Wochenrückblick KW 36

07.09.2009

In Osnabrück entsteht nationale Genbank für Wildpflanzen

Die Samen seltener heimischer Wildpflanzen werden künftig in einer zentralen Genbank im Botanischen Garten in Osnabrück gehortet.

Frostig eingelagert werden dort Saatgutproben und damit auch das genetische Material wilder Arten, die künftig einmal interessant für Landwirtschaft und Ernährung sein könnten. Das Archiv entsteht im Auftrag der Bundesanstalt für Ernährung und Landwirtschaft, die das Projekt mit 820 000 Euro fördert.

Die neue Genbank wird von der Universität Osnabrück koordiniert. Die Forscher Sabine Zachgo und Borgmann beim "Ernten" der Samen von schützenwerten niedersächsischen Nelken.Lightbox-Link
Die neue Genbank wird von der Universität Osnabrück koordiniert. Die Forscher Sabine Zachgo und Peter Borgmann beim "Ernten" der Samen von schützenwerten niedersächsischen Nelken.Quelle: Universität Osnabrück

Die Samenbank solle mit dafür sorgen, die wildpflanzengenetische Vielfalt zu erhalten und diese nachhaltig zu nutzen, sagte die Direktorin des Botanischen Gartens in Osnabrück, Sabine Zachgo. Von hier aus wird die „Genbank für Wildpflanzen für Ernährung und Landwirtschaft“ koordiniert. Zu dem bundesweiten Netzwerk zählen außerdem die Botanischen Gärten in Berlin, Karlsruhe und Regensburg. Die Projektpartner haben Deutschland in vier Sammelzonen aufgeteilt: Nordwesten, Nordosten, Südwesten und Südosten. In diesen verschiedenen Regionen schwärmen Botaniker aus. Vorrangig sammeln sie reife Samen gefährdeter Wildpflanzen ein, die in den Roten Listen verzeichnet sind. „Im Vordergrund stehen heimische Wildarten, die mit unseren Kulturarten verwandt sind und somit einen direkten oder potenziellen Nutzwert für den Menschen haben“, erläuterte Zachgo. Beispiele sind Arznei-, Eiweiß- oder Nektarpflanzen.

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Wilde Varianten besitzen häufig Eigenschaften, die bei der Züchtung der meist auf viel Ertrag hin ausgewählte Kultursorten verloren gegangen sind. Für die moderne Pflanzenzüchtung sind die besonderen Anpassungen wieder interessant. Die Samenproben werden ins zentrale Depot nach Osnabrück verschickt und dort bei minus 18 Grad eingefroren. Die Osnabrücker haben schon Erfahrung mit der Archivierung von Samen auf Eis: Der Botanische Garten beherbergt bereits die regionale Loki Schmidt Wildpflanzengenbank.

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300 Millionen Euro für neues Tierseuchenforschungszentrum auf Riems

Auf der Insel Riems ist am 4. September Richtfest für das neue Tierseuchenforschungszentrum des Friedrich-Loeffler-Instituts gefeiert worden.

Für 300 Millionen Euro wird derzeit ein neues Forschunggebäude am Friedrich-Löffler-Institut auf der Insel Riems gebaut. Lightbox-Link
Für 300 Millionen Euro wird derzeit ein neues Forschunggebäude am Friedrich-Löffler-Institut auf der Insel Riems gebaut. Quelle: FLI

Der 300 Millionen teure Hochsicherheitskomplex besteht aus einem hochmodernen Labor- und einem Tierhaltungstrakt und soll im Oktober 2010 anlässlich des einhundertsten Institutsjubiläums bezugsfertig für Mensch und Vieh sein. Seit 1910 wird bereits auf der Ostsee-Insel Riems an Tierseuchen geforscht.Die denkmalgeschützten Gebäude werden nun ergänzt durch einen rund 80 000 Quadratmeter großen Labor- und Stallkomplex.

Damit entsteht für Arbeiten mit Tierseuchenerregern eines der modernsten Forschungsinstitute der Welt. Das FLI gehört als Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV). Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) sagte beim Richtfest, der Bau des Spitzenforschungszentrums befinde sich nach witterungsbedingten Verzögerungen inzwischen wieder im Zeitplan.

