Botanikerkongress: Bioenergie als Herausforderung

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Das als Chinaschilf bekannte Gras Miscanthus ist eine von vielen Pflanzen, die als nachwachsender Rohstoff erforscht werden. Quelle: Universität Hohenheim

11.09.2009  - 

Seit Begriffe wie Klimawandel, CO2-Ziele und nachwachsende Rohstoffe es in die Schlagzeilen geschafft haben,  wird Pflanzenforschern neue Aufmerksamkeit zuteil.  Das zeigte sich auf der „Botanikertagung“ in Leipzig, wo sich vom 6. bis 10. September mehr als 600 Experten trafen. Unter dem Motto „Pflanzen für die Zukunft“ ging es um wichtige interdisziplinäre Fragen und Herausforderungen.

Wer auf der „Botanikertagung“ Naturkundler mit Botanisiertrommel und prächtige Farbtafeln zur pflanzlichen Artenvielfalt vermutet, sucht vergeblich. Denn das Treffen ist traditionell die Zusammenkunft der deutschen Pflanzenphysiologen. Sie widmen sich vor allem der Erforschung der unterschiedlichsten Stoffwechselvorgänge ihrer grünen Studienobjekte. Doch der Klimawandel stellt die Pflanzenforscher vor neue Aufgaben, verlangt immer mehr auch den Blick aufs große Ganze: Wie beeinflusst die globale Erwärmung die Leistungen der Pflanzen? Wie sollte man am besten darauf reagieren?

Lichtmikroskopische Aufnahme der Mikroalge Chlamydomonas reinhardtii.Lightbox-Link
Lichtmikroskopische Aufnahme der Mikroalge Chlamydomonas reinhardtii.Quelle: Olaf Kruse/ Universität Bielefeld

Mehr Energie aus schnell wachsenden Gräsern und Algen

Ein Schwerpunkt der Tagung lag denn auch bei der Verwertung pflanzlicher Rohstoffe in Form von Kunst- oder Treibstoffen. „Der anfängliche Hype um Biokraftstoffe aus Mais, Raps und Zuckerrohr ist durch die ethische Diskussion um abgeholzte Regenwälder und die Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion gedämpft worden“, sagte Olaf Kruse, Professor für Algenbiotechnologie an der Universität Bielefeld, bei der Pressekonferenz zur Tagung. Pflanzenforscher auf der ganzen Welt würden mittlerweile nach geeigneteren Energiepflanzen suchen.

So stellte der US-Forscher Stephen Long auf der Tagung Studienergebnisse zum Anbau des Süßgrases namens Miscanthus vor. Die Pflanze wächst ganzjährig, betreibt sehr effizient Photosynthese und ist so anspruchlos, dass sie auf Brachflächen gedeiht, auf denen sonst keine Landwirtschaft möglich ist.  Würde man das schilfartige Gras auf ungenutzen Flächen konsequent anbauen, so haben die US-Forscher hochgerechnet, ließe sich damit nahezu 50 Prozent des Treibstoffbedarfs der Vereinigten Staaten decken. Ein weiterer Hoffnungsträger als grüner Energielieferant: einzellige Mikroalgen. „Unter optimalen Wachstumsbedingungen in Bioreaktoren können sie etwa 30 Tonnen Biomasse pro Hektar jährlich liefern“, sagte Olaf Kruse. Ein wichtiges Ziel seiner Forschung sei die Mehrfachverwertung pflanzlicher Biomasse. „Die Algen produzieren wertvolle Inhaltstoffe, ihre Biomasse kann zu Biomethan vergoren werden und selbst der anfallende Gärschlamm kann noch als Kohlenstoffdünger genutzt werden“, erklärte Kruse.  „Noch müssen wir aber auf dem Boden der Tatsachen bleiben." Ein wichtiger Schritt sei, die Photosynthese und damit auch die Produktivität von Pflanzen und Algen weiter zu verbessern. Klar sei aber auch, dass man hier ohne Gentechnologie nicht vorankomme (mehr...).

