Gentherapie-Patient kurz nach Erfolgsmeldung verstorben

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Leiden Menschen an der Septischen Granulomatose, funktionieren ihre Fresszellen (Makrophagen) - hier vier im Bild - nicht wie gewohnt. Sie können sich deshalb nicht gegen eindringende Bakterien und Pilze wehren. Quelle: Boehringer Ingelheim International GmbH

02.05.2006  - 

Anfang April herrschte noch  Zuversicht: Ein deutsch-schweizerisches Forscherteam vermeldete im Fachmagazin Nature Medicine (Vol. 12, S. 401 - 409) den Erfolg einer Gentherapie bei zwei Erwachsenen, die an der Immunkrankheit Septische Granulomatose (CGD) leiden. Zwei Jahre nach der Behandlung waren die Beschwerden verschwunden, hieß es damals vielversprechend. Ende April haben die Forscher aus Frankfurt am Main auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) in Wiesbaden nun den Tod eines der beiden Patienten  mitteilen müssen. Der 28-Jährige ist am 10. April in einer Düsseldorfer Klinik an Blutvergiftung gestorben. Ein Zusammenhang mit der Gentherapie scheint unwahrscheinlich, wird aber nicht ausgeschlossen.

Bislang geht das Forscherteam um Manuel Grez (Georg-Speyer-Haus), Dieter Hoelzer (Klinikum der Goethe-Universität Frankfurt am Main) und Christof von Kalle (DKFZ Heidelberg) davon aus, dass der Patient an den Folgen seiner Grunderkrankung CGD verstorben ist. Diese angeborene Immunkrankheit ist sehr selten, von ihr sind in Deutschland nur etwa hundert Menschen betroffen. Die Patienten leiden unter schweren, häufig nicht heilbaren Pilz- und Bakterieninfektionen, die zu Organschäden und schließlich zum Tode führen können. Die Ursache der Krankheit liegt in einem angeborenen genetischen Defekt des Enyzmkomplexes NADPH-Oxidase. Er sorgt normalerweise dafür, dass die Fresszellen (Phagozyten) toxische Sauerstoffverbindungen produzieren und damit Pilze und Bakterien abtöten, die in den Körper eindringen. Bei CGD-Patienten funktioniert dieses Abwehrsystem jedoch nicht: Die Kranken sind Infektionen daher schutzlos ausgeliefert. Insgesamt vier Gene sind für die Bildung des wichtigen Enzymkomplexes notwendig. Die Wissenschaftler haben jedoch festgestellt, dass der Funktionsverlust in den Fresszellen am häufigsten auftritt, wenn das gp91phox-Gen auf dem X-Chromosom mutiert ist.

Intaktes Gen in blutbildende Stammzellen eingeschleust

Mithilfe der somatischen Gentherapie schleusten die Frankfurter Forscher nun vor zwei Jahren eine intakte Variante dieses Gens in blutbildende Stammzellen zweier erwachsenen Patienten ein. Als Genfähre dienten dabei Retroviren, die gentechnisch so verändert wurden, dass sie das intakte Gen an zufälligen Stellen im Genom der Blutstammzellen einbauen können. Die so behandelten Zellen trugen anschließend sowohl das kranke als auch das gesunde Gen in sich. Fünf Stunden später wurden den Patienten die "reparierten" Zellen wieder zurück in die Blutbahn gegeben. Um für die genetisch veränderten Blutstammzellen günstigere Bedingungen zu schaffen, haben die Forscher die Zahl der defekten Zellen der Patienten zuvor mit einer milden Chemotherapie verringert.

