Wochenrückblick KW 50

20.12.2010

Forscher-Senior Klaus Rajewsky kehrt nach Berlin zurück

Der renommierte Immunologe Klaus Rajewski kehrt nach zehn Jahren Spitzenforschung in den USA nach Deutschland zurück, um in Berlin weiterzuarbeiten.

Der 74-jährige Forscher wird am Max-Delbrück-Centrum (MDC) mit selbst eingeworbenen Geldern eine Arbeitsgruppe aufbauen.

Forscher-Comeback mit 74: Der renommierte Immunologe Klaus Rajewsky kommt aus Boston ans Berliner MDC. Lightbox-Link
Forscher-Comeback mit 74: Der renommierte Immunologe Klaus Rajewsky wechselt aus Boston ans Berliner MDC. Quelle: privat
Derzeit forscht Rajewski noch an der Harvard University in Boston. Wenn bis Ende 2011 der Umzug vollendet sein wird, wird Rajewski damit der erste deutsche Wissenschaftler sein, der nach Überschreiten des Pensionsalters aus den USA nach Deutschland in die Forschung zurückkehrt. „Wir schätzen uns außerordentlich glücklich, dass das MDC Klaus Rajewsky für Berlin-Buch gewinnen konnte“, sagte MDC-Stiftungsvorstand Walter Rosenthal  bei einer Telefon-Pressekonferenz am 16. Dezember. Klaus Rajewsky hat sich insbesondere durch seine Erfolge in der Leukämieforschung einen Namen gemacht. So war es ihm gelungen, B-Zellen als Ursprungszellen des Hodgkin-Lymphoms, eines häufigen Lymphdrüsenkrebses, zu identifizieren. Desweiteren hat er eine Technik weiterentwickelt, mit der man in Mäusen Gene gezielt an- und ausschalten kann. Nach fast vierzigjähriger Tätigkeit an der Universität Köln hätte Rajewski nach seiner Emeritierung gerne dort weitergeforscht. Das war dort allerdings nur eingeschränkt möglich. Deshalb wechselte er 2001 an die renommierte Harvard University in Boston. Mehre Gründe hätten ihn zur Rückkehr nach Deutschland bewogen, so Rajewski. Während in den USA die Forschungsfelder zurückgefahren würden, nehme die staatliche Förderung in Deutschland weiter zu.

Mehr auf biotechnologie.de

Menschen: Nikolaus Rajewsky: Wie ein theoretischer Physiker zum Revoluzzer wird

Wochenrückblick: Koordinierter Krebsschutz im Körper entdeckt

„Das MDC ist eine erstklassige Adresse", so Rajewski. Dort trifft der Senior zudem auf seinen Sohn Nikolaus (mehr zu seinem Profil: hier klicken), der derzeit ein Institut für medizinische Systembiologie aufbaut. "Und ich habe eine zukunftsweisende Kooperation mit Bernd Dörken über die Entstehung des Hodgkin Lymphoms, einem Thema, das mir seit 15 Jahren am Herzen liegt. Dem war schwer zu widerstehen.“ Die nötigen Mittel für seine Forschung hat Rajewsky selbst beschafft: Für die nächsten fünf Jahre hat er sich einen „Advanced Grant“ in Höhe von 2,5 Millionen Euro vom Europäischen Forschungsrat ERC gesichert. Rajewski wird fünf junge Forscher aus seiner Arbeitsgruppe in Harvard mit nach Berlin bringen. Wissenschaftler jenseits der Pensionsgrenze zu engagieren, sei für außeruniversitäre Institute kein Problem, sagte MDC-Vorstand Rosenthal. Mit weiteren Senior-Experten sei am MDC zu rechnen, kündigte Rosenthal an.

Nanohale AG bereitet Börsengang vor

Erstmals seit vielen Jahren wagt sich wieder ein deutsches Biotech-Unternehmen an die Börse: Die Erstnotiz für die Dortmunder Nanohale AG wird am 20. Dezember im Freiverkehr der Frankfurter Wertpapierbörse erfolgen.

 

Die angebotenen Aktien stammen aus dem Besitz der bisherigen Anteilseigner, so dass es sich nicht um einen IPO sondern um ein Listing handelt. „Durch den Weg an die Börse wollen wir die öffentliche Wahrnehmung des Unternehmens im Hinblick auf den Aufbau weiterer strategischer Kooperationen im In- und Ausland stärken“, begründet Dr. Nicolas Combé, Vorstand der Nanohale AG, den Börsengang. Combé ist einer der Gründer des Unternehmens, außerdem noch Aufsichtsrat bei dem in Marburg ansässigen Diagnostik-Spezialisten Nanorepro AG.

