Bio-Europe Spring in Barcelona: Millionen-Deals in Umkleidekabinen
12.03.2010 -
Zum vierten Mal trafen sich Manager aus Pharma- und Biotechunternehmen zur Bio-Europe Spring. In diesem Jahr fand der Frühlingsableger von Europas größter Partneringmesse in Barcelona statt. Die Bilanz kann sich sehen lassen. 1.800 Teilnehmer, die sich zu rund 8.000 Gesprächen verabredeten, in denen Vertreter der Biotechnologie-Unternehmen ihre Ideen potenziellen Partnern aus der Pharmabranche vorstellten. Bloß das Wetter spielte nicht mit. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten bedeckte im März eine Schneeschicht die Hauptstadt Katalaniens.
Für Außenstehende ist das Treiben auf der Bio-Europe sicherlich nicht leicht zu durchschauen. An wechselnden Standorten trifft sich zweimal im Jahr Europas Medikamentenentwickler-Elite zu einer Kuppelshow, die ihresgleichen sucht. In Zwei-Quadratmeter-Kabinen, die im ästhetischen Vergleich mit einer gewöhnlichen Schwimmbadumkleide den Kürzeren ziehen würden, werden Millionen-Deals verhandelt. Mehr als 800 solcher „Booths“ – jeweils halbwegs blickdicht mit einem Vorhang verschlossen – hatte der Veranstalter EBD Group zur Frühjahrsausgabe der Bio-Europe im Centro Convenciones in Barcelona aufgebaut. Doch was bei der Partnering-Messe zählt, ist nicht die Einrichtung, sondern der Erfolg. Auch dieses Jahr reisten annähernd 1.800 Lizenzexperten aus Pharma- und Biotechunternehmen an die spanische Mittelmeerküste und zahlten jeweils 1.800 Euro Eintrittsgebühr, um vom 8. Bis zum 10. März dabei zu sein. Zur größeren Herbstausgabe der Bio-Europe kommen zwar noch einmal ein Drittel mehr Leute, allerdings sind die Anmeldezahlen im Vergleich zur vergangenen Frühjahrsmesse vor zwölf Monaten in Mailand stabil geblieben. „Partnering bleibt ein wichtiger Erfolgsfaktor“, bilanzierte Veranstalterin Carola Schropp dann auch in ihrer Eröffnungsrede.
Bio-Europe Spring |
Die EBD Group veranstaltet sowohl die BioEurope als auch die BioEurope Spring. Auf der EBD-Website gibt es mehr Informationen zu vergangenen und kommenden Ausgaben der Konferenzreihe. zur Website: hier klicken |
Pharmafirmen forschen mehr, haben aber immer weniger Ideen
Auch in den darauf startenden Vorträgen und Diskussionen wurde deutlich: Die Pharma- und Biotech-Industrie sitzen nicht nur in einer Box, sondern vor allem in einem Boot. Pharmakonzerne wie Pfizer, Sanofi-Aventis oder AstraZeneca sehen dem Ablauf von Patenten ihrer Umsatzbringer mit Schrecken entgegensehen. In den kommenden zwei Jahren laufen Rechte an Mitteln aus, die derzeit noch 50 bis 70 Mrd. US-$ in die Kassen spülen. Die Generika-Unternehmen stehen schon in den Startlöchern, die Originalpräparate mit billigeren Kopien zu ersetzen. Viele Patienten und Kassen entscheiden nach dem Preis. Durchschnittlich verliert ein Originalpräparat im ersten Jahr nach Patentablauf bis zu 70% seines Umsatzes. Die meisten der globalen Pharmaeinheiten haben wegen des zu erwartenden Rückgangs an Einnahmen bereits vorsorglich Stellen abgebaut. Nun ist das Einsparpotential ausgeschöpft.
Um ihren Aktionären weiterhin wachsende oder zumindest stabile Umsätze bieten zu können, sind die Pharmakonzerne daher auf neuartige Medikamente angewiesen. Der Nachschub kommt aber immer seltener aus dem eigenen Labor. In der Vergangenheit sind Pharmakonzerne vornehmlich durch Fusionen und Übernahmen zu riesigen Einheiten angewachsen, die zwar große Mengen an Forschungsgeldern schlucken, aber immer weniger verwertbare Ideen ausspucken. In den vergangenen Jahren haben sich die Forschungsausgaben verdoppelt, während die Neuzulassungen um die Hälfte zurückgegangen sind. In der Fachwelt spricht man vom „Innovation Gap“.
