Landwirte zur grünen Gentechnik befragt

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Ob gentechnisch veränderte Pflanzen eine weit verbreitete Anwendung in der Landwirtschaft finden werden, ist noch ungewiss. Quelle: pixelquelle.de

09.03.2007  - 

Die grüne Gentechnik bleibt ein Dauerthema. Während auf politscher Ebene um rechtliche Rahmenbedingungen für eine kommerzielle Nutzung gerungen wird, versuchen immer neue Studien die Datenlage zu verbessern. So haben Forscher um Achim Spiller von der Universität Göttingen nun eine Umfrage unter norddeutschen Landwirten vorgelegt, die die Stimmung der Unternehmer zur Anwendung gentechnisch veränderten Saatguts analysiert. Demnach äußerte sich ein Drittel der 370 befragten Landwirte komplett ablehnend, ein Drittel befürwortend und ein Drittel unentschieden. Ob sich die kommerzielle Nutzung der grünen Gentechnik in Deutschland langfristig durchsetzen wird, sehen auch die Experten der Berlin-Brandenburgischen Akadamie der Wissenschaft in ihrem neuesten Bericht zur grünen Gentechnologie kritisch: Für die kommenden Jahre erwarten sie trotz weltweiter Wachstumsprognosen keinen starken Anstieg der Anbaufläche in Deutschland.

Der Einsatz der grünen Gentechnik bleibt ein umstrittenes Thema – zumindest in der breiten Öffentlichkeit. Während deutsche Politiker um eine neue Ausgestaltung des Gentechnik-Gesetzes ringen, ist weltweit ein eindeutiger Trend zum Wachstum erkennbar: Die kommerzielle Nutzung der grünen Gentechnik ist in den vergangenen Jahre stetig gestiegen. Im Jahr 2006 wurde vom ISAAA eine Anbaufläche gentechnisch veränderter Pflanzen von rund 100 Milliarden Hektar gezählt. Deutschland nimmt hierbei nur einen verschwindend kleinen Platz ein: Im Jahr 2006 wurden beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit rund 950 Hektar registriert, für dieses Jahr wird auf der Basis der bisherigen Anmeldungen ein Anstieg auf rund 3000 Hektar prognostiziert.

Landwirte weniger ablehnend als vermutet

Was Landwirte in Deutschland vom Einsatz gentechnisch veränderten Saatguts halten, das hat nun Achim Spiller, Agrarwissenschaftler der Universität Göttingen, anhand einer Studie genauer unter die Lupe genommen. Dabei wurden insgesamt 370 Landwirte befragt, insbesondere Besitzer größere Agrarbetriebe in Norddeutschland, Knapp ein Drittel befürwortet demnach die Verwendung von gentechnisch veränderten Saatgutsorten, während sich 29 Prozent klar gegen den Einsatz von gentechnisch verändertem Saatgut aussprechen. "Die größte Gruppe von über 38 Prozent ist unentschlossen kritisch, aber nicht gänzlich ablehnend", so Spiller. Um zu klären, welche Einflussgrößen die Einstellung der Landwirte gegenüber grüner Gentechnik maßgeblich bestimmen, wurde eine sogenannte Regressionsanalyse durchgeführt. Mit einem solchen statistischen Verfahren kann berechnet werden, welche Faktoren die Gesamteinschätzung besonders stark prägen. Dabei wurde festgestellt, dass vor allem das Meinungsbild der Familie und der ökonomische Druck eine zustimmende Haltung gegenüber gv-Pflanzen beeinflussen. "So ist davon auszugehen, dass einige Landwirte gv-Saatgut aufgrund wirtschaftlicher Vorteile einsetzen würden, obgleich sie dieser Thematik unter Umständen kritisch gegenüberstehen. Neben der Zustimmung des räumlichen Umfelds spielt außerdem das Innovationsverhalten landwirtschaftlicher Entscheider gegenüber neuen Saatgutsorten eine wichtige Rolle", betont Studienleiter Julian Voss. "Erstaunlicherweise haben das Haftungsrisiko und mögliche Probleme wie eine Verunkrautung der Anbauflächen nur eine nachgeordnete Bedeutung." Die Befragung gibt zudem darüber Aufschluss, wie gefestigt das Meinungsbild der befragten Landwirte gegenüber der grünen Gentenik tatsächlich ist. Danach schwanken Gegner des GV-Saatguts in ihrer Einstellung deutlich stärker als die Gentechnik-Befürworter.


