Biotech-Medikamente effizienter aufreinigen
15.02.2010 -
Antikörper sind die körpereigene Abwehrtruppe des Menschen. Sie sind Eiweiße, die zwischen gefährlichen und ungefährlichen Fremdsubstanzen unterscheiden können und dabei ganz gezielt an Moleküle binden. Aus diesem Grund werden sie inzwischen sehr häufig als Medikamente eingesetzt. Die Herstellung dieser großen Eiweißmoleküle erfolgt in gentechnisch veränderten Bakterien oder Säugetierzellen. Um sie später Patienten verabreichen zu können, müssen sie allerdings aus einer Brühe herausgefiltert werden. Angesichts immer höherer Ausbeuten und besserer Herstellungsverfahren sind hier effizientere Technologien gefragt. Ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderter Verbund will nun die Proteinkristallisation als Aufreinigungstechnik für die Industrie etablieren.
Bei der Herstellung von biotechnologischen Arzneimitteln unterscheiden Experten zwischen dem Up-Stream und dem Down-Stream. Beide Prozesse sind für die Qualität des Produktes entscheidend: Beim Up-Stream kommt es darauf an, ein biologisches Produktionssystem wie Mikroorganismen oder Säugetierzellen mithilfe gentechnischer Methoden so maßzuschneidern, dass am Ende die gewünschten Eiweiße hergestellt werden – inklusive aller für die therapeutische Wirksamkeit erforderlichen Eigenschaften. Dieser Prozess muss zudem so gestaltet sein, dass er im industriellen Maßstab in Fermentern erfolgen kann, die üblicherweise ein Fassungsvermögen von 500 bis mehreren tausend Litern aufweisen.
Institut für pharmazeutische Biotechnologie |
In den verschiedenen Laboren des 2007 gegründeten Instituts wird der komplette biopharmazeutische Herstellungsprozess abgebildet, von der Etablierung von Zelllinien zur Fermentation, Proteinaufreinigung und Proteinanalytik. mehr Informationen: hier klicken |
Medikamente aus der Brühe filtern
Im Down-Stream-Prozess wiederum müssen die Wirkstoffe so aufgereinigt werden, dass sie für einen therapeutischen Einsatz in Frage kommen: Schließlich entsteht durch die Mikroorganismen oder Säugetierzellen zunächst eine Art Brühe, in der neben den gewünschten Substanzen auch eine Vielzahl anderer Beiprodukte zu finden sind. Mittels mechanischer und thermischer Techniken wie Zentrifugation und Kristallation muss hierbei eine möglichst schnelle und saubere Aufreinigung erfolgen.
Angesichts der Effizienzsteigerung im Up-Streaming – also einer deutlichen Erhöhung der in den Fermentern gewonnenen Wirkstoff-Ausbeuten – tritt inzwischen bei der Aufreinigung immer deutlicher ein Engpass zutage. So sind die Ausbeuten von anfangs 0,1 Gramm pro Liter inzwischen auf gut 6 Gramm pro Liter gestiegen. Gleichzeitig sehen diesen besseren Ausbeuten Verluste der Zielproteine bei der Aufreinigung gegenüber.
Nicht zuletzt aufgrund dieser Herausforderungen hatte das BMBF 2007 eine neue Förderinitiative gestartet, um die Entwicklung neuer Aufreinigungstechniken in Deutschland voranzutreiben (mehr...). Im Rahmen dieser Initiative haben sich die Fachhochschule Biberach, der Pharmakonzern Boehringer Ingelheim, das Biotech-Unternehmen Rentschler und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zu einem Konsortium zusammengefunden, das mit insgesamt 3,2 Millionen Euro gefördert wird. Koordiniert wird das Projekt von der Fakultät für Pharmazeutische Biotechnologie der Hochschule Biberach, die damit zum ersten Mal die Federführung eines solchen Konsortiums übernimmt. "Damit ist der Grundstein für ein interdisziplinäres Netzwerk von Firmen, Proteinchemikern und Verfahrenstechnikern gelegt", so Hans Kiefer, Professor für Proteinbiochemie und biotechnologische Aufarbeitung. Langfristig wollen die Biberacher ein Kompetenzzentrum für die biotechnologische Aufarbeitung von Proteinen aufbauen. Mit dem Forschungsprojekt käme man diesem Ziel einen großen Schritt näher, so Kiefer. Darüber hinaus sehen die Forscher das Projekt auch als wichtiges Signal für den Master-Studiengang "Pharmazeutische Biotechnologie" an ihrer Hochschule, der zum Sommersemester 2010 in Kooperation mit der Universität Ulm startet.
Flexibel auf veränderte Bedingungen einstellen
Auch die Industrie soll von den Ergebnissen möglichst bald profitieren. Denn bisherige Aufreinigungsverfahren sind zwar verlässlich, aber wenig flexibel, dadurch entwicklungsintensiv und teuer. Die Industrie sieht sich in der Realität mit ständig wechselnden Anforderungen an die Produktion konfrontiert. Ob Nachfrage, Reinheitsgrad oder Kontaminationsfreiheit: Wer schnell auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden reagieren kann, gewinnt den Auftrag.
Deshalb sucht der Verbund nun nach Verfahrensschritten, die kontinuierlich durchführbar sind, Variationen in den Prozessparametern ohne Mucken überstehen, den behördlichen Vorschriften für die biopharmazeutische Produktherstellung entsprechen (Good Manufacturing Practice) und darüber hinaus auch noch preiswert umgesetzt werden können.
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In interdisziplinärer Zusammenarbeit wollen Biologen, Biochemiker, Chemiker und Verfahrenstechniker herausfinden, wie die technische Eiweißkristallisation als neuartiges Trennverfahren für Biopharmaka, insbesondere Antikörper, eingesetzt werden kann. Unter ganz bestimmten Bedingungen gruppieren sich Eiweiße nämlich in Kristallen. Das wird zu strukturbiologischen Untersuchungen von Eiweißen schon eingesetzt, in der Industrie allerdings noch nicht. Eiweiße im kristallinen Zustand sind in einer sehr regelmäßigen Struktur geordnet, so dass Verunreinigungen weitgehend aus dem Kristall ausgeschlossen werden. Daher enthalten diese Kristalle kaum Fremdsubstanzen, was sie in der Regel stabiler macht, als sie es in einer Lösung sind. Diesen Effekt wollen die Forscher nun erstmals für die Aufreinigung von Biotech-Medikamenten nutzen. So ließe sich beispielsweise die bisher genutzte Affinitätschromatographie ersetzen, die zwar auch gut funktioniert, aber teurer ist und deutlich länger dauert.
Die Forscher stehen nun allerdings vor einer großen Herausforderung: Während in der Strukturbiologie die Proteinkristallisation aus hochreinen Eiweißlösungen erfolgt, muss die Technik auch mit der "schmutzigen" Brühe funktionieren, wie sie in der Biotech-Produktion vorkommt. Schritt für Schritt wollen die Verbundpartner nun die optimalen Bedingungen für eine derartige Kristallisation herausfinden und akribisch festhalten, damit das Verfahren später in der Produktion zuverlässig wiederholt werden kann. Die industrielle Verwendung wird von den Wissenschaftlern dabei immer gleich mitgedacht. So soll die Methode auch gleich vom Labormaßstab in die Größenordnungen der tatsächlichen Massenproduktion übertragen werden. In spätestens drei Jahren wollen die Projektpartner ihr Ziel erreicht haben.