BioEurope Spring in Mailand: Besucherrekord trotz Finanzkrise

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Mit 1500 Teilnehmern stellte die dritte Ausgabe der BioEurope Spring in Mailand einen Rekord auf. Quelle: EBD / Emmanuel Mathez

25.03.2009  - 

Auf der Frühlingsmesse der europäischen Biotechnologie-Branche in Mailand zeigten die Gastgeber eine gehörige Portion Galgenhumor. In Italien habe man schließlich noch nie viel Geld gehabt, witzelten die Vertreter der italienischen Unternehmen, weder von der öffentlichen Hand noch von privaten Investoren. Da könne einem die Krise auch nichts mehr anhaben. Der Industrieverband "Assobiotec" sieht das etwas ernster: "Wenn wir keine Unterstützung bekommen, geht einigen Unternehmen Ende 2009 das Geld aus" , sagte Assobiotec-Direktor Leonardo Vingiani gegenüber biotechnologie.de. In der europäischen Biotechnologie ist die Stimmung weiterhin verhalten optimistisch. Das zeigen auch die Besucherzahlen der BioEurope Spring. Auf dem Branchentreff, der vom bis zum 16. bis 18. März in der norditalienischen Wirtschaftsmetropole stattfand, wollte niemand fehlen. Mehr als 1500 Teilnehmer und 7000 Partnering-Treffen - das ist Rekord für die erst vierjährige Veranstaltungsreihe.



 

Größe ist nicht alles. Wäre die BioEurope Spring eine Industriemesse mit Hunderten von Ausstellern, hätte sie auf dem  neuen Mailänder Messegelände stattgefunden, und damit weit außerhalb der Stadt. Die traditionelle "FieraMilano City" schmiegt sich dagegen direkt an die Innenstadt an und ist von den meisten Hotels schnell zu erreichen. Das machte sich bemerkbar. An allen drei Messetagen vom 16. bis zum 18. März war ab neun Uhr Hochbetrieb, der erst gegen 18 Uhr abflaute.

BioEurope Spring

Die EBD Group veranstaltet sowohl die BioEurope als auch die BioEurope Spring. Auf der EBD-Website gibt es mehr Informationen zu vergangenen und kommenden Ausgaben der Konferenzreihe.
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Mehr als 1500 Vertreter der Branche folgten dem Ruf und ließen die Veranstaltung damit für die EBD Group endgültig zum Erfolgsmodell werden. Trotz der Krisenrhetorik der vergangenen Monate konnte die Messe die Besucherzahlen im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent ausbauen.

"Das Geschäft läuft ganz normal"

Die Krise scheint die Biotechnologie in Europa noch nicht berührt zu haben. Nicht nur, dass die Branche so zahlreich zusammenströmte wie noch nie zuvor im Frühling, auch die Stimmung war überraschend sonnig. "Niemand ist ferngeblieben", sagte Michael Berz vom Italienischen Institut für Außenhandel, "das Geschäft läuft ganz normal weiter".

Die BioEurope Spring ist der Frühjahrs-Ableger der BioEurope, die immer im Herbst stattfindet, bisher in wechselnden Städten in Deutschland,  zuletzt in Mannheim. In diesem Jahr gastiert die Konferenz erstmals in Wien, vom 2. bis zum 4. November. Während die BioEurope auf eine mittlerweile 14-jährige Tradition zurückblicken kann, trifft man sich erst seit drei Jahren auch im Frühjahr, und zwar im Wechsel in Italien und Spanien. Das neue Konzept scheint aufzugehen. Mit jedem Jahr wird die Veranstaltung besser angenommen. Während sich bei der Premiere in Mailand 2007 immerhin 1.100 Teilnehmer einfanden, waren es im Jahr darauf in Madrid schon 1400 Teilnehmer aus 38 Ländern (mehr...).

Herzstück der Messe sind die 213 Partnering-Kabinen. Dort verabreden sich die Teilnehmer zu Vier-Augen-Gesprächen.Lightbox-Link
Herzstück der Messe sind die 213 Partnering-Kabinen. Dort verabreden sich die Teilnehmer zu Vier-Augen-Gesprächen.Quelle: EBD / Emmanuel Mathez

Domäne der Netzwerker

Den ersten Tag bestimmten Vorträge und Workshops zu verschiedenen Themen wie personalisierter Medizin, den Vorteilen von kleinen Geschäftseinheiten oder den Erfolgsaussichten im Markt für Krebsmedikamente das Programm. Der zweite und dritte Tag gehörten dann ganz den Unternehmen. Parallel in drei Räumen stellten sich Newcomer und alte Hasen der europäischen Biotechnologie vor, immer mit dem Ziel, potenzielle Partner für Kooperationen und Lizenverträge kennenzulernen.

Mailand ist die Domäne der Netzwerker. Denn auch wenn sich in der Haupthalle einige Dutzend Hersteller und Organisationen mit Ständen präsentierten: Das Herz der BioEurope Spring schlug in 213 kleinen, kargen Kabinen. Dort kommen Vertreter der Branche untereinander ins Gespräch und bahnen neue Geschäfte und Deals an.

Schon Wochen im Voraus können sich die Teilnehmer mittels einer speziellen Software untereinander für das sogenannte Partnering verabreden und einen Termin ausmachen, zu dem sie sich dann in einem vorher vom Computer zugeweisenen Raum treffen. Ein Tisch, zwei Stühle, dreißig Minuten. Konzentration auf das Wesentliche.

