Nikolaus Pfanner: Erkundet die Kraftwerke der Zelle

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Nikolaus Pfanner, Professor an der Universität Freiburg, beschäftigt sich mit den Kraftwerken von Zellen. Quelle: Pfanner

08.06.2009  - 

"Als Schüler hätte ich nie gedacht, dass ich mal Biochemiker werde" sagt Nikolaus Pfanner, Professor am Institut für Biochemie und Molekularbiologie der Universität Freiburg. Aber es kommt nicht immer wie man denkt. Der Biochemiker widmet sich den Kraftwerken der Zelle, den Mitochondrien. Und das - mit kurzer Unterbrechung - seit über zwanzig Jahren. Für seine Arbeiten hat er bereits den Leibniz-Preis und den Max-Planck-Forschungspreis erhalten. Jetzt kam noch der Baden-Württembergische Landespreis für Grundlagenforschung hinzu.

Eigentlich haben den gebürtigen Allgäuer in der Schule Biologie und Chemie gelangweilt. "Ich habe mich mehr für Musik interessiert, aber dafür fehlte mir die Begabung" sagt der Forscher bescheiden. Dass er dann ausgerechnet Biochemiker wurde, verdankt er auch der Begeisterung seines Professors Theodor Bücher, der in München Biochemie für Medizinstudenten lehrte. "Es hat mich sehr beeindruckt, dass er kurz vor der Emeritierung noch persönlich die Kurse geleitet hat", erzählt Pfanner. "Das war schon so ein Moment, wo ich mir dachte: Das ist doch ein interessantes Fach."

Hintergrund
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Von der Medizin zu den Kraftwerken

So interessant, dass der studierte Mediziner bis heute dabei blieb. Die Objekte, für die er sich dabei am meisten interessiert, befinden sich in den Zellen aller Tiere, Pflanzen und Pilze. Sie heißen Mitochondrien und übernehmen die Rolle eines Kraftwerks: Sie versorgen die Zelle mit Energie. "Die erste große Liebe zu den Mitochondrien ist schon bei der Promotion in München entstanden" erzählt Pfanner. Das war vor fast 25 Jahren.

Mitochondriales Netzwerk (grün)  einer Zelle der Bäckerhefe (grauer Ring, der die Mitochondrien umgibt).Lightbox-Link
Mitochondriales Netzwerk (grün) einer Zelle der Bäckerhefe (grauer Ring, der die Mitochondrien umgibt).Quelle: Michael Rissler und Nikolaus Pfanner

Was an Mitochondrien so interessant ist? "Da gibt es eine ganze Menge offener Fragen und Probleme", erklärt der Forscher. Vor allem interessiert ihn, wie Eiweiße in die Mitochondrien hineinkommen und dort ihren richtigen Arbeitsplatz finden. Denn die Zellorganellen sind von einer doppelten Membranschicht umhüllt. "Und Mitochondrien bestehen aus etwa tausend verschiedenen Eiweißen, das konnten wir jetzt zeigen" erklärt Pfanner. Neunundneunzig Prozent davon werden außerhalb der Organelle im Zytosol hergestellt und müssen dann irgendwie in das Mitochondrium gelangen. "Vor zwanzig Jahren hatte man angenommen, es gibt dafür nur einen Weg. Aber als wir das weiter untersucht haben, wir und andere Forschungsgruppen, haben wir festgestellt, es wird doch komplizierter", erinnert er sich.

Mittlerweile konnte das Team um Pfanner vier verschiedene Transportwege sicher nachweisen, zwei davon erst in den letzten Jahren. "Und wir vermuten, dass es noch zwei weitere geben müsste", erzählt er begeistert. Dass sich das Thema nach über zwei Jahrzehnten Forschungsarbeit erschöpfen könnte, ist nicht abzusehen. "Es ist noch lange nicht alles aufgeklärt", sagt der Forscher. "Was wir zum Beispiel noch gar nicht verstehen ist, wie der Verkehr reguliert wird", erklärt er. Also, wie entschieden wird, wann welches Eiweiß in welcher Menge und Geschwindigkeit in das Mitochondrium gelangt. "Das wird uns die nächsten Jahre brennend interessieren" so Pfanner.

 

Der Transport eines Eiweißes aus der Zellflüssigkeit in das Mitochondrium geht nicht von alleine. Eine Menge Helfereiweiße sind daran beteiligt.Lightbox-Link
Der Transport eines Eiweißes aus der Zellflüssigkeit in das Mitochondrium geht nicht von alleine. Eine Menge Helfereiweiße sind daran beteiligt.Quelle: Pfanner

Begeisterung für die Arbeit ist wichtig

"Uns", das sagt er ganz bewusst. Denn dass sein Team die Begeisterung für die Forschung teilt, ist ihm wichtig. "Ich muss hier niemanden zum Arbeiten antreiben", sagt er. Auf die offene, informelle Kommunikation, gerne auch mal auf dem Flur oder bei einer Tasse Tee, legt er großen Wert. "Als Einzelkämpfer kann man in den Biowissenschaften sehr wenig erreichen, man braucht ein Team von sehr aktiven und engagierten Mitarbeitern".

Obwohl Pfanners Arbeit reine Grundlagenforschung ist, sind seine Erkenntnisse auch  von praktischer Bedeutung. Es ist bekannt, dass Störungen in der Funktion der Mitochondrien vor allem das Nervensystem betreffen. "Nervenzellen sind besonders stark auf Mitochondrienfunktionen angewiesen. Sie haben ja lange Ausläufer, und die brauchen eben überall verteilt entsprechend viel Energie", erklärt der Forscher. Bislang sind nur einige seltene Erbkrankheiten bekannt, die auf eine Störung des Eiweißtransports in die Mitochondrien zurückgehen. "Aber je weiter man eintaucht in das Grundlagenverständnis der Mitochondrien, umso mehr Hinweise bekommt man, um weitere Krankheitsbilder zu verstehen", sagt Pfanner.

Das Wichtigste ist und bleibt für den Forscher die Begeisterung für neue Erkenntnisse. "Man kann schon sagen, dass ich mein Hobby zum Beruf gemacht habe", sagt der Vater von zwei erwachsenen Söhnen. In seiner freien Zeit steht zwar die Familie an erster Stelle; dennoch: "Man kommt im Grunde in der Forschung nur weit, wenn man ständig darüber nachdenkt". Die Musik ist dabei allerdings fast auf der Strecke geblieben. "Das beschränkt sich weitgehend auf Weihnachten" sagt Pfanner lachend.

Autorin: Miriam Ruhenstroth

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