Darmkrebs erkennen, bevor er entsteht

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In Zukunft könnte eine einfache Blutprobe genügen, um Darmkrebs so früh zu erkennen, dass er gar nicht erst ausbricht. Quelle: Epigenomics

15.07.2009  - 

Darmkrebs wird oft zu spät entdeckt, so dass eine Heilung kaum mehr möglich ist. Ein neuer Forschungsverbund unter Beteiligung der TU München, der Epigenomics AG und der Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) will das ändern. Sie alle verfolgen ein Ziel: mit neuartigen Biomarkern Darmkrebs zu erkennen, bevor er entsteht. Ein zuverlässiger Test des Bluts auf Krebsanzeichen, so die Hoffnung, könnte vielen Menschen die aufwendige Darmspiegelung ersparen und die Therapie von Betroffenen verbessern.

Darmkrebs, in der Medizin auch kolorektales Karzinom genannt, ist mit rund 73.000 Neuerkrankungen in Deutschland jährlich der häufigste gastrointestinale Tumor und gleichzeitig die Krebserkrankung, die in Europa und den USA die zweitmeisten Todesopfer fordert. Der Großteil der Fälle wird erst in einem fortgeschrittenen Stadium entdeckt, so dass eine Heilung oft nicht mehr möglich ist. Um die Prognose für diese Erkrankung zu verbessern, müsste das Karzinom in möglichst frühen Stadien, idealerweise noch in seiner Vorläuferform (sogenannte Adenome und Polypen), erkannt werden. Hier liegen die Heilungschancen bei über 90 Prozent. Durch die Entfernung von Polypen könnte zudem sogar der Ausbruch der Krankheit verhindert werden, hoffen die Ärzte.

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Bisher wenig Erfolge in der Früherkennung

Bisher hat sich der Darmkrebs kaum eindämmen lassen. Die Einführung der Darmspiegelungen im Abstand von zehn Jahren als Screening-Verfahren im Jahr 2002 sollte die Früherkennung von Polypen und frühen Stadien des kolorektalen Karzinoms deutlich verbessern. Da sich jedoch derzeit jährlich nur 2,8 Prozent der zur Teilnahme Berechtigten dieser Untersuchung unterziehen, bezogen auf zehn Jahre sind dies 28 Prozent, blieb der Erfolg bislang begrenzt.

Epigenetik

Welche Gene im Erbgut einer Zelle tatsächlich aktiv sind und welche nicht, das hängt unter anderem von sogenannten epigenetischen Mechanismen zusammen, zu denen auch die Methylierung gehört: Durch diese chemischen Veränderungen können einzelne Gene gezielt markiert und abgeschaltet werden. Der Grad und das Muster der Methylierung ist bei unterschiedlichen Zelltypen verschieden.

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Deshalb haben sich Forscher um Matthias Ebert von der Technischen Universität München mit dem Berliner Biotech-Unternehmen Epigenomics und der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) zusammengetan, um einen Bluttest zu entwickeln, der schon die Vorstufen von Darmkrebs zuverlässig anzeigt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt das Vorhaben in den kommenden drei Jahre mit rund 560.000 Euro im Rahmen der Förderinitiative "KMU-innovativ", die kleinen und mittleren Unternehmen eine Förderung von risikoreichen Forschungsprojekten ermöglicht.

Die Technik, aus dem Blut eine mögliche Tumorerkrankung herauszulesen, gibt es schon. Schon jetzt bietet die auf Epigenetik spezialisierte Firma Epigenomics mit dem Biomarker mSEPT9 eine Möglichkeit an, in einer einfachen Blutprobe kolorektale Karzinome der Stadien I-IV auf zu erkennen. Doch ist es in vielen Fällen schon zu spät.

Ein blutbasierter Test, der gezielt auch frühe Vorläuferformen des Krebses nachweist, würde die Effektivität der Darmkrebsvorsorge in der Bevölkerung deutlich verbessern, hoffen die Projektpartner. Die endoskopische Untersuchung mit der Möglichkeit, gleichzeitig bestehende Polypen zu entfernen, könnte dann insbesondere positiv getesteten Personen empfohlen werden.

