantiemen

Bei der Synthetisierung für den therapeutischen Einsatz unterhält das Unternehmen zahlreiche Partnerschaften zu Marktführern der pharmazeutischen Industrie. Derzeit ist es in mehr als 50 Antikörper-Entwicklungsprogrammen involviert und bleibt durch entsprechende Kooperationsverträge mit den jeweiligen Partnern an deren erfolgreichen Entwicklungen beteiligt. Erreicht ein Medikament den Markt, erhält MorphoSys Tantiemen, deren Höhe sich an den Umsätzen orientiert.

Zusätzlich hat das Unternehmen eigene Wirkstoffe zur Behandlung von Krebs und entzündliche Krankheiten entwickelt. Ziel ist, dass an einer Vermarktung interessierte Partner entsprechend Lizenzen erwerben können. Ein erstes Präparat mit dem Namen MOR103 hat bereits die klinische Phase-1-Studie nahezu abgeschlossen. Es soll zur Behandlung von rheumatischer Arthritis eingesetzt werden. Ein zweites, als MOR202 bezeichnetes Mittel hat aktuell die präklinischen Studien erfolgreich durchlaufen. Künftig soll es verschiedene Erscheinungsformen von Brustkrebs, multipler Myeloms und spezielle Leukämiearten bekämpfen. Angriffspunkt ist das Molekül CD 38, ein Glykoprotein, das auf der Oberfläche von bestimmten Krebszellen stark überrepräsentiert ist. Studien haben gezeigt, dass die entwickelten humanen Antikörper in der Lage sind, diese Krebszelllinien abzutöten.

MorphoSys bietet nicht nur therapeutische Antikörper an und entwickelt sie selbst, sondern ist auch zu einem der europaweit führenden Biotechnologieunternehmen im Bereich der Antikörper für die Forschung aufgestiegen. Und auf die Anerkennung durch den Staat musste Simon Moroney dann auch nicht mehr allzu lange warten. Im Jahr 2002 erheilt er für seine Verdienste um die deutsche Biotechnologie-Branche das Bundesverdienstkreuz am Bande.


Dieser Text stammt aus der Broschüre „Biotechnologie in Deutschland. 25 Jahre Unternehmensgründungen“, die im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung erstellt wurde.


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