Biobanker fordern Unterstützung

Kalter Schatz: Bei Minusgraden lagern Blut- und Gewebeproben in einer Biobank. Die vergleichende Analyse der Proben von gesunden und kranken Spendern soll Aufschluss über die Krankheitsentstehung geben und bei der Arzneimittelentwicklung helfen. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Kalter Schatz: Bei Minusgraden lagern Blut- und Gewebeproben in einer Biobank. Die vergleichende Analyse der Proben von gesunden und kranken Spendern soll Aufschluss über die Krankheitsentstehung geben und bei der Arzneimittelentwicklung helfen. Quelle: Biobank der Blutspender, Deutsches Rotes Kreuz München

13.12.2012  - 

Biobanken gelten als Goldminen des 21. Jahrhunderts. Das erklärten Experten vor gut 100 Fachbesuchern auf dem ersten Nationalen Biobanken-Symposium am 12. Dezember in Berlin. Die Analyse der in Biobanken gesammelten Gewebe und Körperflüssigkeiten liefere wichtige Hinweise auf krankhaft veränderte Gene oder Eiweiße, die helfen können, die Therapie und Diagnose von Volkskrankheiten zu verbessern. Dies mache Biobanken zu einer unverzichtbaren Ressource für die biomedizinische Forschung, hieß es auf der Tagung, die das Deutsche Biobanken-Register am 12. Dezember ausgerichtet hatte. Vertreter der größten Biobanken Deutschlands zogen in Berlin Bilanz, was bei der derzeit laufenden Vernetzung der deutschen Biobanken bereits geleistet wurde und was noch zu tun ist. 

Damit Wissenschaftler tatsächlich krankheitsrelevante Moleküle in Zellen, Geweben, Blut oder Urin aufspüren können, brauchen sie vor allem eines: viele Proben. Oft sind die bestehenden Sammlungen an Krankenhäusern oder Forschungszentren aber zu klein. Deshalb laufen weltweit Initiativen, existierende Biobanken miteinander zu vernetzen. Ziel dabei ist es, möglichst viele vergleichbare Proben von Patienten mit derselben Krankheit nach auffälligen Veränderungen von Genen, Proteinen oder Stoffwechselprodukten zu durchforsten. Denn nur in einer großen Zahl von Proben lassen sich krankheitsrelevante Unterschiede im Molekülmuster verschiedener Personen von individuellen Schwankungen unterscheiden, die ganz normal sind.

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Biobank-Vernetzung: Weitere Anstrengungen notwendig

Als „Paradebeispiel einer positiven Entwicklung“ bezeichnete Michael Hummel von der Berliner Charité die seit 2010 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 25 Millionen Euro geförderte Nationale Biobanken-Initiative und die ebenfalls vom BMBF mitfinanzierte Zentralisierung von Biobanken in der Biobank des Münchener m4-Spitzenclusters. An der RWTH Aachen, der Charité Berlin, der Universitätsklinik Heidelberg sowie an den Universitäten Kiel und Würzburg werden dazu die lokal vorhandenen Biobanken miteinander vernetzt (mehr...) und die Arbeitsabläufe so vereinheitlicht, dass die Ergebnisse der Analysen miteinander vergleichbar sind. Wie wichtig die Kooperation unterschiedlicher Biobanken etwa für die Auswahl der individuell am besten wirksamen Krebstherapie sei, zeige sich bereits heute im Bereich der sogenannten Personalisierten Medizin, unterstrich Charitè-Forscher Manfred Dietel. „Sämtliche molekularen Tests, mit denen die Wirksamkeit und Verträglichkeit sogenannter gezielter Therapien vorab überprüft werden, um unnötige Behandlungen zu vermeiden, basieren auf wissenschaftlichen Untersuchungen an Geweben aus Biobanken." Sein Fazit ist klar: Das in Biobanken gelagerte Gewebe ist deshalb das Gold des 21. Jahrhunderts.

