Gezüchtete Ersatzteile für verletzte Kniegelenke

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Dreidimensional gezüchtete Knorpeltransplantate auf der Basis patienteneigener Knorpelzellen. Quelle: Ars Arthro AG

01.12.2005  - 

Ein Sturz auf der Skipiste oder ein Foul im Fußballstadion – ein Kreuzbandriss ist schnell passiert. Anschließend ist es mit der Stabilität im Knie vorbei, denn ohne diese wichtigen Sehnen ist beschwerdefreies Gehen unmöglich. Die Behandlung eines Kreuzbandrisses ist jedoch langwierig und erfordert meist eine komplizierte Operation. Dabei wird das gerissene Kreuzband durch Sehnenteile ersetzt, die vorher an anderen Körperstellen entnommen wurden. Die Esslinger Ars Arthro AG will darauf nun verzichten. Stattdessen sollen komplette Bänder und Sehnen künstlich gezüchtet werden – auf der Basis patienteneigener Zellen.

Wie bei vielen Methoden der regenerativen Medizin stammen die Zellen, auf deren Grundlage die natürlichen Ersatzteile gezüchtet werden, vom Patienten selbst. Sollen Sehnen und Bänder entstehen, sind Fibroblasten als Ausgangsmaterial nötig – Zellen, die für ein stabiles Bindegewebe unentbehrlich sind. Das Konzept von Ars Arthro sieht vor, diese Zellen in einer stark eiweißhaltigen Substanz (Kollagen-Flies) anzusiedeln, die sich dreidimensional kultivieren lässt. Unklar ist noch, wie die Verankerung der gezüchteten Sehnen und Bänder mit Muskeln und Knochen gesichert werden soll. „Dafür muss das Kollagen-Flies unter bestimmten Zug- und Druckbelastungen entwickelt werden, schließlich müssen die Endprodukte den Bedingungen im Körper standhalten“, sagt Thomas Graeve, Forschungsvorstand von Ars Arthro. Gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) in Stuttgart soll eine stabile Lösung entworfen werden.

Nicht nur Kreuzbänder im Visier

Verletzungen am Knie sind den Forschern von Ars Arthro nicht unbekannt. Im Gegenteil. Das auf Tissue Engineering spezialisierte Unternehmen hat seit seiner Gründung die Therapie von verletzten Knieknorpeln im Visier und entwickelt dafür spezielle Transplantate. Vor drei Jahren konnte das patentierte CaReS-Konzept (Cartilage Regeneration Systems) auf den Markt gebracht werden – eine Methode, mit der sich Knieknorpelverletzungen bis zu einer Größe von zehn Quadratzentimetern behandeln lassen. Dabei wird dem Patienten eine definierte Menge an Knorpelzellen (Chondrozyten) aus einem gesunden, unbelasteten Bereich des Kniegelenks entnommen und im Labor in einer Kollagen-Lösung verteilt. Nach einer halben Stunde bei Raumtemperatur geliert diese Masse zu einem dreidimensionalen Konstrukt, das zwei Wochen lang kultiviert wird. Anschließend kann das so gezüchtete Transplantatkissen – das von seiner Konsistenz her an einen Fruchtgummi erinnert – operativ an die verletzte Stelle im Knieknorpel platziert werden. Für den Halt der Knorpelmasse sorgt ein spezieller Fibrinkleber.

Kranke Zellen in gesunde verwandeln

Neben dem Kreuzbandprojekt arbeitet Ars Arthro nun daran, das CaReS-Konzept für mehr Patienten zugänglich zu machen. Größere Verletzungen können bislang nämlich nicht behandelt werden, auch Patienten ab 50 Jahre sind für diese Methode nicht geeignet. „Wenn zu viele Knorpelzellen beschädigt oder zu alt sind, stehen nicht mehr genügend gesunde Zellen für die Züchtung eines Transplantates zur Verfügung“, erläutert Graeve. Deshalb haben sich die Forscher jetzt vorgenommen, aus kranken oder alten Zellen optimales Basismaterial für die Herstellung eines künstlichen Transplantates zu entwickeln. Graeve und seine Kollegen arbeiten dabei zum einen an mesenchymalen Stammzellen aus dem Beckenknochen, die sie dazu bringen wollen, sich in funktionsfähige Knorpelzellen zu entwickeln. Zum anderen ist Ars Arthro dabei, entsprechende Botenstoffe zu finden, mit denen sich die Entwicklung von Knorpelzellen steuern lässt. Auf diese Weise, so hoffen die Wissenschaftler, können womöglich kranke Zellen in gesunde verwandelt werden.

Doch nicht nur die Zellbasis ist bei größeren Schäden am Knorpel ein Problem. Ist die Verletzung zu groß, muss ein Transplantat an die verletzte Stelle im Knie eingenäht werden, damit es dauerhaft hält. Bis jetzt gibt es jedoch noch kein ausgereiftes Konzept, wie das gehen könnte. Zusammen mit der ebenfalls in Esslingen ansässigen BioTeSys GmbH, die schon seit längerem an solchen Verankerungslösungen im Randbereich von Transplantaten arbeitet, will Ars Arthro in den kommenden drei Jahren eine Möglichkeit finden.

Beide Forschungsprojekte – am Kreuzband und am Knieknorpel – werden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziell gefördert. Im Rahmen des BioProfile-Programmes gehen insgesamt 1,6 Millionen Euro an Ars Arthro und seine Projektpartner.

Weiterführende Informationen

Arthro kinetics AG

BioTeSys GmbH

Michael Sittinger liebt Herausforderungen. Am meisten kann sich der Molekularbiologe und Rheumaforscher von der Berliner Charité deshalb für Themen begeistern, bei denen er Neuland betreten muss. Sein neuestes Ziel: Er will verletzte Knie dazu bringen, sich selbst zu heilen.

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