Synthetische Biologie und Leben: Ethikrat lädt zur Diskussion

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In der synthetischen Biologie wird mit genetischen Bausteinen Neues geschaffen. Quelle: National Human Genome Research Institute

25.02.2010  - 

Die synthetische Biologie schafft es immer wieder in die Schlagzeilen: Während die einen darin eine ganz normale Weiterentwicklung der Biotechnologie sehen, reden andere von der göttlichen Schöpfung im  Labor. Der Deutsche Ethikrat hat das Thema nun in einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung in Berlin debattiert. Der Publikumsandrang war enorm: Weil nicht mehr als 320 Menschen in den Leibniz-Saal der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften passten, musste noch ein Nebenraum genutzt werden.

Unter dem Dach der jungen Forschungsdisziplin der Synthetischen Biologie versammeln sich  inzwischen eine ganze Reihe unterschiedlicher Ansätze. Prinzipiell geht es darum, genetische Bausteine nach ingenieurswissenschaftlichen Prinzipien zu handhaben – also mit ihnen gezielt bestimmte künstliche Biomoleküle, Zellen oder Mikroorganismen zu konstruieren, die es in der Natur so nicht gibt.

Dabei bestehen prinzipiell zwei Herangehensweisen: Auf der einen Seite gibt es Forscher, die mit  bestehenden Lebensformen wie Mikroorganismen arbeiten, diese auf wesentliche Bestandteile reduzieren, um sie dann mit neuen Funktionen auszustatten. Auf der anderen Seite gibt es Forschungsansätze, im Labor aus lebloser Materie künstliche Lebensformen mit völlig neuen Eigenschaften zu schaffen. Die Entwicklung in der noch jungen Forschungsdisziplin steht erst am Anfang, doch sie schreitet voran: Im Jahr 2008 ist es zum Beispiel US-Genomforschungspionier Craig Venter gelungen, ein komplettes Genom im Labor nachzubauen (mehr...). Erst kürzlich haben es wiederum britische Forschern geschafft, eine Designer-Eiweißfabrik zu konstruieren, mit der sich ganz neuartige Proteine herstellen lassen (mehr...).

Eingriff in die Baupläne des Lebens

Während die Synthetische Biologie für viele Wissenschaftler als konsequente Weiterentwicklung von Bio- und Gentechnologie erscheint, sehen Ethiker die Entwicklungen kritisch. Überschreitet der Mensch mit seinen Eingriffen in die grundlegenden Baupläne des Lebens ethische Grenzen? Spielen wir Gott? Was ist Leben und wie gehen wir damit um? All diese Fragen standen im Mittelpunkt einer Diskussionsveranstaltung, die am 24. Februar vom Deutschen Ethikrat in Berlin veranstaltet wurde und mit mehr als 300 Besuchern enormen Publikumszuspruch erfuhr.

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Ausgehend von der im vergangenen Jahr veröffentlichten Stellungnahme deutscher Wissenschafts-Organisationen zum Thema Synthetische Biologie (mehr...) gab Bärbel Friedrich, Professorin für Mikrobiologie an der Humboldt-Universität Berlin, zunächst eine kurze Einführung aus naturwissenschaftlicher Sicht. "Während die ersten Sequenzierung des menschlichen Genoms noch mehr als ein Jahrzehnt beantsprucht hat, dauert es heute nur noch zehn Stunden", verdeutlichte die Forscherin die rasante Revolution der Genomentschlüsselung. Parallel dazu sei auch die Herstellung von künstlichen Erbgutmolekülen immer weiter vorangeschritten, so dass diese für verschiedeneste Zwecke im Labor genutzt werden können. Inzwischen, so Friedrich, gebe es zudem auch erste Anwendungen der synthetischen Biologie. Sie stellte u.a. das Beispiel des Malariamedikaments Artesiminin vor. Hier ist es Bioingenieuren in den USA  gelungen, eine Vorstufe dieses Wirkstoffs mithilfe von gentechnisch veränderten Hefen herzustellen. Dazu musste ein ziemlich komplexer Stoffwechselweg von 13 Produktionsschritten mit gentechnischen Verfahren in die Mikrobe integriert werden.

Mit Sonnenlicht und Wasser Biotreibstoff gewinnen

Noch etwas weiter in der Zukunft liegt ein Forschungsansatz, den Friedrich selbst verfolgt. "Wir arbeiten an der biosolaren Wasserstoff-Produktion mithilfe von Designerzellen", erläuterte die Wissenschaftlerin. Aus ihrer Sicht würde damit eine alternative Kraftstoffquelle erschlossen, die sich weder auf fossilen Rohstoffen noch auf die Verwertung von Nutzpflanzen stützt, sondern auf Sonnenlicht und Wasser als Ressourcen setzt. Noch sei allerdings offen, ob sich der Weg auch unter ökonomischen Aspekten als sinnvoll erweise. Hinsichtlich der biologischen Sicherheit sah Friedrich in der synthetischen Biologie keine größeren Risiken, als sie bei gentechnologischen Arbeiten bisher schon bestehen. "Hier besteht kein Bedarf für neue gesetzliche Regelungen", sagte sie. Die synthetische Biologie sei schließlich nichts grundsätzlich Neues, sondern eine Weiterentwicklung bestehender Verfahren der Bio- und Gentechnologie. Lediglich was die Einordnung von komplett künstlichen Zellen (Protozellen) betrifft, müsste es aus ihrer Sicht Ergänzungen im bestehenden Gentechnikgesetz geben. 