Mehr als 7000 Partnering-Termine

"Ich bin hier, um mit einigen Pharmafirmen ins Gespräch zu kommen", sagte Walter Schmidt, der CEO der österreichischen Affiris. Im vergangenen Herbst hatte Schmidt mit dem bisher größten Lizenz-Optionsvertrag der österreichischen Biotech-Geschichte für Aufsehen gesorgt. Das britische Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline verpflichtete sich, bis zu 430 Millionen Euro für die Rechte an mehreren potenziellen Impfstoffen gegen Alzheimer zu bezahlen. Schmidt war nicht der Einzige, der hier nach neuen Partnern Ausschau hielt. Mehr als 7000 Termine verbuchte das Verabredungs-Programm.

An den bereitgestellten Terminals konnten die Teilnehmer ihre Gesprächstermine auf dem Laufenden halten.Lightbox-Link
An den bereitgestellten Terminals konnten die Teilnehmer ihre Gesprächstermine auf dem Laufenden halten.Quelle: EBD / Emmanuel Mathez

Auch wenn Schmidt den Coup mit GlaxoSmithKline nicht hier anbahnte: So manche der 7000 Gespräche, die auf der BioEurope geführt wurden, dienten zur Anbahnung von Deals, die womöglich später in der Zeitung zu lesen sein werden. Trotz E-Mail, Messengerprogramm und Videokonferenz bleibt das persönliche Gespräch unter vier Augen bei Entscheidungsträgern das Mittel der Wahl, wenn es um das Anbahnen von Geschäftsbeziehungen geht. Die Zahl der Partnering-Treffen nahm im Vergleich zum Vorjahr um 22 Prozent zu.

"Einigen geht Ende 2009 das Geld aus"

Während die Industrievertreter sich verhalten optimistisch zeigten und der Krise mit gelassener Routine begegneten, hörte sich die Lageeinschätzung des italienischen Verbands der Lebenswissensschaften schon alarmierender an.  "Wenn wir keine Unterstützung bekommen, geht einigen Unternehmen Ende 2009 das Geld aus", sagte Assobiotec-Direktor Leonardo Vingiani gegenüber biotechnologie.de. Dabei sei es doch so einfach, der italienischen Biotechnologie kurzfristig unter die Arme zu greifen.

Um die Branche sicher durch das Jahr zu bringen, sei gar nichts so Aufwendiges wie ein Konjunkturpaket notwendig, meinte Vingiani. "Es würde vollauf genügen, wenn die Regierung ihre offenen Rechnungen bei den Biotech-Firmen begleichen würde. Und die Fördermittel auszahlen, die seit drei Jahren versprochen waren." Für die Durchsetzung ihrer Forderungen war die Assobiotec in den vergangenen Wochen sowohl bei Premier Silvio Berlusconi als auch im Wirtschaftsministerium vorstellig geworden. Für die relativ kleine Biotechnologie-Branche Italiens war der Termin beim Premier immerhin ein Achtungserfolg.

Biotechnologie-Report Italien 2009

Die Unternehmensberatung Blossom&Company erstellt in Zusammenarbeit mit dem Branchenverband Assobiotec jedes Jahr einen Bericht über die Situation der Biotechnologie in Italien. Der Report ist in Englisch und Deutsch erhältlich und als pdf (ab dem 9. April 2009) auf den Seiten von Blossom&Company erhältlich.
Zum Bericht: hier klicken

190 Millionen Euro in den nächsten zwei Monaten

Sogar mehr als das. Wie biotechnologie.de erfahren hat, will die Regierung nun endlich die im Rahmen der Initiative “Industrie 2015” schon zugesagten 180-190 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, mit denen öffentliche Einrichtungen bei Unternehmen der Lebenswissenschaften Dienstleistungen und Produkte bestellen sollen. Das Geld soll in den nächsten "ein bis zwei Monaten" zur Verfügung stehen, sagte Assobiotec-Sprecher Mario Bonaccorso. Der Verband erhofft sich von der Maßnahme eine Umsatzbelebung bei den Mitgliedern. Weitergehende Maßnahmen wie Extrakredite für innovative Unternehmen sind den Angaben von Assobiotec zufolge zwar angefragt, ihre Umsetzung ist aufgrund der angespannten Haushaltslage aber unsicher.

Die italienische Biotech-Branche sei gerade in einer sensiblen Phase, betonte der Assobiotec-Präsident Roberto Gradnik in Mailand bei der Vorstellung des neuen Branchenreports. Zwar seien noch keine in Italien entwickelten Biotech-Präparate am Markt, doch die Pipeline der laut den Unternehmensberatern von Blossom&Company 190 Biotech-Firmen im Pharmabereich sei gut gefüllt. Wenn der Branche nun vorzeitig der Atem ausgeht, würde dieses "gewaltige Potenzial" verloren gehen.

Die medizinische Biotechnologie ist - wie in den meisten Ländern auch - in Italien der dominierende Bereich. Zählt man die anderen Sektoren hinzu, gibt es in Italien laut Report 260 Unternehmen, die in biotechnologische Forschung investieren.  Hierbei werden allerdings auch Dependancen internationaler Pharmamultis mitgezählt wie Boehringer-Ingelheim, Astra Zeneca oder Wyeth. Wie viele das Jahr überleben werden, ist fraglich. Auf der BioEurope Spring jedenfalls lag es nicht nur am prächtigen Mailänder Vorfrühling, dass die dunklen Wolken der Finanzkrise weit entfernt schienen. Die Stimmung lässt sich die Branche mit ihrem langfristigen Entwicklungskonzepten offenbar nicht so schnell verderben.

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