Melanie Königshoff: Die Lunge frei räumen

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Melanie Königshoff ist mit einem der begehrten ERC Starting Grants der EU ausgezeichnet worden. Quelle: Helmholtz Zentrum München

13.12.2010  - 

Oft wird die chronisch obstruktive Lungenerkrankung lapidar als Raucherhusten abgetan, doch Melanie Königshoff und ihr Team wissen, dass da mehr dahinter steckt. „ Lungenerkrankungen sind die zweithäufigste Todesursache der Welt, doch neben dem blauen Dunst können auch andere Faktoren diese Lungenerkrankung auslösen“, erklärt die Arbeitsgruppenleiterin am Comprehensive Pneumology Center (CPC) des Helmholtz-Zentrums München. Die Erkrankung hat schwere Folgen: Das Lungengewebe schrumpft und der Patient kann nicht mehr genügend Luft aufnehmen, um den Körper mit lebensnotwendigem Sauerstoff zu versorgen. Als eine der Preisträgerinnen des ERC Starting Grant, mit dem der Europäische Forschungsrat vielversprechende Nachwuchswissenschaftler auszeichnet und finanziert, kann sich Königshoff in den kommenden Jahren intensiv auf die Suche nach neuartigen Therapiemöglichkeiten machen.



 

Die 34-jährige Forscherin ist auf dem Boden geblieben: Trotz zweifacher Promotion – die sie sowohl in Humanmedizin als auch in den Lebenswissenschaften mit der Bestnote „Summa cum laude“ absolvierte – etlichen Forschungspreisen und dem erfolgreichen Einwerben des mit 1,5 Millionen Euro dotierten ERC Starting Grant sieht Melanie Königshoff es als großes Privileg an, Wissenschaft zu machen. „ Forschung in Verbindung mit Hilfe am Patienten ist ein sehr erfüllender Lebensinhalt und macht mich unter dem Strich sehr glücklich“, so die junge Wissenschaftlerin, die sich auf Krankheiten der Lunge spezialisiert hat.

Arbeitsgruppe Königshoff

Mit den Mitteln des ERC-Grants forscht die Arbeitsgruppe von Melanie Köngishoff am Comprehensive Pneumology Center in München an der "Plastizität von Epithelzellen der Lunge":

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Die Lungenoberfläche beginnt zu schrumpfen

Ein Forschungsschwerpunkt der in Wilhelmshaven geborenen Forscherin ist die chronisch obstruktive Lungenerkrankung, kurz auch COPD (chronic obstructive pulmonary disease) genannt. Typische Krankheitsanzeichen sind Atemprobleme, ständiger Husten sowie vermehrte Schleimproduktion. Dies geht mit einem stetigen Verlust der Organoberfläche einher. „Die gesunde Lunge ist ausgedehnt in etwa so groß wie ein Tennisplatz. Durch die Erkrankung geht diese Fläche nach und nach verloren, was wiederum zur verminderten Sauerstoffaufnahme des Körpers führt“, erklärt Königshoff, die in Gießen ihr Medizinstudium absolvierte. Rauchen, eine genetische Veranlagung, Feinstaub oder aber auch „geschlossene Kochstellen“, wie sie vermehrt in Entwicklungsländern benutzt werden, sind Ursache für die COPD. „Viele Leute behaupten, dass eine Vermeidung dieser Faktoren nach der Schädigung wieder zur Regeneration der Lunge führt“, so Königshoff. Doch stimmt das wirklich? Oder ist das nur eine moderne Mär?

Sich teilende, alveolaere Epithelzellen der Lunge in der Zellkultur.Lightbox-Link
Sich teilende, alveolaere Epithelzellen der Lunge in der Zellkultur.Quelle: M. Königshoff

Kann sich die Lunge regenerieren?

Melanie Königshoff und ihr interdisziplinäres Team konzentrieren sich auf die Wiederherstellung der Lungenkapazität. Sie machen sich auf die Suche nach einem genetischen „Schalter“, der im erwachsenen Menschen Lungenwachstum auslösen könnte. „Wir haben hier den entwicklungsbiologisch relevanten Signalweg WNT im Visier, der für die Ausbildung der Lunge zuständig ist“, erläutert die Leiterin der Nachwuchsgruppe Lung Epithelial Cell Plasticity“ am CPC, das auch die Keimzelle des künftigen Deutschen Zentrums für Lungenforschung sein soll (mehr...). Heiße Kandidaten in Form von Proteinen, die zur Aktivierung dieses wichtigen Signalwegs führen können, haben die Münchner auch schon parat.

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Diese Kandidaten werden nun in Tieren getestet, aber auch an menschlichem Lungengewebe im Reagenzglas. „Wir wollen schließlich Menschen heilen und keine Mäuse“, sagt die Medizinerin und Buchautorin eines Biochemie-Lehrbuches. Das menschliche Gewebe bekommen die Forscher von Patienten, denen aufgrund ihrer COPD-Erkrankung eine Gewebeprobe entnommen wird oder die eine Spenderlunge erhalten haben.

Der Zukunft sieht Königshoff optimistisch entgegen. Dabei weiß sie, dass Erfolg und Scheitern in der Spitzenforschung nahe beieinander liegen. Nun kommt es auf das Feintuning an, um unerwünschte Nebeneffekte zu vermeiden. „Auf der Suche nach dem Anknipser des WNT-Signalweges dürfen wir nicht alle Rezeptoren aktivieren. Dies könnte auch zu ungebremstem Wachstum führen und eventuell Krebs induzieren“, beschreibt sie mögliche Fallstricke kommender Analysen. Doch ihre Frustrationstoleranz sei dank ihrer beiden Doktorarbeiten sehr hoch, schmunzelt die Arbeitsgruppenleiterin. Ihr Fazit: „Ich bin durch harte Schulen gegangen und habe mich in der Welt der Biochemiker als Medizinerin doch sehr gut behauptet." Diese Hartnäckigkeit, gepaart mit Kompetenz, wird sie wohl noch brauchen. Die Entwicklung neuer Therapien hält nur allzu oft viele Klippen bereit, die umschifft werden wollen.


Autorin: Andrea van Bergen

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