Herwig Brunner: Ein Wandler zwischen zwei Welten

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Herwig Brunner leitet das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik. Quelle: BioRegion STERN

10.04.2007  - 

„Eigentlich wollte ich schon im Vorschulalter Forscher werden“, antwortet Herwig Brunner schmunzelnd auf die Frage nach den Wurzeln seiner Karriere. Von da an hat ihn offensichtlich nichts mehr von seinem Ziel abbringen können. Inzwischen leitet er das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik und ist gleichzeitig Professor an der Universität Stuttgart. Sein Hintergrund als erfolgreicher Wissenschaftler und Führungskraft der Biotech-Industrie macht ihn zur Ideal-Besetzung für beide Positionen.

„Als Studienfach habe ich die Technische Chemie gewählt, weil die Berufsaussichten sehr gut waren und der technische Aspekt die Anwendungsnähe garantierte“, so der gebürtige Österreicher. Er studierte an der Universität Wien und spezialisierte sich im zweiten Studienabschnitt auf Technische Biochemie und Mikrobiologie. Nach der Promotion wechselte er zum Institut für Immunologie an der Medizinischen Fakultät.

Den Elfenbeinturm hehrer theoretischer Wissenschaft sah Brunner nie als seinen Bestimmungsort. Vielmehr suchte er durch Industriekontakte schon zu Beginn seiner Laufbahn eine gewisse Erdung. Seine Arbeit sollte den Weg in die Anwendung finden. Brunners Dissertation über die kontinuierliche Fermentation Antibiotika produzierender Pilzmutanten wurde denn auch durch ein Unternehmen finanziert, das ein kommerzielles Interesse an seinen Ergebnissen hatte.

Nie die Anwendung aus den Augen verlieren

Nach Erwerb der ersten wissenschaftlichen Sporen - Brunner charakterisierte erfolgreich humanes Kollagen - wechselte er in die Forschung und Entwicklung bei Boehringer Mannheim. „Eigentlich hatte ich mich als Immunologe beworben. Aber ich bekam dann die Riesenchance, die Entwicklung der mikrobiellen Produktion aufzubauen“, erinnert sich Brunner. Er war zur richtigen Zeit am richtigen Ort, denn damals begann der Boom der industriellen Enzymproduktion. Rund 120 Produktionsverfahren für verschiedene Enzyme hat Brunner in den späten 70er und frühen 80er Jahren mit seinem Team entwickelt.

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Optimierung von Enymleistungen: Brunners Schwerpunkt bei Boehringer Mannheim lag in der industriellen Biotechnologie.

Wie es sich für einen passionierten Wissenschaftler gehört, war die Sache damit aber nicht erledigt: „Es sind mir noch zahlreiche Verfahrens-verbesserungen gelungen, und wir konnten die Ausbeute um den Faktor zehn steigern“, sagt Brunner. Von da an ging es die Karriereleiter steil nach oben. 1988 war Brunner Gesamtforschungsleiter der biologischen Forschung bei Boehringer Mannheim, zwei Jahre später leitete er den Unternehmensbereich Biotechnologie mit weltweit rund 1.200 Mitarbeitern.

Wegbereiter der industriellen Biotech-Produktion

Brunner war stets offen für neue Ideen und Anwendungen, zog aber auch klare ethische Grenzen: „Als in den 80ern die Immundiagnostik entstand und damit die ‚Produktion’ von Antikörpern in der Maus, habe ich gesagt, dass dies keine Zukunftstechnologie ist. Die Maus als Tier kann kein Produktionsmittel bleiben.“ Brunners Lösung bestand darin, In-vitro-Bedingungen zu schaffen, um Hybridomazellen zu fermentieren und mit ihnen Antikörper im 1000-Liter-Maßstab zu produzieren.