Auch wenn mit dem aktuellen Schritt zunächst die bisherigen Aktionäre und nicht die Gesellschaft Kasse machen, ist eine Kapitalerhöhung zu einem späteren Zeitpunkt möglich. Bis zum Herbst 2015 kann Nanohale etwa 2 Millionen neue Aktien ausgeben.

Mehr auf biotechnologie.de

News: Mit Nanopartikeln den Tumor gezielt vergiften

Menschen: Carsten Rudolph: Mit Nanopartikeln zur Gentherapie

Wie viele der etwas mehr als 4,2 Millionen angebotenen Anteilsscheine tatsächlich verkauft werden können, muss sich noch herausstellen. Auch der Ausgabepreis wird erst am Tag der Erstnotiz von dem Dortmunder Unternehmen festgelegt. Bei einer im Sommer 2010 durchgeführten Kapitalerhöhung zahlten Investoren einen effektiven Preis von 6,94 Euro je Aktie, der Ausgabepreis soll nach dem Willen von Nanohale höher sein. Das 2007 gegründete Unternehmen konzentriert sich auf die Entwicklung von inhalierbaren Medikamenten zur Diabetesbehandlung. Dafür nutzt es die hauseigene Technologieplattform, mit der inhalierbare, bioabbaubare Nanopartikel mit Wirkstoffen beladen werden können. Dem anlässlich des Listings erstellten Wertpapierprospekt lässt sich entnehmen, dass die Gründung eines deutsch-russischen Joint-Ventures geplant ist. Gemeinsam mit dem russischen Staatsunternehmen Rostechnologii sollen maximal fünf Medikamente bis zur Marktreife entwickelt werden. Nanohale bringt das dafür notwendige Know-how in das noch zu gründende Gemeinschaftsunternehmen ein, die Russen wollen die weitere Forschung mit bis zu 40 Millionen Euro finanzieren.

Mehr Flocken für Bierbrauer dank haftender Hefe

Biochemiker aus Marburg und Bayreuth haben bei Hefen bestimmte Haftmoleküle gefunden, mit deren Hilfe die Mikroben zu Flocken zusammenbacken.

Mit diesen Erkenntnissen ließe sich die Bierherstellung verbessern, schreiben die Wissenschaftler im Fachjournal PNAS (13. Dezember 2010, Online-Vorabveröffentlichung). Wenn Hefezellen sich zusammenlagern, entstehen Flocken oder Filme. Dafür sorgen spezielle Proteine auf der Zelloberfläche, so genannte Flokkuline, die an Oberflächenmoleküle anderer Zellen koppeln.

Strukturmodell der A-Domäne des Proteins Flokkulins Flo5. Das Eiweiß sorgt dafür, das Hefen zu Flocken zusammenklumpen.Lightbox-Link
Strukturmodell der A-Domäne des Proteins Flokkulins Flo5. Das Eiweiß sorgt dafür, dass Hefen zu Flocken zusammenklumpen.Quelle: AG Essen
"Trotz der Bedeutung für Industrie und theoretische Biologie blieb bislang ungeklärt, auf welche Weise Flokkuline die Oberfläche anderer Hefezellen erkennen und welche Struktur die Bindungspartner haben ", sagt Hans-Ulrich Mösch von der Philipps-Universität der Universität Marburg. Gemeinsam mit einem Team um Lars-Oliver Essen untersuchte er einen Abschnitt des Proteins namens Flo5. Die Forscher hatten dazu die die A-Domäne des Proteins im Visier (Flo5A), die für die Anheftung verantwortlich ist. Die Wissenschaftler bauten die A-Domäne von Flo5 in Flokkuline anderen Typs ein, die sie anschließend in Hefezellen einschleusten. Diese gentechnische Veränderung reichte aus, um nicht-flockende Hefen zur Flockenbildung zu bewegen.
Als Bindungspartner von Flo5 identifizierten die Forscher eine ganz bestimmte Zuckerverbindung, die ebenfalls auf der Zelloberfläche verankert ist und aus mehreren Einheiten des Zuckermoleküls Mannose besteht.

Mehr auf biotechnologie.de

Menschen: Marion Röder: Gen-Marker für bessere Bierqualität

Menschen: Nils Johnsson: Die Netzwerke der Eiweiße ergründen

Dabei handelt es sich um ein weit verbreitetes Oberflächenmolekül, das nicht nur bei Flo5-haltigen Hefestämmen vorkommt. Flo5-Zellen heften sich daher nicht nur an ihresgleichen; vielmehr binden sie auch andere Hefen, sofern diese Mannose tragen. Die Flo5-freien Zellen lagern sich an den äußeren Zonen der Hefeflocken an, wodurch sie die weiter innen liegenden Zellen schützen.
Die Erkenntnisse der Forscher haben praktische Konsequenzen für die Bierherstellung. Die Industrie verwendet hierfür moderne Hefestämme, deren Anheftungsproteine keine Vorliebe für bestimmte Zuckerarten aufweisen. Zugleich ist die Flockenbildung solcher Industriestämme weniger effizient. Sie lässt sich verbessern, indem man diese mit FloA5 ausstattet.

