Patent auf Gentest für Schweine in der Kritik

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Ob ein Schwein das Gen für besseres Fleisch besitzt, sieht man ihm auf den ersten Blick nicht an. Dazu ist ein Gentest der US-Firma Newsham Choice Genetics notwendig. Quelle: Jerzy / pixelio.de

15.04.2009  - 

Soll es möglich sein, ganze Lebewesen zu patentieren? Diese Frage wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Jetzt hat ein Patent auf einen Gentest bei der Schweinezucht den Streit wieder neu belebt. Umweltverbände, Viehzüchter und Tierschutzorganisationen zogen am 15. April vor das Europäische Patentamt (EPA) in München und legten Widerspruch gegen den Antrag einer amerikanischen Firma ein. Die Befürchtung ist, dass mit dem Gentest auch gleich die so ausgesuchten Tiere und ihre Nachkommen patentiert werden können. Das Patent wurde bereits vor einem Jahr erteilt.  Am heutigen Donnerstag endet die Einspruchsfrist.


 

Hunderte von Bauern und Umweltschützern sind am 15. April vor  das Europäische Patentamt in München gezogen. Dort überreichten die Demonstranten einen Sammeleinspruch gegen das Patent eines US-Konzerns, das die genetische Auswahl besonders viel versprechender Schweine regelt. Neben 5000 Einzelpersonen tragen mehr als 50 Organisationen den Einspruch mit - der Deutsche Tierschutzbund ebenso wie das katholische Hilfswerk Misereor und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Insgesamt 13 Parteien nutzen die Möglichkeit zum Widerspruch.

Auch das Land Hessen ist daran beteiligt. Hessen wolle ein Zeichen gegen grenzenlose Patente setzen, sagte die hessische Landwirtschaftsministerin Silke Lautenschläger (CDU). Sie warf dem Patentamt vor, es habe in der Vergangenheit die EU-Biopatentrichtlinie sehr weit ausgelegt. Gleichzeitig verfolgt Hessen im Bundesrat eine Initiative, um diese Richtlinie zur konkretisieren. Ein entsprechender Entschließungsantrag ist bereits eingebracht worden. Der bayerische Umweltminister Markus Söder (CDU) kündigte an, den Vorstoß der Hessen im Bundesrat zu unterstützen.

Gentest für besseres Schweinefleisch
Das Europäische Patentamt dokumentiert alle Patente in einer frei zugänglichen Online-Datenbank. Der Antrag EP1651777 zur "Verwendung eines Einzelnukleotid-Polymorphismus im codierenden Bereich des Leptinrezeptor-Gens aus Schweinen zur Verbesserung der Schweinefleischproduktion" ist eines von drei Patentanträgen der US-Fiima Newsham Choice Genetics.
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Leptin-Rezeptor zeigt gutes Fleisch an

Anlass für den Protest gibt der Antrag, den der Agrarkonzern Monsanto im Jahr 2004 beim Europäischen Patentamt eingereicht hat und der im Juli 2008 der ebenfalls amerikanischen Firma Newsham Choice Genetics erteilt wurde. Die Firma schützt sich damit einen Test, mit dem das Erbgut von Zuchtschweinen auf ein Leptin-Rezeptor-Gen untersucht werden kann. Die Tiere, die den Rezeptor an ihren Zellen aufweisen, werden offenbar nicht nur schneller fett. Ihr Fleisch soll beim Braten auch weniger zusammenschrumpfen und so saftiger bleiben. Mit Hilfe des Test könnten also gezielt besonders ertragreiche Schweine für die Zucht ausgewählt werden. Das Verfahren hatte ursprünglich das amerikanische Agrarunternehmen Monsanto entwickelt, der derzeit auch wegen des Verbots seiner gentechnisch veränderten Maissorte MON810 für Pressewirbel sorgt (mehr...), und später an Newsham Choice Genetics verkauft.

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Das eingereichte Patent beschränkt sich allerdings nicht allein auf den Gentest, befürchten die Kritiker. Sie glauben, dass er sich möglicherweise auch auf die Tiere, die daraus entstehen, und alle ihre Nachkommen erstrecken könnte. Theoretisch könnte das Unternehmen sogar Ansprüche auf alle Tiere mit dem entsprechenden Rezeptor anmelden, so die Annahme. Eine derartige Patentierung kompletter Lebewesen lehnt der Deutsche Bauernverband strikt ab, dessen Präsident Gerd Sonnleitner am 13. April im Hessischen Rundfunk das Schweinepatent als "Sündenfall schlechthin" bezeichnete. "Es kann und darf nicht sein, dass es Patente auf Tiere, auf Lebewesen und auf Pflanzen gibt und dann die Konzerne generell das Sagen hätten", erklärte Sonnleitner. Damit ist aus seiner Sicht die freie Zucht in Gefahr. Auch das katholische Hilfswerk Misereor lehnt das Patent ab. Es sei unethisch, Tiere und Pflanzen, die Teile der Schöpfung seien, zu patentieren, sagte Misereor-Sprecher Mute Schmipf. "Die Bundesregierung muss der Gier der großen Konzerne auf Lebewesen endlich Grenzen setzen", sagte Romuald Schaber vom Bundesverband Deutscher Milchviehalter.

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Bearbeitung der Einsprüche kann Jahre dauern

Derartige Befürchtungen hält das Europäische Patentamt für unbegründet. "Nur wer seine Tiere mit dem patentierten Testverfahren züchtet, müss zahlen", sagte EPA-Sprecher Rainer Osterwalder. Zwar habe der ursprüngliche Antrag Teile des Gens enthalten, diesen Anspruch habe man aber herausgestrichen. Nur 12 von 30 Aspekten seien durchgegangen, so Osterwalder. Die genaue Reichweite des Patents kennt allerdings auch das Amt noch nicht. Denn über sie entscheiden die Gerichte in den einzelnen europäischen Staaten nach nationalem Recht.

Dabei könne es durchaus Unterschiede geben, sagte Osterwalder. Die Situation ist kompliziert, da ein Europäisches Patentgericht und entsprechendes Gemeinschaftsrecht fehlen. Die Genehmigung für das Patent hatte das Europäische Patentamt bereits im Juli 2008 erteilt. Die Einspruchsfrist endet am heutigen Donnerstag. Bis alle Einsprüche abgearbeitet sind und eine endgültige Entscheidung über das Patent getroffen werden kann, können noch Jahre ins Land gehen.

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