Susann Schweiger: Pendelt zwischen den Welten

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Susann Schweiger pendelt regelmäßig ziwschen dem Onkologie-Zentrum dre Universität Dundee in Schottland und dem Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin. Quelle: Schweiger

01.02.2011  - 

Susann Schweiger pendelt zwischen den Welten und das gleich mehrfach: Als klinische Genetikerin arbeitet sie einerseits mit Kindern, die an schweren genetisch bedingten Krankheiten leiden, andererseits forscht sie aber auch an typischen Alterserkrankungen wie Alzheimer. Auch räumlich ist die Wissenschaftlerin nicht festgelegt. Als Professorin lehrt und forscht sie in Großbritannien, reist aber regelmäßig zu ihrer Forschergruppe am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik.

Susann Schweiger sammelt Vielflieger-Meilen wie andere Leute Busfahrkarten. Regelmäßig kommt sie aus dem schottischen Dundee in die deutsche Hauptstadt Berlin. Als Chefin des Zentrums für Onkologie und Molekulare Medizin leitet sie an der Universität Dundee eine eigene Arbeitsgruppe. 2007 wechselte sie von der Spree an den Firth of Tay. Jedoch nicht vollständig: Die Verbindung zum Max-Planck-Institut für molekulare Genetik ist nie ganz abgerissen, bis heute ist sie dort in Teilzeit tätig.

Krankhaft veränderte Tau-Proteine bilden gefährliche Ablagerungen

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Die Alzheimer-Demenz ist eine Volkskrankheit. Sie wird jedes Jahr bei etwa 300.000 hauptsächlich älteren Menschen in Deutschland neu diagnostiziert. Die Symptome sind allgemein bekannt, das Leiden führt zum Gedächtnisverlust und einem zunehmenden Verfall der kognitiven Leistungsfähigkeit. Eine Heilung ist bis heute nicht möglich, selbst moderne Medikamente vermögen nicht mehr, als das Fortschreiten der Krankheit einige Zeit lang zu verlangsamen. Ausgerechnet ein altbekanntes Diabetes-Mittel könnte Abhilfe schaffen. „Um zu verstehen, welche Gemeinsamkeiten die Alzheimer-Demenz und Diabetes haben, muss man einen Blick auf die molekulare Ebene werfen“, erklärt Schweiger. Auch wenn die genauen molekularen Ursachen der Alzheimer-Erkrankung bis heute nicht verstanden sind, kennen die Forscher

Unter dem Mikroskop lassen sich in Kultur gehaltene Nervenzellen anfärben und genauer untersuchen. Hier ist der Zellkern (lila) und das Zellskelett angefärbt (grün).Lightbox-Link
Unter dem Mikroskop lassen sich in Kultur gehaltene Nervenzellen anfärben und genauer untersuchen. Hier ist der Zellkern (lila) und das Zellskelett angefärbt (grün).Quelle: Schweiger
einige Mechanismen schon recht genau. Werden die Hirne von Alzheimer-Patienten untersucht, so finden sich in bestimmten Hirnarealen charakteristische Veränderungen. Ein Beispiel sind Proteinbündel, die aus dem so genannten Tau-Protein aufgebaut sind. Eigentlich erfüllt Tau eine wichtige Aufgabe. Es stabilisiert die Mikrotubuli, grundlegende Strukturelemente, die jede Zelle wie ein Gerüst durchziehen und ihr Form verleihen. Wie unterscheiden sich nun die Tau-Proteine, die sich bei Alzheimer in den Proteinbündeln finden lassen von normalem Tau? „Das Tau in den Neurofibrillenbündeln ist hyperphosphoryliert. Das heißt, an ihm sind mehr Phosphatgruppen gebunden als normal“, sagt Schweiger. Nur ein einziges Enzym ist in der Lage, diese Phosphatgruppen vom Tau zu lösen, die so genannte Protein-Phosphatase 2A (PP2A). In Alzheimer-Patienten ist ausgerechnet dieser Phosphatase aber weniger aktiv als in gesunden Menschen. So sammelt sich dann das krankhaft veränderte Tau und bildet im Zellinnern die gefährlichen Ablagerungen.

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In Dundee und Berlin suchten die Forscher um Schweiger deswegen nach einer eleganten Möglichkeit, die Phosphatase-Aktivität zu steigern. Ein seit vielen Jahren als Diabetesmedikament genutztes Mittel könnte genau dies bewirken: „Beim Fahrradfahren fiel mir ein, dass Metformin wegen seines Wirkmechanismus eigentlich auch bei der Alzheimerschen Erkrankung funktionieren sollte“, berichtet die Humangenetikerin.  Die ursprüngliche Idee: Metformin könnte auf einen Proteinkomplex mit der Bezeichnung MID1 wirken, der normalerweise das Protein PP2A abbaut. Indem das Diabetes-Mittel MID1 blockiert, würde möglicherweise die PP2A-Menge gesteigert. In Zellkultur-Experimenten an Nervenzellen der Maus zeigten die Forscher, dass Metformin PP2A in Nervenzellen direkt vor der Zerstörung schützt, indem es unmittelbar verhindert, dass PP2A an MID1 bindet. Diese Wirkungsweise von Metformin war bisher noch nicht bekannt. Mehr aktives PP2A wiederum führt dazu, dass Tau weniger stark phosporyliert wird. Indem weniger Fibrillenbündel entstehen, wird möglicherweise auch das Fortschreiten der Alzheimer-Erkrankung verlangsamt.

 

Durch die Behandlung mit Metformin verändert sich die Menge bestimmter Proteine. Werden sie auf ein Gel aufgetragen und mit Antikörpern angefärbt, können Veränderungen sichtbar gemacht werden.Lightbox-Link
Durch die Behandlung mit Metformin verändert sich die Menge bestimmter Proteine. Werden sie auf ein Gel aufgetragen und mit Antikörpern angefärbt, können Veränderungen sichtbar gemacht werden.Quelle: Schweiger

„Ein bisschen Heimweh habe ich schon“

Gemeinsam mit ihren Kollegen aus Dundee und Berlin will Schweiger jetzt herausfinden, ob sich diese vielversprechenden ersten Ergebnisse auch bei der Therapie von Alzheimer-Patienten bewahrheiten. Der Fahrplan dafür steht: Zunächst sind Versuche mit Mausmodellen geplant, in zwei bis fünf Jahren soll eine klinische Studie starten.

Ob die Mutter dreier Mädchen dann immer noch in Dundee ist? „Ich habe viel Erfolg hier in der Klinik und fühle mich sehr wohl“, sagt Schweiger. Und doch, diesem Satz folgt gleich eine Einschränkung: „In ethischen Fragen fühle ich mich mit der eher vorsichtigen deutschen Haltung sehr wohl.“ Deswegen könne sie sich prinzipiell auch vorstellen, wieder in ihre Heimat zurückzukehren. Hierzulande ist die Forschung zu Erkrankungen wie Alzheimer im Aufwind, erst im vergangenen Jahr hat sich das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) gegründet (mehr…). Einige ihrer ehemaligen Berliner Mitarbeiter forschen nun dort an Metformin und Alzheimer.  Hauptgrund für ihren Wechsel nach Schottland sei die Abenteuerlust gewesen, erzählt Schweiger. „Ein bisschen Heimweh habe ich aber schon“, räumt sie im Nachsatz ein.

Autor: Bernd Kaltwaßer

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