Die Evolution des guten Tons

Tübinger Evolutionsbiologen lassen Darwins Evolution in einem Computerspiel und einem Musikvideo rocken. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Tübinger Evolutionsbiologen lassen Darwins Evolution in einem Computerspiel und einem Musikvideo rocken. Quelle: Universität Tübingen

09.04.2009  - 

Vor zweihundert Jahren wurde Charles Darwin geboren. Seine Ideen "Über die Entstehung der Arten" begründeten die Lehre von der Evolution. Die Frage, wie Jugendlichen heutzutage die Prinzipien von Vererbung, Mutation und genetischer Selektion zeitgemäß erklärt werden können, beantworten Tübinger Biologen nun mit einem Computerspiel. In ihm wird jeder zum evolutionären Komponisten. Es gilt, eine Urmelodie über die Generationen hinweg zu einem Musikstück werden zu lassen. Ein professionell produziertes Musikvideo haben die Tübinger zu ihrem Geburtstagspaket gleich noch mit drauf gelegt.




Charles Robert Darwin wurde am 12. Februar 1809 in Shrewsbury in Mittelengland geboren. In diesem 200. Jahr seines Geburtstags ist der berühmteste Biologe der Welt schon vielfach geehrt worden. Meist auf traditionelle Weise, mit einer Flut an Büchern zur Evolutionstheorie, Biografien, Artikeln und Sondersendungen. Einige Ehrbezeugungen fallen allerdings auch etwas origineller aus. "Darwin rocks!", das Computerspiel von Tübinger Evolutionsbiologen, gehören sicherlich zur zweiten Kategorie.
Die Biologen um Nico Michiels vom Lehrstuhl der Evolutionsökologie der Tiere wollten Jugendlichen, aber auch Erwachsenen die Prinzipien von Mutation und Selektion erklären. Dass das auch ohne viel Theorie möglich sit, beweisen Sie mit einem Spiel, in dem jeder zum evolutionären Komponisten wird.

Aus einem Urmusikschnipsel entsteht im Laufe der Evolution ein ganzer musikalischer Stammbaum.Lightbox-Link
Quelle: Universität Tübingen

Aus einem Urmusikschnipsel entsteht im Computerspiel "Darwin rocks!" im Laufe der Evolution ein ganzer musikalischer Stammbaum. Das Computerspiel gibt es kostenlos auf der "Darwin rocks!-Internetseite.

www.darwinrocks.de

Population an Musikstücken wächst und gedeiht
Die treibende Kraft der Evolution ist die Vermehrung. Immer wieder geschehen dabei kleine Fehler, auch Mutationen genannt. Nicht zuletzt durch sie unterscheidet sich jeder vom anderen. Dieses Prinzip greift das Programm auf. Der Spieler startet mit einer kleinen Anzahl an Tonschnipseln, einer Population an Musikstücken: Diese stellen so etwas wie die musikalische Ursuppe dar. Er hört sich die Stücke an und bewertet sie, nimmt dabei also die Rolle der Umwelt ein.
Während es bei Lebewesen Fressfeinde oder die Temperatur sind, die über das Überleben Einzelner entscheiden, ist es hier der Hörer. Was ihm gefällt, darf sich weiter vermehren, was ihm nicht gefällt, hat ein erhöhtes Risiko auszusterben. In der nächsten Generation erscheinen dann die Nachfahren der Musikstücke, alle durch kleine Mutationen verändert. Durch Verpaarung und Vermischung zweier Tonschnipsel entstehen zudem ganz neue Stücke.