Gentherapie schlug nach 50 Tagen an

Rund 50 Tage nach der Behandlung schlug die Gentherapie an, obwohl nur rund ein Drittel der Abwehrzellen die gewünschten keimtötenden Verbindungen produzieren konnte: Infektionen an Leber und Lunge, die mit normalen Medikamenten nicht mehr behandelt werden konnten, gingen teilweise oder vollständig zurück. Anfang April berichteten die Forscher über ihre Behandlungsergebnisse im Fachmagazin Nature Medicine (Vol. 12, S. 401-409). Doch schon damals blieben sie in ihrer Wertung vorsichtig und sprachen nicht von Heilung. Schließlich zeigte sich auch, dass drei bis vier Monate nach der Gentherapie die Zahlen der gentechnisch veränderten Zellen nochmals deutlich anstieg – offenbar hatten die Genfähren außer dem gewünschten Gen noch drei andere aktiviert, die zu einem erhöhten Zellwachstum beitrugen. Dies könnte unter besonderen Umständen zu Blutkrebs führen, hatten die Forscher bereits vor einem Monat betont.

Tod des Patienten gibt Forschern Rätsel auf

Am 10. April ist einer der beiden Patienten nun an einer Blutvergiftung gestorben, bei der mehrere innere Organe versagten. Dies teilte Dieter Hoelzer von der Frankfurter Universitätsklinik auf der 112. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) mit, die bis zum 28. April in Wiesbaden stattfand. Welche Erreger die Vergiftung ausgelöst haben, ist jedoch noch unklar. Einige Tage vor dem Tod wurde dem 28-Jährigen die Milz entfernt – warum ließen die Forscher in Wiesbaden offen. Ob der Tod mit der Gentherapie in Zusammenhang steht, ist nicht ausgeschlossen. Untersuchungen von Zellproben sollen nun Klarheit bringen, hieß es. So will Christof von Kalle vom Nationalen Zentrum für Tumorerkankungen die Blutzellen der behandelten Patienten danach durchforsten, ob die eingeschleusten Gene dafür verantwortlich sein könnten. Mit ersten Ergebnissen wird jedoch frühestens in vier Wochen gerechnet. Die Forscher halten es aber eher für denkbar, dass ihr Patient eine nochmalige Gentherapie gebraucht hätte. „Wir haben die Studie erst einmal unterbrochen, solange die Todesursache nicht aufgeklärt ist“, sagte Dieter Hoelzer von der Frankfurter Universitätsklinik in Wiesbaden.

Kein Gau der deutschen Gentherapie

Der Gau der deutschen Gentherapie sei mit dem Todesfall jedoch nicht passiert, glaubt Klaus Cichutek, Vizepräsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), das in Deutschland über die Durchführung von Gentherapie-Studien entscheidet. „Das ist ein Schock für uns alle“ sagte er gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Derzeit sehe er jedoch keine Hinweise darauf, dass die Gentherapie den Tod des Patienten versursacht habe.

Wie die Forscher ebenso in Wiesbaden mitteilten, geht es dem zweiten in Frankfurt behandelten Patienten indes gut. Er habe gerade eine 60 Kilometer lange Radtour hinter sich, berichtete Hoelzer, und müsse nach wie vor nicht mehr stationär behandelt werden. Ein dritter Patient in der Schweiz habe ebenfalls gut auf die Gentherapie angesprochen. Der Junge konnte zuvor weder stehen noch gehen, lerne jetzt aber wieder laufen.

Weiterführende Informationen

Georg-Speyer-Haus

Artikel in Nature Medicine

Deutsche Forscher aus Frankfurt am Main haben im Fachmagazin "Nature Medicine" (Online-Ausgabe, 2. April 2006) vermeldet, dass eine Gentherapie erstmals bei Erwachsenen angeschlagen hat. Zwei Patienten, die an der angeborenen Immunkrankheit Septische Granulomatose (CGD) leiden, wurden mit gentechnisch veränderten Blutstammzellen behandelt. Seit 16 Monaten sind beide nicht mehr auf besondere Immunschutzmaßnahmen angewiesen und einige Bakterieninfektionen, die sie vorher jahrelang mit sich herumschleppten, sind seit der Therapie verschwunden. Von Heilung kann derzeit aber noch nicht gesprochen werden. Dazu sind langfristigere Beobachtungen nötig.

Deutsche Forscher melden vorsichtig Erfolg bei Gentherapie