Mit Biomarkern zu maßgeschneiderten Therapien

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Für die Suche nach Biomarkern verlassen sich die Greifswalder auf moderne Massenspektrometer. Quelle: Hans-Werner Hausmann, Universität Greifswald

14.12.2010  - 

Die individualisierte Medizin geht davon aus, dass jeder Mensch aufgrund einer Vielzahl von Eigenschaften einzigartig ist, und demnach auch einer individuellen medizinischen Behandlung bedarf. Gemeinsam mit Partnern aus Industrie, Forschung und Medizin haben Wissenschaftler der Universität Greifswald ein Projekt gestartet, dass dieser Einschätzung Rechnung tragen soll: Durch GANI_MED wollen sie in einem breiten Ansatz die maßgeschneiderte Therapie in die Klinik tragen.  Bund und Land fördern das Vorhaben mit mehr als 15 Millionen Euro.

Viele der heutigen Medikamente wirken nicht bei allen Patienten. Weil sich das Erbgut von Mensch zu Mensch unterscheidet, kommt es beispielsweise zu Unterschieden bei der Aufnahme von Medikamentenwirkstoffen  in den Körper. Dadurch wirkt ein Medikament bei einem Patienten schon in geringen Dosen, bei andern hingegen sind höhere Dosen notwendig. Um dieses Problem zu lösen, forschen Wissenschaftler und Mediziner weltweit an der individualisierten Medizin. In München ist erst kürzlich ein Spitzencluster zu diesem Thema gegründet worden (mehr...). Mit dem „Greifswald Approach to individualized Medicine – GANI_MED“  nehmen sich jetzt auch die Greifswalder Forscher der Thematik an. „Ziel der personalisierten Medizin ist es, durch modernste Diagnostik und den nachfolgenden Einsatz neuer, auf die Bedürfnisse des einzelnen Patienten ausgerichteter Therapieverfahren die Effektivität der Behandlung zu  steigern, unerwünschte Effekte zu vermeiden und die Kosten zu reduzieren“, sagt Verbundkoordinator Heyo Kroemer. Ein Herzstück von GANI_MED ist die Gesundheitsstudie in Pommern (Study of Health in Pomerania – SHIP), welche seit 1997 von der Uni-Klinik durchgeführt wird. Mithilfe der DNA-, Blut- und Urinproben von mehr als 7.000 Menschen konnte diese Studie bereits viele neue Erkenntnisse liefern, zum Beispiel zu den genetischen Ursachen von Bluthochdruck (mehr…).

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 Mit ihrer Hilfe sollen jetzt personalisierte Therapien für Krankheiten entwickelt werden, die wegen des demographischen Wandels in Zukunft eine immer größere Bedeutung erlangen und zu Kostentreibern im Gesundheitssystem werden. „In den einzelnen Projektbereichen werden speziell Erkrankungen des Herzens, Diabetes, Nierenversagen, Schlaganfälle und Fettleber erforscht“, erläutert der Ärztliche Direktor des Uniklinikums Greifswald Marek Zygmunt.  Dabei geht es vor allem um das Herausfiltern von genetischen Biomarkern, die für das Entstehen von Krankheiten eine besondere Rolle spielen. In den nächsten Jahren sollen die Daten von 6.200 kranken Probanden in klinischen Studien neu erfasst werden. Durch einen Vergleich zwischen den erkrankten Patienten und den gesunden Teilnehmern der SHIP-Studie hoffen die Forscher neue Biomarker für Krankheiten zu finden. Dafür soll die Datenbank der Gesundheitsstudie sogar noch einmal erweitert werden. Bereits heute liegen von jedem Probanden umfassende Informationen aus dem Erbgut, dem Stoffwechsel, dem Körperbau und sozialen Umfeld vor. Ergänzt werden diese Daten nun durch Ganzkörperaufnahmen mit dem Magnet-Resonanz-Tomographen (MRT). „Dieser Datenschatz ist in internationalen Wissenschaftlerkreisen gefragt und die Grundlage für die schrittweise Überführung der individualisierten Medizin in den klinischen Alltag“, so Zygmunt. So kann das Erbgut eines Menschen beispielsweise Einfluss darauf nehmen, was mit Arzneimitteln im Körper geschieht. Daraus ergibt sich, wie gut, wie schnell und wie lange sie wirken und welche Nebenwirkungen sie hervorrufen. Das Wissen darüber ist daher entscheidend für die Auswahl der bestmöglichen Therapie für den jeweiligen Patienten und damit für eine maßgescheneiderte Therapie.