Mehr auf biotechnologie.de

News: Nicht verwandt und trotzdem gleich

News: Aufgedeckt: Zebrafinken mit speziellem Gendefekt lernen schlechter singen

Naturkatastrophen löschen ganze Melodielinien aus
In jeder Generation bewertet der Spieler die entstandenen Melodien neu - und kann dabei auch die Mutationsrate ändern oder durch eine Naturkatastrophe zufällig sehr viele Stücke aussterben lassen. Hat ein Stück ein bestimmtes Instrument evolutionär hervorgebracht, hat es die Chance, sich durch eine gute Bewertung schnell in der Population durchzusetzen. So entsteht aus dem Chaos manchmal sprunghaft, aber meist recht langsam und über viele Generationen hinweg ein Musikstück.
Dabei ist jedes Stück so individuell wie der persönliche Fingerabdruck. Denn die Mutationen geschehen zufällig, und jeder wählt nach dem eigenen Geschmack aus, wie es weitergehen soll. Das Programm bietet dem Nutzer die Möglichkeit, viele Regeln und Prinzipien der Evolution spielerisch zu erfahren. Kleine Hilfefelder erläutern die Funktionen und deren biologische Verknüpfung.
Die entstandenen Musikstücke stehen als Klingeltöne zum Download bereit und können personalisiert auf das Handy geladen werden. So hat man anschließend immer "ein bisschen Evolution" dabei. Das Computerspiel kann auf der Internetseite von "Darwin rocks!" online gespielt oder auf den eigenen Rechner heruntergeladen werden (mehr...).
Hinter dem Vorhaben steht ein Team von rund zwanzig Studierenden, Doktoranden und Wissenschaftlern um Nico Michiels und Johannes Faber. Die Entwicklung des Programms erfolgte in enger Zusammenarbeit mit Daniel Huson von der Bioinformatik der Universität Tübingen, an der musikalischen Umsetzung wirken Studierende der Fachhochschule Heidelberg und der Hochschule für Fernsehen und Film München mit. Die VolkswagenStiftung förderte die Idee im Rahmen des Wettbewerbs "Evolution heute" mit 100.000 Euro. Es gibt elf weitere Projekte, die gefördert wurden (mehr...).

In dem Musikvideo treten zwei Fußballmannschaften mit unterschiedlicher Strategie zum Speil um die Evolution an.Quelle: Universität Tübingen / youtube.de
Im Musikvideo geht es ums "Überlieben"
Zusätzlich zu dem Computerspiel entwickelten die Tübinger Biologen auch ein Musikvideo. Aus Melodien, die in dem Computerspiel entstanden sind, machten Musiker in einem professionellen Tonstudio ein Popstück. Ein dazu produziertes Video greift das Hauptthema der Evolution wieder auf: die Liebe - oder genauer: die Vermehrung. "Die natürliche Selektion dreht sich nämlich nicht direkt um den Kampf ums Überleben, sondern es ist die Fortpflanzung, die Sexualität - kurz: die Liebe, die zählt", fasst Evolutionsbiologe Michiels zusammen. Wer für viele Nachkommen gesorgt hat, ist letztlich der Gewinner. Selbst dann, wenn er nicht so lange lebt. Deshalb lautet der Arbeitstitel des Songs "Überlieben".
Welche Strategie ist also in der Evolution erfolgreich - Kampf und Aggression oder Liebe und Fortpflanzung? Um das zu testen, unternehmen die Wissenschaftler in dem Clip einen spektakulären Versuch. In einer Petrischale, in der normalerweise Bakterien und kleine Würmer gezüchtet werden, schaffen sie eine äußerst ungewöhnliche Umgebung: ein Fußballfeld. Auf diesem Feld spielen zwei Mannschaften über sechzig Jahre lang gegeneinander. Während sich die eine Mannschaft durch körperliche Fitness und absoluten Siegeswillen auszeichnet, sind die anderen eher durchschnittlich in Wuchs und fußballerischer Fähigkeit. Auch interessieren sie sich viel eher füreinander als für den Ball. Welche Mannschaft am Ende überlegen ist, wird hier aber nicht verraten. Sehen Sie selbst.

Videos

Kurzfilme zur Biotechnologie in unserer Videorubrik

Ob Medizin, Landwirtschaft oder Industrie - in unserer Videorubrik finden Sie eine ganze Reihe von Kurzfilmen, die Sie leicht verständlich in die Welt der Biotechnologie einführen. 


Zur Rubrik Videos

TV-Glossar

Kreidezeit - Begriffe aus der Biotechnologie

Von A wie Antikörper bis Z wie Zellkultur - die Kreidezeit erklärt Begriffe aus der Biotechnologie kurz und knapp an der Tafel. Alle Videos finden Sie in unserem Filmarchiv.


Zur Rubrik Kreidezeit