US-Pharmakonzern kauft Münchner Corimmun

Nach einer Beschädigung der Herzmuskelzellen präsentieren diese dem Immunsystem bestimmte Strukturen (rot). Es entstehen Autoantikörper (gelb) im Blut, die gezielt den Herzmuskel angreifen. Diese Attacken sind womöglich die Ursache für die immunbedingte Herzschwäche. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Nach einer Beschädigung der Herzmuskelzellen präsentieren diese dem Immunsystem bestimmte Strukturen (rot). Es entstehen Autoantikörper (gelb) im Blut, die gezielt den Herzmuskel angreifen. Diese Attacken soll der Wirkstoff von Corimmun abblocken. Und so einer sogenannten Herzinsuffizienz vorbeugen. Quelle: Roland Jahns, Universität Würzburg

03.07.2012  - 

Es ist bereits die dritte größere Übernahme eines deutschen Biotech-Unternehmens durch einen Pharmakonzern in diesem Jahr: Der US-Gesundheitskonzern Johnson & Johnson kauft die Corimmun GmbH. Wie das Branchenmagazin transkript erfuhr, bezahlen die Amerikaner rund 100 Millionen US-Dollar für das Unternehmen in Martinsried. Hinzu kommen könnte noch eine Meilensteinzahlung in ähnlicher Höhe. Corimmun entwickelt peptidische Medikamente, die maßgeschneidert zur Behandlung von Herzschwäche und Arteriosklerose eingesetzt werden sollen. Bemerkenswert an dem Deal: Der wichtigste Kandidat COR-1 hat seine Wirksamkeit noch nicht abschließend bewiesen – das Präparat befindet sich in der klinischen Phase II. Zudem dürfte der Exit für die Investoren recht lukrativ ausfallen: Bisher sind rund 13 Millionen Euro an Kapital in Corimmun geflossen. Zudem profitierte das Unternehmen mit derzeit 23 Mitarbeitern auch von öffentlicher Gründerförderung – etwa durch die BMBF-Förderinitiative GO-Bio.

Weltweit operierende Pharmakonzerne machen damit in diesem Jahr bereits zum dritten Mal bei ihrer Einkaufstour Station in der deutschen Biotechnologie-Branche. Zu Jahresbeginn sorgte ein Megadeal für Schlagzeilen: Der US-Riese Amgen sicherte sich die hauptsächlich in Deutschland forschende Firma Micromet für 800 Millionen Euro (mehr...). Erst vor wenigen Wochen erwarb der britische Pharmamulti GlaxoSmithKline die Heidelberger Firma Cellzome für 76 Millionen Euro. Nun hat also der US-Konsumgüter- und Gesundheitskonzern Johnson & Johnson (J&J) zugeschlagen. Der Corimmun-Kauf wurde über das auf Pharmaentwicklung spezialisierte Tochterunternehmen Janssen-Cilag GmbH abgewickelt.

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Insbesondere am Wirkstoff COR-1 interessiert

J&J ist jedoch lediglich an dem Wirkstoff COR-1 interessiert. Alle anderen Substanzen aus der Pipeline werden in eine neue Gesellschaft eingebracht, die vom Corimmun-Team in Martinsried geführt wird. COR-1 ist ein sogenanntes zyklisches Peptid. Der Wirkstoff richtet sich gegen sogenannte Auto-Antikörper, die bei einer Gruppe von Patienten mit einer Herzinsuffizienz auftreten (mehr...). Das modifizierte ß-Rezeptor-Proteinfragment, das an der Universität Würzburg entdeckt wurde, soll die Auto-Antikörper abfangen. Da etwa 20 bis 30 Prozent der Patienten mit einer Herzschwäche für eine solche Behandlung in Frage kommen, ist der Therapienansatz ein Beispiel für das Konzept der personalisierten Medizin.

In der Entwicklungspipeline befindet sich COR-1 derzeit am Anfang der klinischen Phase II. Wirksamkeitsdaten im Menschen gibt es bisher nicht. Für die Aktionäre des 2006 gegründeten Unternehmens ist der Verkauf ein gutes Geschäft. Denn bisher wurden lediglich 13,5 Millionen Euro in drei Finanzierungsrunden investiert. Größter Gesellschafter sind die MIG-Fonds, denen 27 Prozent der Firma gehören. Die in Pullach ansässige Gesellschaft zahlte rund 4 Millionen Euro in zwei Tranchen im Jahr 2008 und 2010 ein. Auch die KfW ist mit 23 Prozent beteiligt. Weitere Kapitalgeber sind der High-Tech-Gründerfonds, Bayern Kapital sowie die BioM AG in Martinsried. Auch den Gründern gehört noch ein gutes Stück der Firma. Denn die Kardiologen Martin Ungerer und Götz Münch hatten zum Start der Firma auf das Einwerben von Wagniskapital verzichtet.

Preisträger aus der ersten Runde von GO-Bio

Stattdessen brachten sie verschiedene Förderungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) mit in die Finanzierung ein. Firmenmitgründer Roland Jahns aus Würzburg gehörte zu den Preisträgern der ersten Runde des GO-Bio-Wettbewerbs (mehr...) ebenso wie die Tübinger Forscherin Dorothea Siegel-Axel, deren eigenes GO-Bio-Projekt (mehr...) ebenfalls in die Gründung von Corimmun mündete.  Zudem ist Corimmun auch Nutznießer der Förderung, die im Rahmen des „Münchner Biotech Cluster m4“ fließt (mehr...). Das Netzwerk zählte 2010 zu den Gewinnern des BMBF-Spitzencluster-Wettbewerbs. Insgesamt gingen so Fördermittel in Höhe von 3,6 Millionen Euro an Corimmun. Der Sprecher des Münchner m4-Spitzenclusters, Horst Domdey, bezeichnete gegenüber transkript die „Corimmun-Story“ als einen besonderen Fall: „Wir sehen hier mit Götz Münch und Martin Ungerer zwei extrem engagierte und motivierte Unternehmerpersönlichkeiten, die fast zehn Jahre an ihre Substanz geglaubt haben und diese in schwierigstem finanziellem Klima nicht nur über die Zeit gerettet haben, sondern unter Zuhilfenahme von lokalen und staatlichen Förderinstrumenten wesentlich weiterentwickeln konnten. Diese Standfestigkeit hat sich nun ausgezahlt, und die Gründer belohnen damit nicht nur sich selbst, sondern alle Investoren, die diese Strecke mitgegangen sind.“ Münch und Ungerer hatten bereits ihre Lektion gelernt. Ihre erste gemeinsame Firma, die Wagniskapital-finanzierte Procorde GmbH, wurde in einer letztlich erfolglosen Fusion mit der britischen Trigen Holdings plc verschmolzen. Die daraus resultierende Trigen Holdings AG ging nach dem Abgang der beiden Unternehmer in die Insolvenz.

© biotechnologie.de/pd + pg

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