Patentanmeldungen in der grünen Gentechnologie 2000-2004

JahrSumme der PatentanmeldungenAnzahl der Patent-anmeldenden Unternehmen   Anzahl der Patent-anmeldenden öffentlichen Einrichtungen und Privatpersonen
2000601412
2001611312
200271168
200333610
200474613

Quelle: BBAW (Recherche im Deutschen Patent-und Markenamt)

BBAW-Bericht: Kein starker Anstieg der kommerziellen Nutzung zu erwarten

Auf die konkrete Frage, ob künftig der Einsatz von gv-Saatgutsorten geplant ist, antworteten jedoch auch die befürwortenden Landwirte zurückhaltend. Die Bereitschaft sei nur dann größer, wenn ein konkretes Produkt mit Vor- und Nachteilen benannt werde. „Dann steigt selbst in der Gruppe der Gegner die Verwendungswahrscheinlichkeit“, so Spiller, der an er Universität Göttingen den Arbeitsbereich Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte leitet. Eine weniger positive Zukunftssperspektive für deutsche Landwirte zeichnen hingegen die Experten der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) in ihrem neuesten Bericht „Grüne Gentechnologie“, der Anfang März in Berlin vorgestellt wurde. Auf knapp 180 Seiten hat eine Arbeitsgruppe um Ferdinand Hucho aktuelle Trends aus Wissenschaft und Wirtschaft zusammengefasst, um den bereits im Jahr 2005 erschienenen Gentechnologiebericht mit neuesten Daten und Fakten zu ergänzen. „Langfristig wird die kommerzielle Nutzung der grünen Gentechnik in Deutschland nicht stark ansteigen“, so lautete das Fazit von Mitautor Mathias Boysen auf der Pressekonferenz in Berlin. „Aufgrund der klimatischen Bedingungen sind für Deutschland zunächst nur die Produkte Mais und Raps interessant und diese zeigten im weltweiten Vergleich aller gv-Produkte den geringsten Einkommensvorteil“, so Boysen. Weitere Hemmnisse in der größeren Verbreitung der Anbaufläche in Deutschland werden in der Einhaltung von Koexistenzregeln und der hieraus resultierenden Markttrennung sowie dem noch immer ungeklärten Haftungsrisiko gesehen. „Da dies in den USA und in anderen Ländern anders gehandhabt wird, ergeben sich für die meisten europäischen Länder Wettbewerbsnachteile“, kommentiert er. Eine vollständige Abkopplung von landwirtschaften gv-Produkten sei jedoch aufgrund der weltweiten Entwicklung zukünftig nur unter großem politischen, finanziellen und logistischen Aufwand möglich, hieß es weiter. Was die ökonomischen Effekte des Anbaus von gv-Nutzpflanzen betrifft, so wird beispielsweise eine Studie von Brookes und Barfoot aus dem Jahr 2005 zitiert, die für einen Zeitraum von 1994-2004 einen ökonomischen Vorteil für Landwirte von insgesamt 27 Mrd. US-$ Nettogewinn berechnet haben, der insbesondere auf den Anbau von Soja und Baumwolle zurückzuführen war. Als Lobbygruppe für die eine oder andere Seite wollen sich die BBAW-Experten jedoch nicht verstanden wissen. „Der Bericht soll einen Beitrag zur Versachlichung der Debatte leisten“, betonte Ferdinand Hucho, Leiter der interdisziplinären BBAW-Arbeitsgruppe zur grünen Gentechnologie.