Stellungnahme Synthetische Biologie
Auf 40 Seiten schildern die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften acatech und die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina die Herausforderungen, vor denen die Synthetische Biologie steht. Die Präsidenten der drei Organisationen haben zudem separate Kommentare verfasst, in denen sie einzelne Punkte des Papiers herausgreifen.

Pressemeldung der DFG: hier klicken
Stellungnahme: PDF als Download

Ähnlich wie Friedrich ordnete auch Ethikratsmitglied Volker Gerhardt, Professor für Philosopie an der Humboldt-Universität, die neue Forschungsdisziplin als nicht fundamental neuen Schritt in der Wissenschaft ein. "Die Naturwissenschaften untersuchen die Natur schon seit jeher in einem kausal-analytischen Prozess. Letztlich folgt die Biologie jetzt nur anderen Disziplinen wie Physik oder Chemie und wendet dieses Prinzip auf das Lebende an", sagte er. Aus der Sicht des Philosophen bestehe die größte Gefahr nun lediglich darin, dass kausal-analytische Herangehensweisen an das Leben die Illusion der Freiheit des Menschen in Abrede stellen. Andreas Brenner vom philosophischen Seminar der Universität Basel zeigte sich kritischer gegenüber der synthetischen Biologie: "Wenn das Leben auf Legoklötzchen reduziert wird, dann brauchen wir eine kulturelle Debatte, weil uns Verantwortung entzogen wird." Denn die Forschung entwickle sich in eine Richtung, "in der Leben beginnt, gemacht zu werden". Damit sei die Menschenwürde der Natur abhängig von Machern, so Brenner.

Deutscher Ethikrat

Der Deutsche Ethikrat besteht aus 26 Mitgliedern, die naturwissenschaftliche, medizinische, theologische, philosophische, ethische, soziale, ökonomische und rechtliche Belange in besonderer Weise repräsentieren.

Mehr Infos: www.ethikrat.org

"Als Mikrobiologin töte ich millionenfach"

Peter Dabrock, Professor für Theologie an der Universität Marburg, und Ethikratsmitglied Eberhard Schockenhoff, Professor für Theologie an der Universität Freiburg, wiederum betonten, dass die Anwendung der Metapher "Wir spielen Gott" im Zusammenhang mit der synthetischen Biologie weder sinnvoll noch angemessen sei. Schließlich würde eine Schöpfung aus theologischer Sicht aus dem "Nichts" passieren, während die Wissenschaftler hier mit Bestehendem arbeiten. Dennoch sahen die beiden ethisches Disskussionspotenzial. "Hier wird eine Art technisches Leben geschaffen, das wir nicht wirklich als Lebendiges bezeichnen", so Schockenhoff. Dies müsse in Beziehung zum Umgang mit höheren Lebensformen gesetzt werden. Ähnlich argumentierte Dabrock, der darauf verwies, dass die Grenze zwischen Leben und Nicht-Leben mit der synthetischen Biologie prekärer würde, und man zwischen diesen beiden Kategorien künftig nicht mehr so klar unterscheiden könne. Dennoch rief der Ethiker zur Entdramatisierung des Themas auf: "Wenn wir hören, da wird etwas synthetisiert, dann sagen alle: das ist aber unheimlich. Und dann wird auf die Schöpfungsmethapher verwiesen. Dabei wäre es sinnvoller, sich der neuen Verantwortung zu stellen." Forscherin Friedrich mahnte denn auch einen gewissen Pragmatismus in der Debatte an. "Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass wir hier über Mikroorganismen sprechen. Als Mikrobiologin töte ich täglich millionenfach."

Die Ethiker warnten die Forscher jedoch davor, zu große Versprechungen zu machen, was die Potenziale der neuen Disziplin angehe. "Die gesellschaftliche Nützlichkeit darf nicht in zu grellen Farben gemalt werden", sagte Schockenhoff. Die Wissenschaft könne zwar helfen, Lösungen für gesellschaftliche Probleme zu finden, doch sie enthebe niemanden, verantwortlich zu handeln. "Wir brauchen ein Augenmaß dafür, was wirklich möglich ist", betonte er. Ähnlich argumentierte Dabrock: "Was in zwanzig, dreißig Jahren ist, vermag niemand zu sagen. Realistischer wären Szenarien, die für die nächsten fünf Jahre eine Einschätzung liefern."

Am Ende der zweistündigen Veranstaltung herrschte Zufriedenheit beim Ethrikrat. "Das, was die Veranstaltung dieser Reihe Forum Bioethik will, nämlich Diskussion anregen und Öffentlichkeit interessieren, das hat die Veranstaltung gut geschafft", bilanzierte Edzard Schmitz-Jortzig, Vorsitzender des Deutschen Ethikrates, nach der Veranstaltung. Er könne sich zudem gut vorstellen, den ethischen Diskurs in größerem Rahmen weiterzuführen - gemeinsam mit allen Beteiligten, die sich im Feld der synthetischen Biologie bewegen.

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