Tierschutz-Forschungspreis für Tetanus-Impfstofftest

Ein Verfahren für Impfstofftests, das Versuche an Meerschweinchen überflüssig machen könnte, erhält in diesem Jahr den Tierschutz-Forschungspreis des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV).

Zu den Preisträgern des 29. Tierschutz-Forschungspreises zählen in diesem Jahr vier Forscherinnen vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Langen. Heike Behrensdorf-Nicol, Ursula Bonifas, Beate Krämer und Karin Weißer haben eine In-vitro-Methode zur für die Sicherheitsprüfung von Tetanusimpfstoffen entwickelt. Damit kann die im Europäischen Arzneibuch vorgeschriebene Sicherheitsprüfung von Tetanusimpfstoffen an bisher etwa 2.000 Meerschweinchen jährlich ersetzt werden.  Der mit 15.000 Euro dotierte "Forschungspreis zur Förderung methodischer Arbeiten mit dem Ziel der Einschränkung und des Ersatzes von Tierversuchen"  wird vom BMELV jährlich ausgeschrieben, um die Forschung anzuregen, nach Möglichkeiten zur Einschränkung oder zum Ersatz von Tierversuche zu suchen. Bevor Impfstoffe bei Menschen eingesetzt werden, müssen sie eingehend auf ihre Sicherheit getestet werden. Tetanusimpfstoffe werden aus dem Toxin des Bakteriums Clostridium tetani durch chemische Inaktivierung hergestellt. Das dabei entstehende "Toxoid" ist ungefährlich. Bislang wird allerdings noch an Meerschweinchen getestet, ob auch tatsächlich kein Tetanus-Neurotoxin mehr im Impfserum vorhanden ist. Das gefährliche Tetanus-Toxin spaltet in synaptischen Vesikeln ein Protein namens Synaptobrevin und blockiert so die Reizweiterleitung im Nervensystem.

Mehr auf biotechnologie.de

News: Forscher diskutieren Einsatz von 3D-Test-Organen

Förderbeispiel: Gezüchtetes Herzgewebe als Ersatz für Tierversuche

"Der Wirkmechanismus brachte mich auf die Idee, diese enzymatische Aktivität des Tetanustoxins zum Nachweis von Resttoxin in vitro zu nutzen", beschreibt Karin Weißer die Anfänge des Forschungsprojekts. Die Besonderheit des Testsystems besteht darin, dass die Toxinmoleküle in einem Versuchsablauf nur dann ein Signal erzeugen, wenn sie sowohl eine funktionsfähige Bindungsdomäne als auch eine proteinspaltende Aktivität besitzen. In ihrem vom BMBF-geförderten Projekt konnten die Wissenschaftlerinnen nachweisen, dass es mit ihrem kombinierten Testsystem möglich ist, zwischen giftigem Tetanus-Neurotoxin und ungiftigem Toxoid zu unterscheiden. "Aktuell arbeiten wir an der Optimierung der Methode. Danach werden wir gegen den Tierversuch antreten, denn um den vorgeschriebenen Tierversuch zu ersetzen, muss die Methode sehr zuverlässig sein und eine Nachweisgrenze aufweisen, die mindestens so gut ist wie die des Tierversuchs", erläutert Behrensdorf-Nicol.

ERA-NET-Ausschreibung zu seltenen Erkrankungen gestartet

Ein europäischer ERA-Net-Verbund will Forschungsprojekte zur Erforschung seltener Krankheiten mit einer neuen Förderausschreibung unterstützen.

Das europäische Netzwerk ERA-NET „E-Rare“ hat eine Förderbekanntmachung veröffentlicht, mit der es transnationale Kooperationen für ein besseres Verständnis von Prävention, Diagnose und Behandlung seltener Leiden vorantreiben will. Dazu zählen nach der europäischen Definition Erkrankungen, die nicht mehr als fünf von 1000 Menschen in der Bevölkerung betreffen. Die Forschung wird nicht nur wegen des seltenen Auftretens der Erkrankungen erschwert. Sie sind zudem durch einen komplexen klinischen Phänotyp gekennzeichnet, es gibt meist nur relativ wenige Wissenschaftler mit Expertise für ein Krankheitsbild. Auch Datenbanken und Materialsammlungen sind bisher eher ein Flickenteppich. Europäische Verbundprojekte im Rahmen von ERA-NET sollen die Forschung deshalb voranbringen. Solche Vorhaben können auf eine Gruppe seltener Erkrankungen oder auf eine einzelne seltene Krankheit fokussiert sein. Zur Bearbeitung sollen sich Teams bilden, die sich aus mindestens drei bis maximal sechs Forschergruppen aus mindestens drei der teilnehmenden Länder zusammensetzen. Themengebiete, die gefördert werden sollen, betreffen den Aufbau von Patientendatenbanken und Materialbanken oder Forschungsansätze, die auf modernsten genetischen und epigenetischen Methoden basieren. Als drittes Themenfeld kommt die Charakterisierung von Biomarkern für die Diagnose und Prognose von seltenen Leiden oder die Entwicklung von Krankheitsmodellen für eine Förderung in Frage.