Kleine Biotech-Unternehmen bleiben innovativ
Die kleinen und mittleren Biotech-Unternehmen sind dagegen so erfindungsreich wie eh und je. Ein störendes Bürokratie-Korsett mit länglichen Abstimmungsprozessen ist ihnen fremd. Die Entscheidungswege sind kurz, Ideen können schnell umgesetzt werden – wenn das nötige Geld vorhanden ist. In den vergangenen beiden Jahren war das nicht immer der Fall. In den USA ist rund ein Viertel der börsennotierten Unternehmen von der Bildfläche verschwunden. In Europa oder Deutschland sieht das nicht anders aus. Auf der Finanzierungsseite ist die Lage noch drastischer: Nur noch 10% der europäischen Venture Capital-Firmen sind aktiv, der Rest befindet sich in Abwicklung oder verwaltet sein Restportfolio – Neuengagements Fehlanzeige.
In Deutschland steigen bis auf die MIG-Fonds nur noch einzelne Privatinvestoren in junge Biotech-Unternehmen ein. Letzter verbliebener Investor ist damit die Pharmaindustrie, die sich nun in einer Doppelrolle wiederfindet – als Finanzier und ideenhungriger Entwicklungspartner. Die Abhängigkeiten der beiden Parteien voneinander ist das Erfolgsgeheimnis der Bio-Europe, die sich als führende Partnering-Plattform etabliert hat. In Barcelona wurden vor allem neue Kooperationsmodelle zwischen Pharma- und Biotech-Firmen diskutiert. Auch Coporate Venture-Fonds, also Wagniskapital, das direkt von Pharmakonzernen stammt, war ein Thema auf der Bio-Europe Spring. Insgesamt fanden sich 1.065 Unternehmen auf der Anmeldeliste in Barcelona wieder. Jede Firma schickte im Durchschnitt fast zwei Delegierte, die statistisch gesehen an drei Tagen 18 Mal in den Boxen verschwanden. Es herrschte ein reges Treiben.
Hinter fast jedem Vorhangspalt ein aufgeklappter Laptop
Sogar beim Mittagessen wurde weiterverhandelt. Denn bei den Verhandlungen in den Boxen ist Eile angesagt: Alle 30 Minuten unterbricht ein Gong das traute Schachern, dann heißt es: neuer Partner, neue Box. Beliebt sind die Plastik-Verschläge nicht: „Man kommt sich wie eine Ratte im Labyrinth vor, die auf der Suche nach dem Käse ist“, sagt ein Pharmaveteran in Erinnerung an ein frühes Computerspiel. Trotzdem waren die Mikro-Ställe in Barcelona gut ausgelastet, durch fast jeden Vorhangspalt waren aufgeklappte Laptops mit Powerpoint-Präsentationen zu sehen, die von mehr oder weniger aufgeschlossenen Begutachtern geprüft wurden. Die Pharmamanager sind nicht leicht zufrieden zu stellen: „Wenn unter 15 Treffen ein gutes ist, dann bin ich zufrieden“, sagte der Lizenzexperte eines großen Konzerns.
Nach dem Ende der Meetings wird es traditionell an jedem Abend auf der Bio-Europe doch noch glamourös. Die Abendempfänge sind legendär. Am ersten Tag der diesjährigen Bio-Europe Spring machten den Organisatoren jedoch Wetterkapriolen zu schaffen. Am Montagabend hatte die EBD Group das spektakuläre Museu Nacional d‘Art de Catalunya angemietet und dort ein Buffet für 1.200 Personen bereitgehalten. Seiner Bestimmung übergeben werden konnte es jedoch nicht. Da die ersten Schneefälle seit mehreren Jahrzehnten die katalanische Metropole am Mittelmeer komplett lahmlegten, standen lediglich 50 Esser vor den prall gedeckten Tischen. In der vom Buffet abgeschnittenen, etwa zehn Kilometer entfernten Kongresshalle hielt man sich mit Cava über Wasser. Gegen Abend löste das laut vernehmliche Ploppen von Sektkorken in der Ausstellungshalle den Wechselgong aus den Kabinen als akustisches Leitmotiv ab. Manchmal war es wohl auch Champagner.