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Die 89 Labore und 163 Stallplätze verschiedener Biosicherheitsstufen werden mit modernster Labor-, Lüftungs-, Sicherheits- sowie Ver- und Entsorgungstechnik ausgestattet. In einem Spezialtrakt der weltweit höchsten Biosicherheitsstufe L4 können künftig auch Forschungsversuche mit hochansteckenden Viren (wie Ebola, SARS, Hanta) bei Nutztieren durchgeführt werden. Damit reagiere der Bund auf die steigenden tiermedizinischen Anforderungen im Zeitalter des globalen Handels- und Reiseverkehrs, sagte Aigner. Dies ist weltweit bisher nur in zwei vergleichbaren Institutionen in Australien und Kanada möglich. Für den Bauherren, das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, ist das neue Tierseuchenforschungszentrum auf Riems eines der größten Bauvorhaben in den neuen Bundesländern, teilte das FLI am 4. September mit.

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Biopharma-Familienunternehmen Rentschler investiert 23 Millionen

Das schwäbische Familienunternehmen „Rentschler Biotechnologie GmbH“ will 23 Millionen Euro in den Ausbau der Produktionskapazitäten am Heimatstandort in Laupheim investieren.

Ein Rührkessel-Fermenter bei der Rentschler Biotechnologie GmbH in Laupheim. Zwei weitere Anlagen sollen bis 2011 dazukommen.Lightbox-Link
Ein Rührkessel-Fermenter bei der Rentschler Biotechnologie GmbH in Laupheim. Zwei weitere Anlagen sollen bis 2011 dazukommen.Quelle: Rentschler Biotechnologie

Das sagte GMP-Bereichsleiter Thomas Siklosi dem Life Sciences-Nachrichtenmagazin |transkript. Nach den Plänen, die noch von der Geschäftsführung bestätigt werden müssen, soll in den neu errichteten Firmengebäuden noch ein zweiter 2500-Liter-Bioreaktor und eine 1000-Liter-Anlage aufgebaut werden. Rentschler Biotechnologie ist ein Auftragsunternehmen, dass sich auf die Entwicklung und Herstellung moderner Biopharmazeutika mit Hilfe von Säugetierzellen spezialisiert hat.

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Mit dem Aufbau des geplanten 2500-Liter-Stahlfermenters soll Ende 2010 begonnen werden, 2013 könnte die Produktion dann starten. Für die Einweganlage wurde gerade eine Konzeptstudie abgeschlossen. Die Einrichtung soll im Jahr 2011 beginnen. Im laufenden Geschäftsjahr wird die Zahl der aktuell 460 Mitarbeiter nach Angaben von Siklosi voraussichtlich um 60 steigen. Schon in den vergangenen Jahren verdiente das Unternehmen mit der Lohnherstellung gut, während das mittlerweile abgestoßene Pharmageschäft stagnierte.

Die Auftragsproduktionen sorgten für den Löwenanteil der Umsatzsteigerung von Rentschler im vergangenen Geschäftsjahr: Sie fiel mit einem Wachstum von 60 auf 80 Millionen Euro besonders hoch aus. Auch der Ausblick fällt optimistisch aus: "Unsere Auftragslage ist außerordentlich gut", sagte Marketingchef Manfred Papaspyrou. Pharmakonzerne planten ihre Projekte langfristig, deshalb gebe es keine kurzfristigen Stornierungen. Der ohnehin schon hohe Anteil von Biologicals, also Biotech-Medikamenten, soll dabei weiter zunehmen. 

Ungleiches Gen-Duo lässt Karpfenschuppen verschwinden

Eine Genverdoppelung im Erbgut von Spiegelkarpfen ist offenbar der Grund, warum die Speisefischart keine Schuppen trägt.

Angler und Köche schätzen den Spiegelkarpfen, weil er wegen seiner glatten Haut besonders zubereitungsfreundlich ist. Diese Eigenschaft haben Mönche bereits im Mittelalter den  Spiegelkarpfen angezüchtet. Nun haben Tübinger Forscher vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie die genetischen Ursachen für die „Schuppenfreiheit“ der Spiegelkarpfen geklärt. Wie die Forscher um Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard im Fachmagazin Current Biology (Online Vorabveröffentlichung) berichten, beruht das Phänomen auf einer Genverdoppelung.