Eine ausführliche Beschreibung der Themenbereiche, inhaltlichen Schwerpunkte und des Anmeldungsvorgangs findet sich auf

www.e-rare.eu/For-Researchers/3rd-Joint-Call.html

Anträge in dem zweistufigen Verfahren müssen spätestens bis zum 31. Januar 2011 eingereicht werden, die Projekte laufen von 2011 bis 2014. Deutsche Interessenten können sich zur Vorbereitung transnationaler Projektvorschläge beim Projektträger im DLR beraten lassen.

Mehr Informationen zur Ausschreibung beim BMBF: hier klicken

Molekularer Stresstest für Polymere

Ein Team von Münchener Physikern hat einen molekularen Belastungstest für synthetische Kunststoff-Moleküle entwickelt.

In einem Netzwerk aus dem Muskelfaser-Protein Aktin haben sie erstmals die Bewegungen einzelner Polymerfasern bei Belastung sichtbar gemacht. Die Forscher um Andreas Bausch von der Technischen Universität München stellen ihre Ergebnisse im Fachblatt Nature Communications (Dezember 2010, Online-Veröffentlichung) vor. Streckt man eine Folie aus dem Kunststoff Polyethylen stark, so wird sie reißfester.

An diesem Netzwerk aus Aktin konnten die Münchner Physiker beobachten, wie die Polymere auf Belastung reagieren.Lightbox-Link
An diesem Netzwerk aus Aktin konnten die Münchner Physiker beobachten, wie die Polymere auf Belastung reagieren.Quelle: TU München
Einkaufstüten werden so erheblich belastbarer. Der Effekt wird einer Neuordnung der Polymerketten zugeschrieben. Manche elastischen Polymere werden durch eine häufig wiederkehrende Belastung weicher. Dieses Verhalten wurde nach seinem Entdecker Mullins-Effekt genannt. Doch was die Polymerketten bei mechanischer Belastung genau tun, ist bisher nicht ausreichend verstanden. Ein Grund dafür ist, dass synthetische Polymere zu klein sind, um sie mit mikroskopischen Methoden während der mechanischen Belastungsexperimente zu beobachten. Ein besseres Verständnis der Vorgänge auf der molekularen Ebene würde bei der Entwicklung neuer Kunststoffe sehr viel Zeit und Geld sparen.

Mehr auf biotechnologie.de

News: Regenerative Medizin: Hightech-Fäden geben Zellen Halt

News: Fachkongress Biokunststoffe: Von der Nudelverpackung bis zum einbruchssicheren Fenster

Auch die Natur macht sich die mechanischen Eigenschaften von Polymeren zu Nutze: Biologische Polymere geben Zellen ihre Stabilität und spielen eine entscheidende Rolle bei der Ausführung ihrer komplexen Funktionen. Das Physiker-Team um Bausch nutzte nun das Muskelfaser-Protein Aktin, um ein Polymernetzwerk zu bilden. Die Aktin-Fasern sind unter einem Fluoreszenzmikroskop sichtbar. Damit gelang es den Wissenschaftlern, die Bewegungen der einzelnen Fasern bei mechanischer Belastung des Materials direkt zu beobachten. Durch die gleichzeitige Verwendung eines Rheometers, mit dessen Hilfe mechanische Eigenschaften von Materialien untersucht werden können, und eines konfokalen Mikroskops konnten die Wissenschaftler das Verhalten des Aktin Netzwerks während der mechanischen Verformungen beobachten und dreidimensional filmen.
Mit dem  Modellsystem lassen sich nicht nur die dem Mullins-Effekt zugrunde liegenden Vorgänge auf molekularer Ebene nachweisen, sondern auch der gegenteilige Effekt, bei dem das Material bei wiederholter Belastung härter wird. Verantwortlich für die Änderungen der mechanischen Eigenschaften sind umfangreiche Umorganisationen der Netzwerkstruktur, die auf diese Weise erstmals direkt beobachtet werden konnten.