Als sich in den 90er Jahren eine Übernahme von Boehringer Mannheim wie später (1996) durch Roche abzeichnete, entschied Brunner, dass es Zeit sei, sich neu zu orientieren. Er hatte bereits gute Kontakte nach Stuttgart und wurde eingeladen, sich auf die Doppelfunktion als Direktor des Fraunhofer-Instituts und Universitäts-Professor zu bewerben. Wie er die doppelte Belastung seither meistert, erklärt er so: „Es gibt eigentlich kein besonderes Rezept, sondern einfach die Frage, welches Team man um sich scharen kann. Motivierte und hochqualifizierte Wissenschaftler heranzuziehen - das ist auch für mich selbst eine enorme Motivation.“

Gelebtes Entrepreneurship als Erfolgsfaktor

Das Selbstverständnis der Fraunhofer-Gesellschaft kommt seinen eigenen Ansichten und seinen Erfahrungen in der Wissenschafts- und in der Industriewelt entgegen. „Im Gegensatz zu vielen akademischen Einrichtungen bleiben Forschungsergebnisse hier nie in der Publikation stecken, sondern sie werden in die Industrie implementiert“, betont Brunner. Mit seinem Engagement für das regionale und überregionale Umfeld hat er es geschafft, dass rund 50 Prozent der Forschungsprojekte des IGB für die Industrie in baden-württembergische Industrieprogramme einfließen. „Unsere Zielgruppe ist im Wesentlichen der Mittelstand und der ist die Stärke in diesem Land“, sagt Brunner.

Aus Überzeugung setzte er sich von Anfang an für die Bildung der BioRegion STERN ein, begann mit anderen ein Netzwerk zwischen den Regionen Stuttgart und Neckar-Alb zu stricken, das schließlich stark genug war, um vor rund sechs Jahren mit dem Konzept zur Regenerationsbiologieden zu den Gewinnern beim BioProfile-Wettbewerb des BMBF zu gehören. „Im Wesentlichen konnten wir unsere Vorstellungen realisieren. BioRegio STERN ist heute ein Netzwerk, das weit über die Regenerationsbiologie hinaus reicht. Es ist eine Drehscheibe für Wissenschaftler und Firmen, eine Beratungsstelle für Start-ups.“ so Brunner. Nur das Ziel, die lokalen Kapitalgeber einzubinden, sieht Brunner noch nicht im gewünschten Ausmaß erreicht.

Der heute 65-jährige will seine Amtszeit als Uni-Professor und Direktor des Fraunhofer-Instituts in diesem Jahr beenden. Er bleibt den Lebenswissenschaften und der mit ihnen verbundenen Biotech-Industrie aber in zahlreichen Beratungsfunktionen und Ämtern erhalten. Neben der Weiterentwicklung der BioRegion - „wir müssen unsere Kräfte noch mehr bündeln, um in der nächsten Exzellenzinitiative auf Bundesebene exzellent abzuschneiden“ - will er sich verstärkt im Bereich Umweltbiologie und biologische Energiealternativen engagieren.

Wissen und Erfahrung weitergeben

„Ich höre an der Uni eher auf als ich müsste, weil ich denke, dass man dem Nachwuchs früh die Möglichkeit einräumen sollte, einzugreifen. Wenn man beraten kann, sollte man dies allerdings tun“, so die Überzeugung des Pensionärs in spe, der hinzufügt: „Außerdem sagt meine Frau, es gibt ein Leben vor dem Tod und ich werde das beherzigen.“ Zumindest hat Brunner dann Zeit, sich verstärkt seinen außerwissenschaftlichen Leidenschaften zu widmen: in den Bergen zu wandern, Ski zu fahren und öfters einmal das Cello hervorzuholen.

Aus seiner Erfahrung heraus rät er jungen Wissenschaftlern, die einen ähnlichen Karriereweg anstreben: „Er muss sich auf jeden Fall treu bleiben, in charakterlicher Hinsicht und auch in seinen wissenschaftlichen Dimensionen. Außerdem sollte er sich rechtzeitig mit Mitarbeitern umgeben, die ähnlich denken und etwas gestalten wollen. Das ist die Basis, alles andere kommt von allein“, so der charismatische Forscher.

Quelle: Erstveröffentlichung bei www.bio-pro.de

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