Kerstin Kaufmann: Molekulare Dirigenten in der Blüte
05.09.2013 -
Für die Vielfalt und Pracht von Blüten konnte sich Gartenliebhaberin Kerstin Kaufmann schon als Kind begeistern. Heute will sie auf molekularer Ebene verstehen, wie die Pflanzenwelt diese große Bandbreite an Formen und Funktionen in ihren Blütenorganen hervorgebracht hat. An der Universität Potsdam untersucht die 36-Jährige dazu das komplexe Zusammenspiel und das Hierarchie-Gefüge von Proteinen und Genen in der Blütenentwicklung. Für ihre bisherigen Arbeiten wurde Kaufmann 2012 mit dem Sofja Kovalesvskaja-Preis ausgezeichnet. Mit der Prämie von 1,6 Millionen Euro baut die Pflanzenforscherin eine eigene Arbeitsgruppe auf. Besonders abgesehen hat es die Biologin, die zuvor sieben Jahre in den Niederlanden forschte, auf sogenannte Transkriptionsfaktoren. Sie gelten als zentrale Dirigenten der molekularen Symphonie, die sich abspielt, wenn eine Blüte entsteht.
Kerstin Kaufmann liebte schon als Kind den großen Garten ihres Elternhauses in der Altmark in Sachsen-Anhalt. Nicht nur für die lebendige Pflanzenpracht hat sie einen Faible entwickelt. Auch für alte botanischen Atlanten und Naturkunde-Bücher kann sie sich begeistern. „Es ist die Vielfalt der Blütenfarben und -formen, die mich fasziniert“, sagt Kaufmann. Doch eine Blüte ist nicht nur äußerlich betrachtet ein Meisterwerk. Sie ist das Ergebnis eines komplexen Entwicklungsvorgangs, in der Hunderte Gene und Proteine räumlich und zeitlich fein aufeinander abgestimmt in Aktion treten. Wie bei einem Orchester gibt es auch bei der Blütenentwicklung dabei einige Akteure, die den Einsatz geben. Zu den wichtigsten „molekularen“ Dirigenten in der Blüte gehören sogenannte Transkriptionsfaktoren. Es sind Proteine, die an die DNA andocken und dort andere Gene gezielt an- und abschalten.
Vielschichtiges Konzert mit Hunderten von Faktoren
Wie funktioniert das molekulare Zusammenspiel in der Blütenentwicklung? Gibt es bestimmte Meister-Regulatoren in der Welt der Pflanzen? Diese Fragen haben Kerstin Kaufmann nicht mehr losgelassen, seit sie als Braunschweiger Biologiestudentin bei einem einjährigen Aufenthalt 1999 im schwedischen Uppsala mehr über die Evolution der Blütenentwicklung erfahren hatte. „Ich fand das extrem spannend und habe dann zurück in Deutschland nach Forschern gesucht, die sich hierauf spezialisiert hatten“, erzählt sie. Am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln wurde sie in dem Pflanzengenetiker Günter Theißen fündig, der kurz darauf an die Universität Jena wechselte. Mit im Gefolge: Kerstin Kaufmann, die sich sowohl in Diplom- wie auch in der Doktorarbeit damals schon mit Schlüsselregulatoren der Blütenentwicklung, den sogenannten MADS-Box-Faktoren beschäftigte.
Jeder Zelltyp hat eigenes regulatorisches Profil
Das Lieblingsstudienobjekt der Biologin ist die Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana. Die kleinen, weißen Blüten der mit Raps verwandten Pflanze können optisch zwar nicht mit prächtigen Orchideen oder Löwenmäulchen mithalten. Dafür sind die Pflänzchen ideal für genetische Experimente geeignet. In keiner anderen Pflanze sind deshalb die Schlüsselfaktoren für die Blütenentwicklung so detailliert beschrieben wie bei Arabidopsis. „Wie das Zusammenspiel der Hauptschalter auf molekularer Ebene funktioniert, darüber wissen wir jedoch kaum etwas“, betont Kaufmann. Mit einem Arsenal an neuesten molekularbiologischen Methoden will die Forscherin in Potsdam deshalb klären, wie genau Transkriptionsfaktoren an bestimmte Erbgut-Abschnitte binden und welche Gene sie an- oder ausknipsen. Bei dieser Detektivarbeit kommt Hightech zum Einsatz: Sequenziertechniken der neuesten Generation, Proteomanalysen und Chromatin-Experimente. „Ohne einen Blick auf die Epigenetik kann man das molekulare Geschehen nicht verstehen“, betont Kaufmann. Ihre Vision: „Wir versuchen, für jeden Zelltyp in der Blütenentwicklung eine regulatorische Signatur zu ermitteln“, so die Biologin.
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Einem Meister-Regulator auf der Spur
Einem Master-Regulator namens AP1 ist Kaufmann bereits während ihrer Postdoc-Zeit ab 2005 an der Universität Wageningen in den Niederlanden auf die Spur gekommen, was ihr einen Artikel im Fachjournal Science (2010, Bd. 328, S.85) einbrachte. Marie-Curie-Stipendiatin Kaufmann hat sich dabei in der Universitätsstadt Wageningen äußerst wohl gefühlt. „Die direkte und offene Art der niederländischen Kollegen, aber auch den gebotenen Freiraum zum Forschen habe ich sehr geschätzt“, so die Entwicklungsbiologin. Seit 2011 baute sie eine eigene Arbeitsgruppe in Wageningen auf, wurde Assistant Professor, eine Tenure Track-Option bot die Aussicht auf eine langfristige Stelle. „Doch ich war neugierig auf was Neues“, erzählt Kaufmann. Es eröffnete sich die Möglichkeit, wieder nach Deutschland zurückzukehren: mit einer Bewerbung um den Sofja Kovalesvskaja-Preis der Alexander von Humboldt-Stiftung. Und im Sommer 2012 gab es Post: Kaufmann bekam den Zuschlag für den drittgrößten in Deutschland vergebenen Forscherpreis: Als Gastforscherin bei Bernd Müller-Röber am Institut für Biochemie und Biologie der Universität Potsdam kann sie nun in den nächsten fünf Jahren nach weiteren Schlüsselregulatoren der Blütenentwicklung fahnden. „Hier in Potsdam gibt es für Pflanzenforscher eine Super-Infrastruktur“, sagt Kaufmann.
Mit in die deutsche Hauptstadtregion ist auch ihr Mann gekommen, ein gebürtiger Spanier, den die Biologin „auf Arbeit“ kennengelernt hat. Er arbeitet nun als Bioinformatiker am Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik in Berlin. In der gemeinsamen Berliner Wohnung, in der sie noch bis vor kurzem lebten, fehlte ein entscheidendes Detail. Doch das hat sich glücklicherweise geändert: Im August ist Kerstin Kaufmann mit ihrem Mann nach Potsdam umgezogen: „Endlich haben wir auch einen kleinen Garten.“
Autor: Philipp Graf