Stammzellforscher kommen bei Gentherapie voran

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Nach einer Gentherapie bilden Blutstammzellen der behandelten Kinder immer noch das ALD-Protein (rosa eingefärbt). Auch bei der Behandlung von SCID-X1 Patienten sind die Ergebnisse ermutigend. Quelle: Patrick Aubourg/INSERM

05.04.2011  - 

Stammzellen sind für Molekularmediziner das bevorzugte Ziel für eine Gentherapie. Um eine fehlerhafte Erbanlage gentechnisch zu reparieren, werden gerade die vielseitigen Zellen im Körper - etwa im Knochenmark- angesteuert. Grund: Stammzellen sind besonders teilungsfreudig und geben die genetischen Veränderungen an ihre Nachfahren weiter. Die Geschichte der Gentherapie verlief bisher jedoch wechselvoll. Gerade in den 1990er Jahren war es als Folge von gentherapeutischen Behandlungen zu Todesfällen oder zur Bildung von Tumoren bei den Patienten gekommen. Dank wichtiger technologischer Fortschritte ist die Gentherapie-Forschung inzwischen wieder im Aufwind. Beim 7. BioVision World Forum Life  Sciences, das Ende März in Lyon stattfand, stellten Gentherapeuten aus Mailand und Paris ermutigende Studien zur Behandlung des angeborenen Immundefekts SCID-X1 vor.

Derzeit häufen sich Erfolgsmeldungen zur Gentherapie aus den Forschungslabors weltweit. Erst kürzlich hatten britische Wissenschaftler in Nature Biotechnology (20. März 2011, Online-Vorabveröffentlichung) über eine Methode berichtet, mit der sich therapeutisch wirksame Erbinformation ins Gehirn einschleusen lässt, etwa um neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer zu behandeln. Tübinger und Münchener Forscher haben mittels einer Gentherapie eine Netzhauterkrankung kuriert (mehr...). Nur: All diese Fortschritte wurden bei Labormäusen erzielt. Aus ethischer und gesundheitlicher Sicht wesentlich komplizierter ist der Schritt hin zur klinischen Erprobung von Gentherapien bei Menschen.

Die Höhen und Tiefen der Gentherapie durchschritten

Auf dem BioVision-Kongress in Lyon zeichneten führende Gentherapeuten dennoch ein ermutigendes Bild ihrer Zunft. „Immer mehr Studien belegen, dass Gentherapien funktionieren und es hat einen Stimmungsumschwung bei der Akzeptanz gegeben“, sagte Alain Fischer vom Pariser Hôpital Necker des Enfants Malades.  Der Molekularmediziner ist einer der Pioniere der Gentherapie und hat bereits mit mehreren experimentellen Studien sämtliche Höhen und Tiefen der Disziplin durchlaufen. Seit mehr als zehn Jahren behandelt er Kinder mit der seltenen angeborenen Immunschwäche namens SCID-X1. Für die jungen Patienten sind selbst Infektionen mit ansonsten harmlosen Erregern lebensbedrohlich. Sie müssen deshalb in einer sterilen Umgebung leben. Die Gentherapie galt als Meilenstein des Fachs. Doch im Jahr 2000 mussten die Pariser Forscher Rückschläge vermelden: Fünf der zwanzig der behandelten Kinder hatten eine Leukämie-ähnliche Krebserkrankung erlitten. Ein Kind starb. Den Grund haben die Forscher mittlerweile geklärt. Ein bestimmtes Stückchen Erbinformation in der Genfähre, die für das Einschleusen der Erbanlagen verwendet wird, hatte sogenannte Krebsgene (Onkogene) in den Immunzellen aktiviert und deren ungebremste Vermehrung ausgelöst.

Trotz der Rückschläge zeigte sich Wirksamkeit der Therapie 

Trotz dieses Rückschlags sei die Gentherapie aber in der Rückschau sehr wirksam gewesen, betonte Fischer. „Von den zwanzig Patienten von damals leben heute noch 18, und bei insgesamt 17 wurde der Gendefekt repariert“, so Fischer. Mittlerweile haben die Pariser Forscher eine Genfähre konstruiert, die ihrer Ansicht nach deutlich sicherer ist. Sie soll in einer neuen experimentellen Studie in SCID-X1-Patienten erprobt werden. Auch der Molekularmediziner Luigi Naldini aus San Raffaele bei Mailand berichtete über die zahlreichen technischen Fortschritte in der Forschung. Sein Team hat Patienten mit einer neurodegenerativen Erkrankung, der Adrenoleukodystrophie (ALD), erfolgreich behandelt. „Unsere Genfähren werden immer sicherer und die molekularen Werkzeuge immer präziser“, sagte Naldini in Lyon. Er verwies auch auf eine weitere erfolgreiche Studie, an der auch deutsche Forscher beteiligt waren. Hier hatte sich eine Stammzellen-Gentherapie bei Patienten mit der Erbkrankheit Wiskott-Aldrich-Syndrom als wirksam gezeigt (mehr...). „Diese Wirksamkeitsnachweise werden der Disziplin einen Schub verschaffen“, glaubt Naldini. Er betonte jedoch, ein Schlüssel zu einer sicheren und wirksamen Gentherapie liege im besseren Verständnis der Stammzellbiologie.

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Stammzelltherapien in klinischen Studien

Dem konnte Alan Trounson, der Präsident des California Institute of Regenerative Medicine (CIRM), nur zustimmen. Das CIRM ist die weltweit größte Fördereinrichtung für Stammzellforschung, und verfügt insgesamt über ein Budget von 3 Milliarden US-Dollar.  „Bisher haben wir über 277 Millionen Euro in die Stammzellforschung investiert“, bilanzierte Trounson. In Kalifornien würden derzeit zwölf neue Forschungsgebäude errichtet. Klar erklärtes Ziel des CIRM sei es, eine globale Infrastruktur für die Entwicklung von Stammzelltherapien aufzubauen. Es gebe bereits Forschungskooperationen mit zehn Nationen, darunter Deutschland (mehr...). Mit Nachdruck verfolgt das CIRM das Ziel, die Stammzellen in die klinische Anwendung zu bringen. Unter mehreren Beispielen nannte Trounson ein Projekt, in dem Forscher sogenannte Pankreas-Vorläuferzellen mit einer Alginat-Kapsel ummantelt haben. Unter die Haut von Diabetes-Patienten implantiert sollen solche Zell-Kapseln dabei helfen, Insulin zu produzieren.

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