Botanikertagung

Alle zwei Jahre richtet die Deutsche Botanische Gesellschaft die Botanikertagung aus. Hier treffen sich vor allem Pflanzenphysiologen aus Deutschland und Europa.

Mehr zur Botanikertagung in Leipzig:

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Debatte zur Zukunft der Bioenergie

Debattiert wurde auf der Botanikertagung auch über die zukünftigen Herausforderungen bei der Nutzung von Bioenergie. Bei einer abendlichen Podiumsdiskussion kamen Vertreter aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Hilfsorganisationen zusammen.  Die auftauchenden ethische Probleme (Veranstaltungstitel „Volle Tanks und leere Teller“) streifte die Diskussion allerdings nur beiläufig.  Pflanzenphysiologe und Tagungspräsident Christian Wilhelm von der Universität Leipzig plädierte für einen ausgeweiteten Anbau nachwachsender Rohstoffe in Deutschland, wie etwa Baumplantagen auf Grenzertragsflächen. Organische Abfälle müssten durch neue technische Entwicklungen intelligenter und effizienter genutzt werden. „Das alles muss nachhaltig sein“, sagte Wilhelm. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee betonte, bei der Bioenergie würde die Bundesregierung ganz bewusst verschiedene Lösungen fördern und dabei versuchen, in Wertschöpfungsketten zu denken. Das Ziel sei es, sich möglichst auf lokale Energieträger zu stützen. „Wenn dafür Pflanzen gentechnisch verändert werden müssen, so sollte das intelligent und behutsam geschehen“, sagte der Bundesminister.  Für Martin Kaltschmitt vom Deutschen BiomasseForschungsZentrum in Leipzig hat das Biomethan künftig das größte Potenzial als effizienter Energieträger. Entweder lässt sich das Gas durch Vergärung von Biomasse gewinnen, oder aber über die direkte Vergasung von Holz. Wenn man intelligente und auf Nachhaltigkeit bedachte Rahmenbedingungen für eine solche Nutzung schaffe, dann wäre die „Tank-oder-Teller“ Debatte hinfällig, so Kaltschmitt.

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Menschen: Olaf Kruse - Bioenergie aus Mikroalgen

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Förderbeispiel: Algen als winzige Wassertstofffabriken im Visier

Ergebnisse der Sicherheitsforschung zur grünen Gentechnik respektieren

Der Kölner Pflanzenphysiologe Ulf-Ingo Flügge, Präsident der Deutschen Botanischen Gesellschaft,  nutzte die Tagung, um für mehr Akzeptanz für die grüne Gentechnik in Deutschland zu werben.  Das von Bundesagrarminsterin Ilse Aigner (CSU) verhängte Anbau-Verbot für die gentechnisch veränderte Maissorte MON810 sei eine „rein politische Entscheidung“ gewesen, welche die relevanten Fakten zur Sicherheitsforschung ignoriere. Die mangelnde Akzeptanz rühre wohl auch daher, weil der Bt-Mais, der sein eigenes Insektizid gegen den Maiszünsler herstellt, vor allem Landwirten, nicht aber den Verbrauchern unmittelbar nütze. „Das wird sich ändern, wenn andere Pflanzen mit verbesserten Eigenschaften marktreif werden, wie solche mit geringerem Allergengehalt, mehr Vitaminen oder ungesättigten Fettsäuren“, betonte Flügge.  Auch Tagungspräsident Christian Wilhelm sprach sich für eine sachlichere Debatte um die grüne Gentechnik aus. Die Kritik von Skeptikern sei zweifelsohne notwendig, um sich technisch zu verbessern. „Diese Leute müssen aber auch die Ergebnisse der mit vielen Millionen Euro geförderten Sicherheitsforschung wahrnehmen und respektieren“, so Wilhelm.

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