Neue Techniken in der Diskussion: Smart-breeding und Cisgene Pflanzen

Aus wissenschaftlicher Sicht beschäftigt sich der Bericht unter anderem mit dem Verfahren des sogenannen „Smart breeding“, das als eine Art Präszisionszüchtung eingesetzt wird. Gendiagnostische Techniken ermöglichen hierbei, einzelne genetisch bedingte Eigenschaften von Pflanzen schon im Labor zu erkennen und so sehr früh eine Auswahl im Züchtungsprozess zu treffen. „Der sonst Jahre dauernde Prozess der Züchtung kann auf diese Weise erheblich verkürzt werden“, erklärt Pflanzenforscher Bernd Müller-Röber von der Universität als Erstautor des BBAW-Berichts. Dass diese Technik den Einsatz der grünen Gentechnologie – also den gezielten Transfer von fremden Genen in eine Pflanze – gänzlich überflüssig machen wird, glaubt der Experte dennoch nicht. „Ich sehe ein Nebeneinander verschiedenster Methoden, da sich langfristig nicht alle gewünschten Eigenschaft aus einer Art heraus züchten lassen“, so Müller-Röber. Als äußerst spannend bezeichnete der Forscher darüber hinaus die Diskussion um sogenannte cisgene Pflanzen. Hierbei handelt es sich um einen experimentellen Ansatz, in dem nicht artfremde, sondern pflanzeneigene Gene im Labor neu kombiniert und dann wieder ins Pflanzengenom integriert werden. Auf diese Weise können in der Pflanze neue Eigenschaften generiert werden, beispielsweise dass ein Enzym nicht mehr nur in den Blättern, sondern auch in der Wurzel gebildet wird – es übt also seine bisherige Funktion aus und darüber hinaus noch weitere. „Bislang kann diese Technik jedoch nur auf Pflanzen angewendet werden, deren Genom vollständig entschlüsselt ist“, erläutert Müller-Röber. Und da bis dato nur zehn bekannt sind, ist die Zahl möglicher Experimente noch begrenzt und nur einige wenige Firmen aus den USA und Neuseeland haben angekündigt, Cisgentechnologien kommerziell zu entwickeln. So führt der Bericht Studien über Kartoffeln, über Erdbeeren und Äpfeln auf.

Allerdings ist die Frage noch ungeklärt, wie cisgene Pflanzen rechtlich einzuordnen sind. Aus der Sicht von Müller-Röber sind sie nicht als sogenannte transgene Organismen einzustufen, da es sich um eine Art „Selbstklonierung“ handele und damit nicht zur Herstellung einer gentechnisch veränderten Pflanze laut GVO- Definition komme, die nur dann erfolgt, wenn artfremdes Erbgut hinzugefügt wird. Auch im BBAW-Bericht wird die Meinung vertreten, dass cisgene Pflanzen so behandelt werden sollten wie aus klassischer Mutationszüchtung hervorgegangene Pflanzen. Auf der Pressekonferenz in Berlin räumte Müller-Röber jedoch ein, dass es hierzu auch andere Meinungen in der Wissenschaft gebe und ein abschließendes Urteil noch nicht gefällt werden könne.

Biosicherheit

Mehr Informationen zu Umweltauswirkungen von gentechnisch veränderte Organismen

Sie suchen ausführliche Informationen zu Umweltauswirkungen von gentechnisch veränderter Organismen? Die Webseite biosicherheit.de hat hierzu ein umfangreiches Angebot. Zum aktuellen BVL-Bescheid gibt es eine ausführliche Disskussion der zitierten Studien. Mehr


Grüne Gentechnik

Mehr Informationen zur Grünen Gentechnik auf biotechnologie.de

Sie wollen sich über Grüne Gentechnik informieren? Auf biotechnologie.de finden Sie dazu mehrere Gelegenheiten.


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