Sonnenschutz von Algen: Uraltes Eiweiß entdeckt

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Auch unter Wasser reicht das Sonnenlicht - manchmal so viel, dass Algen ihren Sonnenschutzfaktor benutzen müssen, um nicht zugrunde zu gehen. Quelle: joakant / pixelio.de

27.11.2009  - 

Licht ist lebenswichtig. Zu ausgiebige Sonnenbäder jedoch verursachen Sonnenbrand - nicht nur bei Mensch und Tier. Auch für Pflanzen kann intensive Sonneneinstrahlung schädlich sein. Ein Team von Wissenschaftlern aus Münster und den USA konnte nun erstmals zeigen, wie sich grüne Algen gegen solche Schäden schützen. Sie verwenden dazu ein uraltes Eiweiß, das sehr früh in der Evolution entstanden ist. LHCSR3 wandelt die Lichtenergie in Wärme um, berichten die Forscher in der Fachzeitschrift Nature (26. November 2009, Bd. 462, S. 518-521).





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Algenzucht im Miniatur-Maßstab: Im Labor wachsen die Mikroalgen in Glaskolben.Quelle: Grewer / Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Pflanzen sind auf das Sonnenlicht angewiesen, um zu wachsen. Mithilfe der Lichtenergie erzeugen sie Zuckermoleküle, die in Bausteine ihrer Zellen umgewandelt werden und als Energielieferanten dienen. Dabei entziehen Pflanzen der Atmosphäre Kohlendioxid und geben Sauerstoff ab. Dieser Prozess - die Photosynthese - ist die Grundlage des Lebens auf der Erde. "Die Photosynthese liefert die pflanzliche Biomasse und damit die Ernährungsgrundlage für Mensch und Tier", sagt Michael Hippler vom Institut für Biochemie und Biotechnologie der Pflanzen der Universität Münster.

Doch die Verwendung von Lichtenergie zum Aufbau von Biomasse ist für Pflanzen eine Gratwanderung. Die Aufnahme von Licht durch zelluläre Pigmentmoleküle, zum Beispiel durch den grünen Blattfarbstoff Chlorophyll, kann zur Produktion von Sauerstoffradikalen und damit zu Schäden in den Pflanzen führen. "Um sich vor solch oxidativer Zerstörung - gewissermaßen vor 'Sonnenbrand' - zu schützen, haben Pflanzen Mechanismen entwickelt, die überschüssige Lichtenergie in Wärmeenergie umwandeln", so Hippler. Obwohl Algen einen großen Anteil an der weltweiten Produktion von Biomasse haben, war über diesen Schutzmechanismus in Algen bislang wenig bekannt - im Gegensatz zu Blütenpflanzen. Erst kürzlich konnten Braunschweiger Forscher um Peter Jomo Walla klären, wie sich Blütenpflanzen mit einer Art Sicherheitsventil vor überschüssiger Sonnenenergie schützen. (mehr...).

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Wie Algen das hinbekommen, hat Hippler nun gemeinsamdem Team um Kris Niyogi von der University of California herausgefunden. Sie untersuchten dazu die bei Forschern wegen ihrer Einfachheit beliebte einzellige Grünalge Chlamydomonas reinhardtii. Wie sie herausgefunden haben, schützt sich diese Alge gegen zu starke Lichteinstrahlung mit einem Eiweiß, das in anderen Varianten eigentlich zum Lichtsammeln eingesetzt wird, also die Aufbereitung des Lichts in eine für die Photosynthese nutzbare Form ermöglicht. Das Eiweiß LHCSR3 erlaubt in diesem besonderen Fall allerdings die Umwandlung von Licht- in Wärmeenergie. "Dadurch macht es überschüssige Lichtenergie unschädlich", sagt Hippler. "Im Vergleich zu den herkömmlichen Lichtsammler-Proteinen hat LHCSR3 einen sehr alten Ursprung. Es stammt wahrscheinlich direkt vom Urahn aller Lichtsammler-Proteine ab." In ihren Untersuchungen konnten die Forscher zeigen: Wird die Herstellung dieses Proteins verhindert, verlieren die Algen ihren Sonnenschutz. Sie bekommen dann "Sonnenbrand", die dabei freigesetzten Sauerstoffradikale können sogar zum Absterben der Algenzellen führen.

"Interessanterweise haben Blütenpflanzen diese Eiweißmoleküle im Laufe der Evolution verloren und einen anderen Sonnenschutzmechanismus entwickelt, bei dem ebenfalls Licht- in Wärmeenergie umgewandelt wird", so Hippler. Höhere Pflanzen koppeln dazu blitzschnell Chlorophyllmoleküle mit Carotinoid-Blattpigmenten. Dieses Molekülpärchen sorgt dann für die Ableitung der Lichtenergie.

Die Entdeckung des Sonnenschutzfaktors in Algen erlaubt tiefe Einblicke in die Regulation der aquatischen Photosynthese, die für 50 Prozent der weltweiten Primärproduktion an Biomasse verantwortlich ist. Die Erkenntnisse könnten dazu genutzt werden, die Anzucht von Mikroalgen in Bioreaktoren zu optimieren. Davon wird eines Tages vielleicht auch die biotechnologische Produktion von Algenbiomasse profitieren, um zum Beispiel Biokraftstoffe herzustellen.

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