Vom Schwamm zur Apotheke

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Mehr als nur bunter Badeschwamm: In diesem Organismen schlummern therapeutische Wirkstoffe. Quelle: US National Oceanic and Atmospheric Administration

16.06.2009  - 

Wissenschaftler der Universität Bonn haben einen Weg gefunden, Schwämme als Quelle von Arzneimitteln zu nutzen. Wie das Team um Jörn Piel und Cristian Gurgui in der Fachzeitschrift Nature Chemical Biology (2009, Onlineveröffentlichtung, 17. Mai) berichtet, haben sie ein Verfahren entwickelt, um die für die Wirkstoffproduktion wichtigen Gene aus den Schwämmen zu isolieren. Das so gewonnene Erbmaterial soll nun in kultivierbare Bakterien übertragen werden.

Marine Schwämme sind eine Art lebende Apotheke. Sie gelten als wichtigste Quelle von therapeutischen Wirkstoffen - unter anderem auch deshalb, weil sie toxische Substanzen zur Verteidigung gegen natürliche Feinde produzieren. Eine dieser Substanzen ist Psymberin. Sie wurde erst 2004 entdeckt und ist offenbar ein potenter Wirkstoff im Kampf gegen Krebs (2004, Organic Letters, Vol. 6 (12), S. 1951–1954). Doch für eine pharmakologische Nutzung wäre eine Menge nötig, die die natürlichen Vorkommen weit übersteigt. Die Wissenschaftler um Jörn Piel der Universität Bonn haben daher nach Methoden gesucht, diese Wirkstoffe unter Schonung der natürlichen Ressourcen herzustellen. 

Komplexe Genetik

Die besondere Schwierigkeit dabei: Viele Wirkstoffe werden von Bakterien gebildet, die mit den Schwämmen in Symbiose leben. Dazu gehören beispielsweise die Polyketide, Naturstoffe, die in Schwämmen eine besonders hohe biologische Aktivität zeigen und deshalb für eine pharmazeutische Produktion gut geeignet sind. Auch Psymberin ist ein Polyketid. Außerhalb ihres Wirtes konnten die Polyketide jedoch bisher nicht kultiviert werden. Dafür haben die Wissenschaftler in Bonn jetzt einen Weg gefunden. „Unsere Strategie besteht darin, die Gene, die für die Produktion von Wirkstoffen verantwortlich sind, aus der Gesamt-DNA des Schwamms zu isolieren“, erklärt Piel. „Dabei sind dann auch die Erbanlagen der Bakterien, die diese Substanzen im Schwamm produzieren.“

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Die Schwämme bekamen die Forscher von ihren Kooperationspartnern, dem Institute of Water and Atmospheric Research in Neuseeland, und dem Department of Chemistry and Biochemistry in Santa Cruz. „Die Problematik lag in der außerordentlich hohen genetischen Komplexität der Schwämme“, sagt Piel. „Diese können hunderte verschiedene bakterielle Arten enthalten.“

Zunächst mussten die Wissenschaftler das gesamte genetische Material des Schwamms und seiner mit ihm lebenen Symbionten isolieren. Abschließend entfernten sie daraus die Sequenzen, die nicht zur Biosynthese der Polyketide beitragen. Die Hinweise darauf hatten die Forscher zuvor in vergleichenden Studien mit anderen Schwämmen gesammelt. Die so verringerte Menge an Erbanlagen konnte nun mit Gen-Datenbanken verglichen und genauer untersucht werden.

Wenige Gramm statt Schwammkolonie

Dabei zeigte sich, dass in nur zwei Arbeitsschritten die entscheidende Gen-Sequenz isoliert werden konnte. Die so gewonnenen Gene sollen nun in kultivierbare Bakterien übertragen werden. Diese stellen dann, so hoffen die Forscher, den benötigten Wirkstoff in sehr viel größerem Maße her, als das bei den Schwämmen der Fall wäre. An der Ausprägung der kultivierbaren Gene in Laborbakterien arbeiten die Forscher jedoch noch.

Wenn es klappt, hätten sie die Grundlage für eine systematische Suche nach wirkstoffproduzierenden Genen geschaffen. Langfristig könnte das die Suche nach neuen therapeutischen Naturstoffen erheblich erleichtern: Wo derzeit noch ganze Kolonien von Schwämmen gezüchtet werden müssen, würden dann wenige Gramm zur Wirkststoffesuche ausreichen.  

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