Heißer Ritt: Mikroben wandeln Methan am Meeresgrund um

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Mikroskopische Aufnahme eines kettenförmigen AOM-Konsortiums. Die methanoxidierenden Archaeen sind in rot, die sulfatreduzierenden Bakterien in grün dargestellt. Quelle: Thomas Holler/Kathrin Knittel/MPI Bremen

28.09.2011  - 

Es könnte eine tickende Klimabombe sein. Auf dem Meeresboden lagern große Mengen Methan, das entweder von Bakterien hergestellt wurde oder aus tieferen Erdschichten stammt. Würde das Treibhausgas in die Atmosphäre abgegeben, würde das die Erderwärmung erheblich beschleunigen. Glücklicherweise wird das Methan zum großen Teil bereits im Sediment wieder abgebaut. Bremer Max-Planck-Forscher beschreiben nun im Fachjournal ISME (Online-Veröffentlichung, 2011)  mikrobielle Lebensgemeinschaften, die Methan unter Ausschluss von Sauerstoff bei hohen Temperaturen von bis zu 70 °C abbauen können.


 

Methan biologisch abbauen ist komplex, nur wenige Spezialisten unter den Mikroben sind überhaupt dazu in der Lage. Zwei Herangehensweisen lassen sich unterscheiden: mit und ohne Sauerstoff. Letzteres ist die Königsdisziplin, es gelingt nur unter speziellen Bedingungen und als Teamwork, etwa in einer engen Lebensgemeinschaft von Archaeen und Bakterien. Auch bei der Anaeroben Oxidation von Methan (AOM) wird ein Oxidationsmittel gebraucht, als Ersatz wird Sulfat verwendet. Die beiden Partner des Verwertungsteams profitieren dabei voneinander. Die Archaeen, die eigentlich Methan produzieren, lassen ihren Stoffwechsel rückwärts laufen und bauen Methan zu unlöslichem Carbonat ab. Dazu benötigen sie aufbereitetes Sulfat, das die Bakterien aus dem Meerwasser mit Hilfe eines Zwischenprodukts der Archaeen umwandeln.

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Das Guaymas-Becken an der Westküste von Mexiko. Dort wurde die Mikrobengemeinschaft entdeckt.Quelle: Rita Dunker / MPI Bremen

Methanabbau auch bei hohen Temperaturen

Bislang hatte man diese Lebensgemeinschaften zwischen Methan-oxidierenden Archaeen und Sulfat-reduzierenden Bakterien nur in Lebensräumen mit kalten und gemäßigten Temperaturbedingungen gefunden, zum Beispiel in der Tiefsee oder in Permafrostgebieten. Schon lange jedoch wissen die Mikrobiologen, dass die mikrobiellen Prozesse grundsätzlich auch bei Temperaturen von bis zu 100°C ablaufen können. So starteten die Max-Planck-Forscher des Bremer Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie die Suche nach bakteriellen Lebensgemeinschaften, die auch bei hohen Temperaturen aktiv sind.

Fündig geworden sind die Wissenschaftler um Thomas Holler in Sedimentproben aus dem Guaymas-Becken, in denen sie den Abbau von Methan unter sauerstofffreien Bedingungen verfolgten. Das Guaymas-Becken liegt im Golf von Kalifornien in Mexiko auf einem ozeanischen Rücken, einem seismisch aktiven Bereich. Auseinanderdriftende tektonische Platten lassen entlang dieses Rückens neue Erdkruste entstehen. Aufsteigender, heißer Basalt erhitzt das Sediment, wodurch abgelagertes, organisches Material zu Erdöl, Methan und anderen Kohlenwasserstoffen zerfällt. Heiße Porenwasser treten aus dem Sediment aus und bilden Hydrothermalquellen, an denen eine Vielzahl von Mikroorganismen vom Abbau der Kohlenwasserstoffe lebt. Um das Sediment untersuchen zu können, holten die Forscher Sedimentkerne mit dem bemannten Tauchboot Alvin aus über 2000 m Tiefe herauf.

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Beachtlich schnelle Vermehrung

"Im Labor konnten wir dann nachweisen, dass die Anaerobe Oxidation von Methan von einem besonderen mikrobiellen Konsortium betrieben wird, das bei 50 °C optimal arbeitet", sagt Holler. Sogar bis 70 °C ist die mikrobielle Gemeinschaft noch in der Lage, Methan zu verarbeiten. "Aus der Abbaugeschwindigkeit von Methan (AOM-Rate) konnten wir eine Verdopplungszeit der AOM-Organismen von 68 Tagen bei 50 °C berechnen." Das sei für die extremen Bedingungen in der Tiefsee, wo sehr langsame Verdopplungszeiten von bis zu mehreren hundert Jahren vorkommen können, beachtlich schnell, ergänzt Hollers Kollege Gunter Wegener.

Die jetzt im Guaymas-Becken entdeckte AOM-Gemeinschaft besteht aus einer neuartigen Gruppe von Methan-oxidierenden Archaeen sowie Sulfat-reduzierenden Bakterien. Die beiden Partner bilden Klumpen von bis zu mehreren hundert Zellen. Das besondere bei den Guaymas-Konsortien ist, dass manche auch in einer gemeinsamen, kettenförmigen Hülle zusammenleben. Das wurde bisher noch nie beobachtet. Die Wissenschaftler haben damit gezeigt, dass die Anaerobe Oxidation von Methan nicht auf kalte und gemäßigte marine Sedimente beschränkt ist. "Für uns bleibt interessant herauszufinden, welchen Beitrag diese Konsortien zum globalen Methanabbau liefern und welche Rolle sie für die geologische Gesteinsbildung, beispielsweise die Umbildung von Anhydrit (CaSO4) zu Calcit (CaCO3) spielen", sagt Holler. "Damit könnten wir ihre Funktion im globalen Kohlenstoffkreislauf genauer beschreiben."

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