Analyse zur Artenvielfalt: Pflanzenschutzmittel haben mehr Einfluss als Gentechnik

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Gentechnisch veränderter Mais trägt nicht automatisch zu einer Verringerung der Artenvielfalt bei, wie US-Forscher herausgefunden haben. Quelle: pixelquelle.de

15.06.2007  - 

Ein Vergleich zwischen gentechnisch veränderten und konventionellen Pflanzen zeigt: Felder, auf denen Insektenschutzmittel angewandt werden, greifen stärker in die Artenvielfalt von Nicht-Schädlingen wie Bienen oder Käfern ein als der Anbau von gentechnisch veränderten, insektenresistenten Pflanzen. Zu diesem Schluss kommt eine internationale Metaanalyse von amerikanischen Wissenschaftlern, die insgesamt 42 internationale Studien zu Bt-Mais und Bt-Baumwolle auf diese Frage hin ausgewertet haben. Wie die Autoren im Fachmagazin Science (2007, Vol. 316, S.1475-1477) berichten, ist der Vergleich zwischen gentechnisch veränderten und unbehandelten Pflanzen weniger eindeutig: Je nach Pflanzenart, entsprechender Sorte sowie untersuchter Tierart schneiden mal die einen, mal die anderen besser ab. Unterdessen haben die EU-Agrarminister am 12. Juni eine neue, europaweit einheitliche Kennzeichnung für Öko-Produkte beschlossen, die ab 2009 gelten soll. Hiermit können auch Pflanzen gekennzeichnet werden, die bis zu einem Anteil von 0,9 Prozent zufällige Spuren von gentechnisch veränderten Organismen enthalten.

Der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen zu kommerziellen Zwecken ist in den vergangenen Jahren weltweit stetig gestiegen. Insbesondere für Baumwolle und Mais werden Sorten genutzt, in denen beispielsweise ein spezielles Gen aus dem Bakterium Bacillus thuringiensis (Bt) eingebaut wurde. Damit müssen die so veränderten (transgenen) Pflanzen nicht mehr mit Insektiziden gegen den Schädling Maiszünsler gespritzt werden. Stattdessen sind sie in der Lage, von sich aus das entsprechende Eiweiß gegen den Schädling herzustellen, sobald er die Pflanze befällt.

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Welche Auswirkungen solche gentechnisch veränderten Pflanzen auf andere Tiere haben, ist bereits mehrfach von Wissenschaftlern in Deutschland und der ganzen Welt analysiert worden – solche Studien sind unter anderem Teil von Risiko-Sicherheitsbewertungen, ohne die eine offizielle Zulassung zum kommerziellen Anbau in Europa beispielsweise gar nicht möglich wäre. Kritiker befürchten dennoch, dass transgene Pflanzen langfristig die Artenvielfalt bedrohen, einen negativen Effekt auf die Umwelt haben und diese Frage aus wissenschaftlicher Sicht noch nicht ausreichend beantwortet sei.

Auswertung von mehr als 40 Studien zur Artenvielfalt

Amerikanische Forscher um Michelle Marvier um vom Environmental Studies Institute der Santa Clara University in den USA haben sich diesem Thema nun intensivst gewidmet und insgesamt 42 internationale Studien zu Auswirkungen der Artenvielfalt beim Anbau von Bt-Baumwolle und Bt-Mais in einer sogenannten Metaanalyse ausgewertet. Dabei wurden Angaben zur Häufigkeit von wirbellosen Tieren wie Käfern, Bienen und Ameisen von Feldern mit gv-Pflanzen analysiert und mit Daten von Feldern mit konventionell gezüchteten Pflanzen gegenübergestellt, die entweder mit chemischen Insektiziden behandelt wurden oder nicht.

Insektenresistente Baumwolle schneidet im Vergleich mit konventionell, aber chemisch behandelter Baumwolle besser ab.  Lightbox-Link
Insektenresistente Baumwolle schneidet im Vergleich mit konventionell, aber chemisch behandelter Baumwolle besser ab.

