Patrick Cramer: In den molekularen Tiefen des Zellkerns

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Patrick Cramer, Direktor am Genzentrum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München. Quelle: Thorsten Naeser

14.02.2006  - 

Als ihm seine Eltern einst einen Chemiebaukasten zum Geburtstag schenkten, haben sie wohl nicht geahnt, was das auslöst. Vor zwei Jahren ist Patrick Cramer Direktor am Genzentrum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München geworden. Dort begibt sich der 37-Jährige regelmäßig in die molekularen Tiefen des Zellkerns, um den Abläufen der Eiweißherstellung auf die Spur zu kommen.

Schon zu Beginn seines Chemie-Studiums an der Universität Stuttgart wusste Patrick Cramer, dass es ihn einmal mehr in Richtung Biologie ziehen würde. „Ich fand belebte Materie einfach komplexer und die Idee faszinierend, mit Hilfe von chemischen Strukturen das Leben in der Zelle zu beschreiben“, erinnert sich Cramer. Aus diesem Grund kehrte der gebürtige Stuttgarter zum Hauptstudium seiner Heimatstadt den Rücken und wechselte an die eher biochemisch orientierte Universität nach Heidelberg.

Eines der größten Enzyme im Zellkern fest im Blick

Kurz vor seiner Diplomarbeit, bei einem Forschungsaufenthalt an der Cambridge University in England, gelangte er letztlich in ein strukturbiologisches Umfeld und während seiner Doktorarbeit am Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) in Grenoble war es endgültig um ihn geschehen. Chemiker Cramer schaut seither mit strukturierenden Augen auf biologische Vorgänge und als Postdoc an der Stanford University in den USA trat das Enzym RNA-Polymerase II in sein Forscherleben. Diese biologische Nanomaschine ist ein Riesenkomplex aus mehreren Eiweiß-Untereinheiten, ohne die die lebenswichtige Herstellung von Eiweißen in der Zelle gar nicht möglich wäre.

Das Enzym sorgt während der Transkription – dem ersten Schritt der Eiweißherstellung – dafür, dass die im Zellkern auf den Genen gespeicherte Erbinformation abgelesen wird. Dazu lagert sich das Enzym an die Startsequenz eines DNA-Abschnitts an, dröselt den DNA-Doppelstrang mithilfe anderer Faktoren auf und produziert einen Strang aus Ribonukleinsäure (RNA). Dieses Produkt dient als Zwischenspeicher, auf dem die Bauanleitung für die Eiweiße vom Zellkern bis zum tatsächlichen Herstellungsort der Eiweiße der Zelle transportiert werden kann. Ob diese Vorgänge tatsächlich so ablaufen, ist allerdings noch unklar. „Je mehr wir die Strukturen des Enzyms erkennen und die Faktoren identifzieren, die ebenfalls eine Rolle spielen, umso unübersichtlicher werden diese Prozesse“, gesteht Cramer. Seine Aufgabe ist es, dieser Komplexität Struktur zu verleihen.

Viel Erfolg in jungen Jahren

Im Jahr 2000 gelang es Cramer als Stanford-Postdoc in mühevoller Kleinstarbeit die dreidimensionale Struktur des Kernbereichs der RNA-Polymerase II zu bestimmen – seitdem dienen seine Arbeiten auf diesem Gebiet als richtungsweisend. Mit nur 32 Jahren sicherte sich der erfolgreiche Nachwuchsforscher eine Tenure-Track-Professur für Biochemie am Münchener Genzentrum der LMU, drei Jahre später wurde er Direktor der Einrichtung. Das Enzym RNA-Polymerase II blieb sein treuer Begleiter. Und inzwischen weiß Cramer ganz genau, wie es sich zusammensetzt: Gemeinsam mit seinen Kollegen am Genzentrum konnte er die ingesamt zwölf Untereinheiten kristallisieren und das Enzym durch Röntgenanalyse komplett strukturell aufklären.

Für all diese Arbeiten brauchte Cramer vor allem zweierlei: Hartnäckigkeit und Begeisterung für die Sache. „Ohne diese beiden Eigenschaften wäre ich nicht da, wo ich heute bin“, unterstreicht Cramer, dessen Forscherkarriere bereits mit zahlreichen Stipendien und Preisen belohnt wurde. Die letzte Auszeichnung ereilte ihn vor noch gar nicht so langer Zeit. Anfang Februar 2006 wurde Cramer der Leibnizpreis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) überreicht. Mit dem Preisgeld in Höhe von 1,55 Millionen Euro will der Strukturbiologe noch tiefer in die komplexen Transkriptionsabläufe vordringen. „Wir wollen unter anderem herausbekommen, woher das Enzym weiß, wo es mit der Arbeit anfangen soll“, erklärt Cramer.

Vorbild Großbritannien: Die Hierarchien flach halten

Mit seinen Arbeitskollegen am Genzentrum pflegt Cramer einen lockeren Umgang. „Die Atmosphäre muss stimmen, sonst klappt die beste Forschung nicht“, sagt er. Dafür will der Direktor vor allem die Hierarchien so flach wie möglich halten. So, wie er es selbst als Student in Großbritannien erfahren hat. „Anders als es in Deutschland oft der Fall ist, wird dort jeder als wertvoller wissenschaftlicher Mitarbeiter angesehen“, lobt Cramer und nimmt sich selbst daran ein Vorbild. Gleichzeitig stehen bei ihm Diszplin und Diskussionskultur hoch im Kurs: „Man muss sich und seine Projekte ständig hinterfragen, ob sie die Mühe, die Zeit und das Geld wirklich wert sind.“

Bei all diesen Verpflichtungen versucht der zweifache Familienvater stets, auch das Leben außerhalb der Wissenschaft zu genießen. „Höchstens an einem Wochenende im Monat wird gearbeitet“, betont er. Lediglich das eigene Gitarre spielen ist auf der Strecke geblieben. „Als Student hatte ich kein Geld für den Unterricht, jetzt reicht die Zeit nicht dafür“, entschuldigt er sich. Doch noch hat Cramer die Musik nicht ganz aufgegeben: „Es reizt mich immer noch und irgendwann kommt der Moment.“

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Ludwig-Maximilians-Universität München

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat jetzt die Leibniz-Preisträger für das Jahr 2006 bekannt gegeben. Eine Wissenschaftlerin und zehn Wissenschaftler erhalten mit der Auszeichnung eine Fördersumme von jeweils bis zu 1,55 Millionen Euro. Diese Mittel können in einem Zeitraum von bis zu fünf Jahren flexibel für Forschungsprojekte eingesetzt werden. Die feierliche Preisverleihung findet am 8. Februar 2006 in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Berlin statt. Zu den Preisträgern zählen auch vier Forscher mit biotechnologischem Hintergrund.

Höchstdotierter deutscher Forschungspreis vergeben

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