 

Seit 1997 werden die Vorpommern im Rahmen der Gesundheitsstudie SHIP auf ihre gesundheitliche Verfassung durchleuchtet. Lightbox-Link
Seit 1997 werden die Vorpommern im Rahmen der Gesundheitsstudie SHIP auf ihre gesundheitliche Verfassung durchleuchtet. Quelle: UK Greifswald

Auch ethische und ökonomische Fragen sollen beantwortet werden

Damit die Forscher individuelle Besonderheiten beim Entstehen und Fortschreiten von Krankheiten ebenso zuverlässig erkennen, wie Unterschiede beim Therapieerfolg und Behandlungsverlauf müssen sie zum Teil ganz neue Analyseverfahren entwickeln. Dabei wird auch die Bioinformatik eine entscheidende Rolle spielen, um die anfallenden großen Datenmengen gezielt nutzen zu können. Wichtig ist den Beteiligten die enge Verbindung mit der klinischen Forschung. Sie versprechen sich davon, dass sich Individualisierungskonzepte so besser auf ihre Eignung für die Patientenbehandlung testen lassen.

Neben der Universität und der Uniklinik Greifswald gehören unter anderem auch das Helmholtzzentrum München, das Leibniz-Zentrum für Diabetesforschung, das deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg, sowie die Universitäten aus Mainz und Tübingen und viele weitere wissenschaftliche Einrichtungen zu dem Verbund. Auch die Industrie unterstützt das Projekt: Die Siemens AG ist daran ebenso beteiligt wie  Spezialunternehmen wie die Bruker Biospin GmbH oder die Decodon GmbH. Finanziert wird das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie dem Land Mecklenburg-Vorpommern. Insgesamt 15,4 Millionen Euro stehen in der insgesamt fünf Jahre dauernden Förderung zur Verfügung, davon stammen 14 Millionen Euro aus dem BMBF-Programm „Spitzenforschung und Innovation in den neuen Ländern“. In dem noch bis zum September 2014 laufenden Projekt wollen die Forscher aber nicht nur medizinische Pionierarbeit leisten: „Es ist wohl einzigartig, dass Mediziner, Theologen, Informatiker, Betriebswirtschaftler, Biologen und viele weitere Wissenschaftler von Anfang an an einer neuen Vision arbeiten“, sagt Universitätsrektor Rainer Westmann. Die Betriebswirtschaftler werden sich vor allem mit gesundheitsökonomischen Fragen auseinandersetzen. Sie wollen herausfinden, ob es sich mit der individualisierten Medizin Möglichkeiten ergeben, die Kostenexplosion im Gesundheitssystem in den Griff zu bekommen.

Gani_Med

Im Mai 2009 wurden die Gewinner der zweiten Förderrunde im Programm "Spitzenforschung & Innovation in den neuen Ländern" bekannt gegeben. Zu den damaligen Gewinnern gehörte auch das Greifswalder Projekt GANI_MED.

Mehr Informationen zum Programmm Spitzenforschung & Innovation: hier klicken

Zur Homepage von GANI_MED: hier klicken

In dem Projekt sollen aber auch grundsätzliche ethische Fragen beantwortet werden, die durch die Möglichkeiten der individualisierten Medizin aufgeworfen werden: Wollen wir wirklich alles wissen, was wir in Erfahrung bringen können? Damit die neuen Methoden nicht den gläsernen Patienten schaffen, brauche es feste Regeln, so die Forscher. „Der Einzelne muss sich darauf verlassen können, dass seine Datenschutzrechte gewährleistet werden. Wir wollen dem Menschen Möglichkeiten an die Hand geben, ein hohes Maß an Initimität zu bewahren“, sagt der Greifswalder Theologe Martin Langanke.  Wie schwierig solche Fragen zu beantworten sind, wissen auch die Ethiker aus  Jena, die sich bereits seit Jahren mit der Würde in der Gentechnik befassen (mehr…).

„Wir stehen am Anfang einer Entwicklung“

Die Hoffnungen, die in die Medizin gesetzt werden, sind groß. Das wissen auch die Forscher um Verbundkoordinator Kroemer: „Letztendlich muss sich die individualisierte Medizin daran messen lassen, ob sie die Entstehung von Krankheiten nachhaltig beeinflussen und mit personalisierten Therapieverfahren tatsächlich eine höhere Gesundheitseffektivität erzielen kann. Wir stehen noch am Anfang einer neuen Entwicklung, wollen dabei aber die Bevölkerung mitnehmen und den Dialog über die Perspektiven und Grenzen der individualisierten Medizin bewusst suchen.“

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