Potsdam: Bioanalytiker nehmen Maß

Die Sensor-Aktor-Moleküle (grün und grau) sollen in Textilien eingewoben werden. Bei Kontakt mit einem Krankheitserreger ändern sie ihre Farbe. So könnten sie als direkter Erregertest genutzt werden, ohne dass kostenintensive Geräte zum Einsatz kommen. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Die Sensor-Aktor-Moleküle (grün und grau) sollen in Textilien eingewoben werden. Bei Kontakt mit einem Krankheitserreger ändern sie ihre Farbe. So könnten sie als direkter Erregertest genutzt werden, ohne dass kostenintensive Geräte zum Einsatz kommen. Quelle: sipuran.de

08.11.2013  - 

Mit Sensoren Veränderungen in biologischen Molekülen aufspüren und in messbare Signale umwandeln - damit befasst sich die Bioanalytik. Am Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik (IBMT) haben sich am 7. und 8. November etwa 170 Fachteilnehmer zu den Potsdam Days on Bioanalysis getroffen um sich über neue Entwicklungen in diesem Feld auszutauschen. Bei der sechsten Ausgabe der Tagung ging es im Speziellen um Zellsensoren, Sensormoleküle und molekular geprägte Polymere sowie den Wandel von retrospektiven zu prospektiven Verfahren. Das Zentrum für Molekulare Diagnostik und Bioanalytik (ZMDB) veranstaltet den jährlichen Kongress gemeinsam mit dem IBMT um Kooperationen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft anzustoßen.

„Diese Veranstaltung ist ideal um die geballte Expertise auf dem Feld zusammenzubringen“, sagte Frank Bier in Potsdam, Stellvertretender Institutsleiter am IBMT. Dank langjähriger Zusammenarbeit könnten Kooperationen ohne große Umwege in Angriff genommen werden, so Bier weiter. „Im Laufe der Jahre sind immer mehr hervorragende Leute, auch aus dem Ausland dazu gekommen.“

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Zellen sanft betten...

In den letzten Jahren hat die Bedeutung von sogenannten Whole-cell Arrays immens zugenommen. Diese Form der Mikroarrays macht es möglich, viele Proben einzelner Zellen auf einem Mikrochip parallel zu analysieren. Die erste Herausforderung, der sich Forscher dabei stellen müssen, ist die korrekte Positionierung der Zellen auf dem Chip, ohne diese dabei zu beschädigen. Scherkräfte, Temperaturschwankungen sowie Beschaffenheit von Träger- und Lösungsmedium können die Zellen und damit die Analysen schädigen. Ein großes Tropfenvolumen und eine hohe Tropfgeschwindikeit, können dazu führen, dass Zellen zerstört werden oder Krater in das Medium schlagen. Wilfried Weigel von der Scienion AG stellte in Potsdam eine Technologie des Biotech-Unternehmens vor, die diese Störfaktoren minimiert. „Mithilfe eines elektrischen Impulses kann der Experimentator exakt das Tropfenvolumen bestimmen, das aus der Kapillare kommt“, so Weigel. Hierbei greift der Piezoeffekt: Durch Anlegen einer Spannung an bestimmte Materialien können diese durch Verschiebung der Ladungsschwerpunkte ihre Form ändern. Umgekehrt kennt man diesen Effekt von Quarzuhren oder elektrischen Feuerzeugen. Wo kommt nun die Bioanalytik ins Spiel? Im Rahmen des EU-Projekts Toxichip werden mithilfe der Technologie beispielsweise zellbasierte Biosensoren entwickelt, die chemische Gifte aufspüren sollen.

...und genau zählen

Für den pathophysiologischen Zustand von Organen und Geweben ist das Blut in vielen Fällen der erste Indikator. Auch hier kann das Prinzip des Microarrays genutzt werden. Um eine Vergleichbarkeit der Tests zu gewährleisten müssen Blutzellen allerdings genauestens abgezählt werden. Felix Jorge vom IBMT stellte ein neues Gerät vor, das die Blutzellkonzentration in einer stationären Probe misst. Die Konzentration der Zellen im Blut korreliert mit dem Widerstand, den man anhand einer angelegten Wechselstromspannung detektieren kann. „Das handliche Gerät kann ganz einfach im Labor oder in der Arztpraxis genutzt werden“, so Jorge.In dieser Folge der Kreidezeit erklären wir den Begriff Microarray.Quelle: biotechnologie.tv

Biomarker unter Laserbeschuss

Ein weiteres wichtiges Werkzeug der Bioanalytik ist die Laserspektroskopie. Dabei regt ein Laserstrahl ein Zielmolekül – etwa einen Biomarker – in einer Probe an, Photonen auszusenden, die von einem Detektor erfasst werden. Problematisch wird es dann, wenn es für die Diagnose einer Krankheit keinen einzelnen Biomarker gibt. Im Falle von Alzheimer zeigt höchstwahrscheinlich eine Kombination von erhöhten und erniedrigten Werten verschiedener Biomarker ein frühes Stadium der Krankheit an. Ein Team um Hans-Gerd Löhmannsröben vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung (FIAP) in Potsdam entwickelt eine sogenannte Multiplexing-Technologie, die es möglich macht, Werte verschiedener Biomarker simultan zu messen. Das FIAP übernimmt im Rahmen des EU-Projektes „Nanodiagnostics“ die Koordination der Forschungsarbeiten. „Die Technologie erlaubt uns erstmals, verschiedene Biomarker zur gleichen Zeit quantitativ zu erfassen. Das Tolle ist, dass man die Methode theoretisch auf jeden anderen Biomarker oder deren Kombinationen anwenden kann“, sagte Löhmannsröben in Potsdam. Das vom BMBF geförderte Projekt ALSCombi forsche zudem daran, diese lasersensorischen Methoden auf ganze Zellen bis hin zu Organen und Organismen auszuweiten, so der Chemiker. Die Detektion mehrerer Zielmoleküle in minimalen Probenvolumina werde dadurch in kürzester Zeit und ohne große Vorbehandlung möglich.

Taschentuchlabor im Fokus

Nach den Kolloquiums-Runden am 7. November beschäftigten sich die Fachteilnehmer am Folgetag mit dem vom BMBF-geförderten Projekt „Das Taschentuchlabor“ (mehr...). Ziel ist es, einen schnell durchführbaren Schnelltest für die Vor-Ort-Analyse zu entwickeln. Hygienetücher sollen direkt anzeigen können, ob beispielsweise eine Fläche mit Viren, Bakterien oder Pilzen kontaminiert ist. Die neuartigen „Sensor-Aktor-Moleküle“, die der Technologie zugrunde liegen, sollen künftig für viele weitere Anwendungen eingesetzt werden. Jüngste Publikationen, hierzu waren unter anderem Thema in Potsdam. Diese Form der Multiparameteranalytik, bei der ein Test für viele Untersuchungen ausreicht, gewinnt zunehmend an Bedeutung. Kosten und für Patienten unter Umständen lebenswichtige Zeit können durch diese Methoden eingespart werden (mehr...).

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