Nicolas Rohner angelt Zebrafische für seinen Versuch aus den Aquarien der Fischzuchtanlage.Lightbox-Link
Nicolas Rohner angelt Zebrafische für seinen Versuch aus den Aquarien der Fischzuchtanlage.Quelle: Bernd Schuller / MPI für Entwicklungsbiologie

Das verantwortliche Gen-Paar enthält jeweils den Bauplan für das Protein mit dem Namen FGFR1 (Fibroblasten Wachstumsfaktor Rezeptor 1). Wie die Entwicklungsbiologen ausgehend von Erbgutanalysen bei Zebrafischen entdeckten, ist bei den Spiegelkarpfen eine der beiden vorhandenen Kopien des FGFR1-Gens mutiert. Das Gen ist so bedeutend in der frühen Entwicklung von Tieren, dass Mäuse mit einem solchen Defekt nicht lebensfähig sind. Auch bei Menschen führt ein defektes FGFR1-Gen zu einer Erbkrankheit, dem Kallmann-Syndrom. 

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Doch der Spiegelkarpfen kommt glimpflich davon, denn er besitzt noch die intakte Zwillingsversion des Gens. Sie dient als eine Art „genetische Sicherungskopie“ und übernimmt über weite Strecken der Fischentwicklung die Kontrolle. So verhindert sie die negativen Auswirkungen des fehlerhaften Genzwillings. Erst kurz bevor der Fisch in der Embryonalentwicklung Schuppen anlegt, schaltet sich das intakte FGFR1 plötzlich ab. Nur noch der defekte Doppelgänger ist weiterhin aktiv, das stoppt in der Folge die Entwicklung der Schuppen. Wie die Forscher vermuten, handelt es sich bei der beobachteten Genverdoppelung um eine wichtige Triebfeder in der Evolution. „Teilen sich zwei Gene eine bestimmte Aufgabe, die ursprünglich nur von einem erfüllt wurde, so kann es sich die Natur sich leisten, selbst wichtige Gene zu mutieren“, sagt Nicolas Rohner, der als Doktorand die Fischbeschuppung erforscht. Der Doubletten-Mechanismus helfe zu erklären, warum Fische eine so eine unglaubliche Artenvielfalt entwickelt haben. 

US-Laborriese übernimmt Diagnostikspezialisten Brahms

Der US-Medizintechnik-Hersteller Thermo Fisher Scientific übernimmt den Brandenburger Diagnostikspezialisten Brahms.

Wie die Unternehmen am 3. September mitteilten, beläuft sich der Kaufpreis für das deutsche Biotechunternehmen auf 330 Millionen Euro. Brahms soll in den Spezialdiagnostikbereich von Thermo Fisher integriert werden. Der US-Labortechnik-Riese will den Standort der Brahms AG in Henningsdorf zu seinem „European Center of Excellence für klinische Diagnostik“ machen.

Der Firmensitz der Brahms AG in Hennigsdorf bei Berlin.Lightbox-Link
Der Firmensitz der Brahms AG in Hennigsdorf bei Berlin.Quelle: Brahms AG

Die nicht-börsennotierte Brahms AG wurde 1994 gegründet und erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 75 Millionen Euro. Brahms entwickelt und vertreibt biochemische Labortests zur Früherkennung von Krankheiten. Hauptprodukt des Unternehmens mit rund 350 Mitarbeitern ist der patentgeschützte Biomarker Procalcitonin (PCT), der bei der Diagnose von Blutvergiftungen (Sepsis) eingesetzt wird. Der PCT-Test konnte sich in Europa als Standard für die Früherkennung der vor allem in Krankenhäusern immer häufiger auftretenden Komplikation durchsetzen.
In Kürze soll der PCT-Test auch in den USA eingeführt werden. Weitere Produkte von Brahms sind diagnostische Tests und Instrumente für das Screening von Schilddrüsen- und anderen Autoimmunerkrankungen und für die Pränatal-Diagnostik. Der US-Konzern Thermo Fisher erzielte 2008 einen Umsatz von umgerechnet rund sieben Milliarden Euro und ist damit rund einhundertmal so groß wie Brahms.
Treibende Kraft hinter dem Deal dürfte der schweizerische Finanzinvestor HBM Bioventures gewesen sein, der seit 2005 rund 31 Prozent an Brahms hält und nun Kapital benötigt, um eine Wandelanleihe im kommenden Jahr zu bedienen. Durch  den Verkauf nimmt der Investor nach eigenen Angaben nun rund 85 Millionen Euro ein. In einer Pressemitteilung von HBM heißt es: „HBM Bioventures kann damit allen finanzielllen Verpflichtungen nachkommen.“ 

