Jens Brüning: Brückenbauer in der Genetik

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Jens Brüning ist Genetiker an der Universität Köln. Quelle: Brüning/Universität Köln

22.06.2009  - 

Woher weiß das Gehirn, dass genug Energie im Körper ist? Wann soll es den Appetit zügeln? Und hat der Zuckerhaushalt etwas mit dem Lebensalter zu tun? Diesen Fragen widmet sich Jens Brüning seit sechs Jahren als Professor am Institut für Genetik der Universität Köln. Und das ziemlich erfolgreich. Für seine Arbeiten erhielt er vor zwei Jahren den begehrten Leibniz-Preis, dieses Jahr folgte der mit 150.000 Euro dotierte Ernst Jung-Preis. 

Jens Brüning versteht sich als Brückenbauer: „Wir wollen die Sachen, die wir in der Genetik an Mäusen erarbeiten, dann auch wirklich in klinischen Studien auf den Menschen übertragen“, erklärt er seine Arbeit. Seit 2003 hat der Mediziner eine Professur am Institut für Genetik inne, wo er sich der Grundlagenforschung des Stoffwechsels widmet. Die praktische Medizin hat Brüning trotzdem nicht an den Nagel gehängt: „Parallel dazu arbeite ich auch klinisch, in den Bereichen Endokrinologie und Stoffwechsel am Uniklinikum.“  Bei den Erkenntnissen, die der Wissenschaftler umsetzen möchte, geht es um Diabetes, Übergewicht und den Botenstoff Insulin. Dass alle drei zusammenhängen, lassen schon alleine die Zahlen vermuten. Von den über 6,5 Millionen Deutschen mit der Diagnose Diabetes Typ 2 sind immerhin achtzig bis neunzig Prozent übergewichtig.

Leibniz-Preis
Der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft vergebene Preis ist die höchste Auszeichnung für Wissenschaftler in Deutschland. Er ist mit bis zu 2,5 Millionen Euro dotiert. Jens Brüning wurde der Preis im Jahr 2006 verliehen.

Mehr Infos zum Preis: hier klicken


Insulin ist ein Hormon, das von den Langerhansschen Inselzellen in der Bauchspeicheldrüse ausgeschüttet wird, wenn der Blutzuckerspiegel zu hoch ist. „Man ging eigentlich davon aus, dass es seine Wirkung entfaltet, indem es im Muskel- und Fettgewebe zu gesteigerter Zuckeraufnahme führt und in der Leber dafür sorgt, dass weniger Zucker neu gebildet wird“, erklärt Brüning. Bei Diabetes Typ 2, der altersbedingten Diabetes, verliert das Insulin genau diese Wirksamkeit. Die Rezeptoren der Körperzellen für Insulin werden unsensibel für den Botenstoff.
Auf der Suche nach Insulin im Gehirn
Allerdings ist damit der Regulationsmechanismus von Insulin nur halb verstanden. „In den letzten Jahren ist klar geworden ist, dass auch die Insulinwirkung im Gehirn in der Regulation des Zuckerhaushalts eine Rolle spielt “. Die Idee, im Gehirn nach dem Hormon zu suchen, ist ziemlich jung und geht auf ein immer noch nicht vollständig gelöstes Rätsel zurück: Die Insulinrezeptoren im Gehirn. „Sie sind da, aber keiner wusste so richtig, was sie da machen“, erzählt der Forscher. Um dem Rätsel auf die Spur zu kommen, züchtete seine Arbeitsgruppe Mäuse, denen diese Rezeptoren im Gehirn fehlten. „Wir haben gefunden, dass diese Mäuse ein leichtes Übergewicht entwickelten“, sagt der Forscher. Die Schlussfolgerung ist eindeutig: Insulin ist eines der Signale, das dem Gehirn mitteilt, wieviel Energie im Körper abgespeichert ist. Nur mit dieser Information kann das Gehirn dann die Nahrungsaufnahme reduzieren. „Und wenn diese Feedbackinformation fehlt, essen die Mäuse weiter, obwohl sie genug Fett haben“, erklärt Brüning.
Die Forscher in Köln konnten sogar zeigen, welche Nervenzellen genau dafür verantwortlich sind. Dazu züchteten sie Mäuse, denen der Rezeptor nur in einzelnen Gehirnregionen fehlte. „Aus diesen Milliarden Nervenzellen des Gehirns haben wir so eine Gruppe von etwa 3000 Zellen herausgefunden, im Hypothalamus“, erzählt Brüning. Offenbar steuern sie die Stoffwechselaktivität der Leber. Fehlt ihnen der Insulinrezeptor, wird die Zuckerneubildung in der Leber nicht mehr adäquat unterdrückt und der Blutzuckerspiegel kommt durcheinander.

Exzellenzcluster an der Universität Köln

Jens Brüning ist Koordinator des Clusters "Cellular Stress Responses in Aging-Associated Diseases", der seit 2007 im Rahmen der zweiten Runde der Exzellenzinitiative mit 6,5 Millionen Euro gefördert wird. .

Mehr Infos zum Cluster: www.exzellenzcluster.uni-koeln.de


Insulin beeinflusst nicht nur Zuckerstoffwechsel

Der Zuckerstoffwechsel ist aber vermutlich nicht das einzige, was Insulin im Gehirn beeinflusst. „In niederen Organismen, etwa Fadenwürmern oder Fliegen, scheint die Insulinwirkung im Zentralen Nervensystem in der Tat für die Regulation der Langlebigkeit eine Rolle zu spielen“, sagt Brüning. Bei Mäusen sind die Erkenntnisse dazu im Augenblick noch kontrovers. Diese Ergebnisse kommen zwar von anderen Gruppen, aber auch in Köln will man das Thema aufgreifen. Immerhin ist dort gerade das neue Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns gegründet worden - mit Linda Partridge als einer der führenden Figuren der Alternsforschung an der Spitze. „Sie hat das bis jetzt in Fliegen untersucht“, sagt Brüning,  „und wir bearbeiten das nun gemeinsam anhand unserer Mausmodelle“. Und zwar unter dem Dach des Exzellenzclusters "Cellular Stress Responses in Aging-Associated Diseases", in dem diese Fragen geklärt werden sollen.

Dass Brüning seiner Arbeit überhaupt in Köln nachgeht, ist nicht selbstverständlich. Nach dem Medizinstudium in Köln verbrachte er neun Jahre am Joslin Diabetes Center der Harvard Medical School in Boston, USA. „Das ist eines der besten Labors für Insulinwirkung“, begründet er seine Wahl. Harvard hätte den Forscher durchaus gehalten – aber als Wohnort zog die mittlerweile fünfköpfige Familie Deutschland vor. „Die drei Kinder sind alles echte Kölner“, sagt Brüning schmunzelnd. Ob er seinen Studenten grundsätzlich einen Aufenthalt in den USA empfiehlt? „Es gibt viele Orte auf der Welt, wo man hervorragende Wissenschaft machen kann. Das müssen nicht unbedingt die USA sein“, sagt er diplomatisch. Sein Rat: Der Ausbildungsort sollte schon mal wechseln, auch um andere Arten des wissenschaftlichen Arbeitens kennenzulernen. „Man sollte einfach mal was anderes gesehen haben“, bringt er es auf den Punkt.

Autor: Miriam Ruhenstroth

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