KMU-innovativ
Seit 2007 bündelt das BMBF seine Förderung des innovativen Mittelstandes unter der Dach-Initiative "KMU-innovativ", die sich u.a. anderem an forschende Biotechnologie-Unternehmen richtet.

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Neue epigenetische Marker zur Früherkennung

In dem Förderprojekt will Epigenomics seinen mSEPT9-Marker mit einem oder mehreren neuen Markern kombinieren, um eine Darmkrebserkrankung in allen Formen anzeigen zu können, von den ersten unsichtbaren Veränderungen im Zellbereich bis hin zur Herausbildung eines Tumors. Die Annahme lautet: Tumore entstehen nicht aus heiterem Himmel, sonderen deuten sich auf genetischer Ebene schon früher an. Schon seit Jahren forscht Epigenomics daran, sogenannte epigenetische Veränderungen - beispielsweise in der chemischen Verpackung des Erbguts (DNA-Methylierung) - als nicht-invasive diagnostische Marker für Darmkrebs zu nutzen. Derzeit wird mSEPT9 in einer großangelegten propektiven klinischen Studie (PRESEPT) auf seine Eignung in einer bevölkerungsweiten Darmkrebsvorsorge getestet. Die Entwicklung war allerdings nicht ohne Schwierigkeiten vonstatten gegangen. Im Jahr 2006 musste das Berliner Unternehmen den Rückzug von Roche Diagnostics als Pharmapartner verkraften. 2007 wurde die Lücke allerdings mit dem US-Unternehmen Abbott geschlossen. Den Weg hierfür hatte der neue Epigenomics-Geschäftsführer Geert Nygaard, zuvor Geschäftsführer der deutschen Niederlassung von Abbott, geebnet. Neben dem Darmkrebs-Projekt arbeitet Epigenomics parallel an weiteren epigenetischen Biomarkern zur Früherkennung von Prostatakrebs und Lungenkrebs in Urin- oder Blutproben. 

Kassenärztliche Vereinigung Bayern

Bundesweit gibt es 17 Kassenärztliche Vereinigungen. Mit rund 24 000 Mitgliedern ist die KVB die größte unter diesen. Im Verbundprojekt stellt sie den Kontakt zu Ärzten und Patienten her. So können die Blutuntersuchungen mit den Diagnoseergebnissen vor Ort abgeglichen werden.

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Kassenärztliche Vereinigung sorgt für breite Datenbasis

Die Partner des Verbundprojekts haben fest umrissene Aufgabengebiete. Während die Firma Epigenomics für die Entwicklung der Marker zuständig ist, organisiert die KVB das entsprechende gastroenterologische Netzwerk, um der Studie den Zugang zu einem Patientenkollektiv zu ermöglichen. "Aufgrund der elektronischen Dokumentation aller Koloskopien in Bayern ist es ohne Weiteres möglich, das Ergebnis der Blutuntersuchung mit dem Diagnoseergebnis bei der Koloskopie abzugleichen. Die entsprechenden logistischen Abläufe in den Arztpraxen haben wir bereits in einer Vorstudie getestet, an der drei Münchener Arztpraxen teilnahmen", erläutert Axel Munte, Vorstandsvorsitzender der KVB. Um weitere Studienteilnehmer zu gewinnen, werde die KVB auch aktiv auf weitere gastroenterologische Arztpraxen im Großraum München zugehen.

Matthias Ebert aus der 2. Medizinischen Klinik des Klinikums rechts der Isar der TU München ist der klinische und akademische Partner in diesem Konsortium. Als Leiter der klinischen Studien wird er einerseits die Gewinnung der Proben im Netzwerk koordinieren und andererseits als Leiter des molekularen Labors am Klinikum rechts der Isar die von der Firma Epigenomics entwickelten Marker in einer Reihe von Trainings- und Teststudien verblindet analysieren. "Aus wissenschaftlicher und klinischer Sicht stellt dieses Forschungsvorhaben einen innovativen Ansatz für die Prävention von Darmkrebs dar", sagt Ebert. "Es konzentriert sich erstmals auf das Screening der Vorläuferläsionen des Krebses, setzt also viel früher als bisherige nicht-invasive Screeningverfahren an."

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