Mit altbekannten Medikamenten gegen Multiple Sklerose

Neurologen aus Bochum und Bonn beschreiben in zwei unterschiedlichen Studien neue Ansätze zur gezielteren Behandlung der Autoimmunkrankheit Multiple Sklerose (MS). Beide Studien stützen sich dabei auf bereits zugelassene Medikamente.

Bochumer Neurologen um Andrew Chan haben einen Weg gefunden, mit dem sich der Einsatz des bewährten MS-Medikaments Mitoxantron für jeden Patienten maßschneidern lässt. Wie sie in der Fachzeitschrift Brain (Vol 132, S. 2517–2530) berichten, verrät der genetische Bauplan bestimmter Transportproteine in den Körperzellen, wie ein Patient auf den Einsatz von Mitoxantron reagiert. So genannte ABC-Transporter pumpen Medikamente aus der Zelle, je nach genetischem Bauplan tun sie das aber unterschiedlich effizient. In ihren Untersuchungen beobachteten die Forscher: Je leistungsschwächer die ABC-Transporter eines Patienten, desto besser wirkte das MS-Mittel. „Zudem deuten erste Daten auf einen Zusammenhang des genetischen Bauplans der Transportproteine mit den Mitoxantron-Nebenwirkungen hin“, sagt Chan. „Diese Ergebnisse wecken Hoffnung auf eine individualisierte Mitoxantron-Behandlung, beispielsweise mit abgestimmten Einzeldosierungen“. In einer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Studie wollen die Bochumer Neurologen nun die Zahl der untersuchten Patienten vergrößern. Außerdem suchen sie nach weiteren Markermolekülen, um die Mitoxantron-Therapie möglichst für jeden Patienten maßzuschneidern.

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News: Neue Therapieansätze gegen Multiple Sklerose im Visier

News: Leukämie-Medikament gibt MS-Patienten Hoffnung

Bonner Forscher haben wiederum zusammen mit einem internationalen Team einen Ansatz zur Behandlung von MS entdeckt, der sich auf ein bekanntes Diabetes-Medikament stützt. Sie fanden heraus, dass die gezielte Aktivierung eines „molekularen Aufsehers“ (PPAR-Gamma) die Bildung von bestimmten Immunzellen (TH17-Zellen) senkt, die bei der Entstehung von Multiple Sklerose eine wesentliche Rolle spielen. Wie die Neurologen um Luisa Klotz und Percy Knolle zusammen mit französischen und US-Forschern im Journal of Experimental Medicine (Online Vorabveröffentlichung, 7. September) berichten, nimmt die Krankheit dadurch einen milderen Verlauf. Da es bereits zugelassene Medikamente zur Behandlung von Typ-II-Diabetes, die PPAR-Gamma aktivieren, konnten die Forscher ihren Ansatz im Tiermodell bereits austesten - mit Erfolg. Mäuse, die an einer Krankheit ähnlich der Multiplen Sklerose litten, zeigten durch das Diabetes-Medikament einen deutlich milderen Verlauf.  Auch in Zellkulturen von Multiple-Sklerose-Patienten bewirkte dasselbe Medikament den Forschern zufolge einen starken Rückgang der TH17-Zellzahl. Unerwünschte Nebenwirkungen durch die Aktivierung von PPAR-Gamma gebe es ebenfalls nicht. Das Molekül hemme ganz spezifisch die Entstehung der TH17-Zellen. Die Bildung anderer Immunzellen beeinflusse es dagegen kaum.