Wie die Wissenschaftler im Fachmagazin Science (2007, Vol. 316, S.1475-1477)  berichten, fiel der Vergleich zwischen gv-Pflanzen und konventionell, aber gespritzten Pflanzen zugunsten der Gentechnik aus: Hier zeigte sich im Durchschnitt eine höhere Artenvielfalt bei Feldern, auf denen Bt-Baumwolle und Bt-Mais angepflanzt wurde. Der Effekt war dabei bei Baumwollfeldern statistisch signifikanter als bei Maisfeldern. Werden hingegen gv-Felder mit solchen verglichen, die keine chemischen Pflanzenschutzmittel nutzen, wurden sowohl keine statistisch relevanten Unterschiede in der Artenvielfalt (z.B. bei der Maissorte MON810) als auch etwas bessere Werte für die unbehandelten, konventionell gezüchteten Pflanzen identifziert. Insbesondere Insekten wie Käfer, Schnabelkerfen, Ameisen und Bienen kommen bei gv-Pflanzen offenbar teilweise seltener vor. „Ob dies tatsächlich an den gv-Pflanzen liegt oder eine Folge von weniger vorhandenen Beutetieren in solchen Feldern darstellt, ist noch unklar“, schreiben die Forscher.

Mit ihrer Studie wollen die Wissenschaftler vor allem zu einem sachlichen Diskurs beitragen, der eine Vielzahl von Analysen und nicht nur einzelne Fallbeispiele berücksichtigt. Sie betonen dabei, dass der Artenvielfaltsvorteil bei transgenen Pflanzen gegenüber konventionellen Züchtungen insbesondere auf der Annahme beruht, dass bei letzteren Insektizide zum Einsatz kommen. Gleichzeitig weisen die Autoren aber darauf hin, dass längst nicht alle konventionell angbauten Baumwoll- oder Maisfelder mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden: Sie nennen dabei Zahlen aus dem Jahr 2005, wonach 71% der US-Baumwoll-Felder  und 23% der US-Maisfelder mit Insektiziden behandelt werden. Darüber hinaus geben sie zu Bedenken, dass der Indikator 'Ausmaß der Artenvielfalt' nicht automatisch mit einem ökologischen Vorteil gleichzusetzen sei. Die Wissenschaftler wollen ihre Studie deshalb nicht politisch für die eine oder die andere Seite verstanden wissen, sondern lediglich Fakten für die Diskussion beisteuern.

Mehr Informationen zu Umweltauswirkungen von gentechnisch veränderte OrganismenLightbox-Link

Ausführliche Informationen zur Sicherheitsforschung rund um gentechnisch veränderte Pflanzen, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert wird, finden Sie auf der folgender Webseite:

www.biosicherheit.de

Ab 2009 europaweit einheitliches Bio-Siegel für Öko-Produkte

Unterdessen haben die EU-Agrarminister am 12. Juni eine Neufassung der EU-Öko-Verordnung beschlossen, die ein europaweit einheitliches Bio-Siegel beinhaltet: Ab 2009 werden Bio-Produkte überall in Europa dasselbe Logo tragen, damit Konsumenten auf einen Blick erkennen können, ob Lebensmittel entsprechend der EU-Ökoverordnung produziert worden sind: zu 95 Prozent mit Zutaten aus ökologischem Anbau. Dabei sollen zufällige, technisch unvermeidbare Spuren von zugelassenen GVOs bis zu einem Anteil von 0,9 Prozent erlaubt sein, ohne dass eine gesonderte Kennzeichnung erfolgen muss. Damit liegt der GVO-Schwellenwert auf gleicher Höhe wie bei konventionellen Nahrungsmitteln. Das EU-Parlament hatte ursprünglich einen Schwellenwert von 0,1 Prozent gefordert, deutsche Politiker wie Ulrike Höfgens, Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, warnten vor einer „Verwässerung“ des Öko-Siegels. Andere, wie Alexander Hissting von der Umweltschutzorganisation Greenpeace, geben sich diplomatischer gegenüber den Schwellenwerten. „In einem globalen Handelssystem kann eine Kontamination gar nicht mehr ausgeschlossen werden“, sagte er gegenüber SPIEGEL ONLINE.

Kritik übt er hingegen an einer anderen Entscheidung: Die neue Verordnung sieht vor, dass Zusatzstoffe und Enzyme, die mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt worden sind, auch bei Bio-Produkten verwendet werden dürfen, sofern solche Stoffe aus konventioneller Produktion nicht mehr erhältlich sind. Länder wie Ungarn, Belgien, Italien und Griecheland hatten gegen die neue Verordnung gestimmt.

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