Perlmutt aus dem Protein-Labor

Mit Hilfe des grün fluoreszierenden Proteins lässt sich die Kristallisation bestimmter Kalk-Arten gezielt steuern. Unter anderem kann damit glänzendes Perlmutt wie das im Innern von Muscheln hergestellt werden. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Mit Hilfe des grün fluoreszierenden Proteins lässt sich die Kristallisation bestimmter Kalk-Arten gezielt steuern. Unter anderem kann damit glänzendes Perlmutt wie das im Innern von Muscheln hergestellt werden.

19.02.2013  - 

Perlmutt ist nicht nur ein schillernd schönes Material für Schmuckliebhaber. Wegen seiner großen Festigkeit und Härte ist der Stoff auch für unterschiedlichste industrielle Anwendungen, etwa als Grundsubstanz für Gelenk-Prothesen, interessant. Doch die Herstellung ist bisher aufwendig und rohstoffintensiv. Forscher des Saarbrücker Leibniz-Instituts für Neue Materialien haben nun entscheidende Fortschritte auf dem Weg zu einer biotechnologischen Herstellung des Kalk-Komposits erreicht. Dabei leistet das grün fluoreszierende Protein (GFP) entscheidende Hilfestellung. Es macht eine Perlmutt-Komponente wasserlöslich und hilft, das Material maßgeschneidert herzustellen. Die Wissenschaftler berichten im Fachjournal PLoS ONE (2012, Online-Veröffentlichung).

Das grün fluoreszierende Protein GFP ist aus der Werkzeugkiste der Molekularbiologen nicht mehr wegzudenken. Besonders in der Zell- und Entwicklungsbiologie kommt das leuchtende Eiweißmolekül als eine Art molekulare Laterne zum Einsatz, um Strukturen oder Bewegungen sichtbar zu machen (mehr...). Nun könnte dem Protein eine weitere Karriere bevorstehen – in der Materialwissenschaft. Einem Forscherteam um Ingrid Weiss, Leiterin des Programmbereichs Biomineralisation am INM – Leibniz-Institut für Neue Materialien gelang es, mit Hilfe des GFP und dem Seeohr-Protein Perlucin, gezielt die Kristallisation von Kalk zu stimulieren. Unter Zugabe von Calcium- und Carbonat-Ionen schafften es die Forscher im Reagenzglas, unter anderem Perlmutt herzustellen. Je nachdem in welcher Reihenfolge die Wissenschaftler den Versuch durchführten oder den pH-Wert veränderten, variierte auch das Kristallisationsmuster. Das GFP-Protein übernimmt Weiss zufolge dabei gleich zwei wichtige Aufgaben: „GFP erhöht die Löslichkeit von Perlucin; nur so können wir überhaupt in Wasser damit arbeiten.“ Außerdem habe es auch selbst einen Einfluss darauf, welche Kalk-Arten entstehen“, so die Biologin.

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Der Löslichkeits-Trick mit dem GFP

Natürliches Perlmutt ist ein Kompositmaterial, denn es besteht sowohl aus anorganischen Schichten von Calciumcarbonat, als auch aus organischen Bestandteilen wie Chitin, Kollagen und bestimmten Proteinen, die als eine Art Kleber für die Festigkeit der glänzenden Substanz sorgen. Chemiker vermuten, dass gerade die Proteine die Kristallisation der Ionen lenken und somit direkt für den Aufbau von Perlmutt verantwortlich sind. Genau diese Strukturen konnte das Forscherteam im Reagenzglas nachbauen. „Wenn wir die entstandenen Kalk-Arten im Elektronenmikroskop oder mittels Fluoreszenzabbildung untersuchen, sehen wir, dass GFP ebenfalls als „Abstandhalter“ für die Calciumcarbonatplättchen und -kristalle dient, also am Wachstum der Kristalle möglicherweise beteiligt ist“, so die Wissenschaftlerin. Welche Rolle, das GFP tatsächlich inne habe, sei ungewiss, betonte Weiss. Weitere Forschungsarbeiten müssen nun klären ob GFP lediglich als Abstandhalter dient, oder tatsächlich die Biomineralisation steuert.In dieser Folge der Kreidezeit erklären wir, wie GFP einen Organismus zum Leuchten bringen kann.Quelle: biotechnologie.tv

Biologische Nanopartikel aus dem Baukasten

Für die Zukunft sieht die Forscherin in ihrer Entdeckung ein großes Potenzial für die industrielle Biotechnologie: „Wenn wir die „Wachstumsproteine“ von Muscheln durch GFP in eine lösliche Form bringen, ist der erste Schritt getan, sie in Bakterien zu exprimieren“, sagt Weiss.  Vorstellbar wäre auch eine Großproduktion von „biologischen Nanopartikeln“. Durch Zugabe von billigem und reichlich vorhandenem, gelöstem Kalk in großen Reaktionsgefäßen ließe sich so die Wunsch-Kalk-Art herstellen. Auch neue Verbundstoffe könnten durch das Verfahren geschaffen werden: „Wenn wir nun noch die Proteine der Muscheln und Schnecken variieren und auch andere Carbonate verwenden, haben wir ein Baukastensystem, das uns eine Vielzahl von Komposit-Materialien auf biologischem Wege eröffnet“, so die Wissenschaftlerin. 

© biotechnologie.de/ks+pg

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