Dennoch gibt es hierzulande noch einiges zu tun, das wurde auf der Tagung deutlich. Neidvoll blicken die deutschen Forscher derzeit nach Schweden und in europäische Nachbarländer. Denn dort ist man bereits weiter mit der Vernetzung. „Wir haben bereits vor drei Jahren begonnen, unsere 579 Biobanken in einer nationalen Biobanken-Infrastruktur zu vernetzen, um die medizinische Forschung in Schweden voranzubringen“, erklärte Mark Divers, Kopf der Biobank des Stockholmer Karolinska-Instituts und der schwedischen Infrastruktur BBMRI.se. Mit dieser beteiligt sich Schweden an der europäischen Biobank-Infrastruktur BBMRI, die die Informationen von 313 großen europäischen Biobanken bündelt. „Schon ab nächstem Februar wird die EU im Rahmen der BBMRI Large Prospective Cohorts Untersuchungen mit 24 Millionen Proben von 2,5 Millionen Patienten fördern“, berichtete Erich Wichmann, Leiter der Münchner m4 Biobank. „Wir brauchen BBMRI. Die skandinavischen Länder, Holland, Spanien und Frankreich sind dabei. Das einzige Land, das sich bisher ausschließt, ist Deutschland. Deutschland braucht zudem dringend eine Nationale Koordination beim Biobanking – sonst fallen wir zurück“, mahnte Wichmann in Berlin. Wichtig ist aus seiner Sicht auch eine Abstimmung mit den vom BMBF geförderten Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, an denen ebenfalls Biobanken aufgebaut werden, um Volkskrankheiten zu erforschen.

Deutsches Biobanken-Register

Das Deutsche Biobanken-Register soll den Probenaustausch von Forschergruppen fördern und Transparenz schaffen.

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„Die deutsche Biobanken-Landschaft wächst strukturiert, aber eine echte Koordination fehlt“, bestätigte Christina Schröder vom Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Forschung. Das Problem sei bereits seit 2010 bekannt, aber die Pläne einer Nationalen Biobanken-Plattform seien bisher nicht verwirklicht worden. Dabei sind die technischen Unterschiede zwischen den verschiedenen Biobanken „keine prinzipielle Hürde“, die einer nationalen Vernetzung entgegenstünden, so Schröder. Ein durchsuchbares Biobanken-Register, das derzeit Daten von 110 deutschen Biobanken enthält, soll Anfang nächsten Jahres starten, berichtete sie.

Vergleichbarkeit entscheidend

Mit der Vernetzung der Biobanken ist es aber nicht getan. Entscheidend sei, dass man sich auf eine gemeinsame Sprache einige und die Datensätze vereinheitliche, damit Forscher auf Daten- oder Probensuche auch in anderen Biobanken passende Ergebnisse finden könnten, erläuterte Medizininformatik-Experte Frank Ückert von der Uniklinik Mainz. Darüber hinaus müsse sichergestellt werden, dass die Analysenergebnisse verschiedener Biobanken und die Probenqualität der Biomaterialen von guter Qualität seien, unterstrich Michael Kientopf von der Uniklinik Mannheim. Ein bereits in der Laboratoriumsmedizin bewährtes Mittel zur Qualitätssicherung seien Ringversuche, in denen Labors Proben bekannter Zusammensetzung zur Analyse übersandt würden. „Nur den Labors, die akzeptable Resultate liefern, wird eine hohe Qualität bescheinigt“, so der Mediziner. Zudem hat Kientopf sogenannte Qualitätsbiomarker entwickelt, die Hinweise darauf geben, wie stark bestimmte Proteine oder die DNA in gelagerten Biomaterialien abgebaut sind. Dies wiederum gestattet eine Aussage über die Qualität von Biobanken. Derzeit arbeitet Kientopf an einem Satz von Qualitätsbiomarkern, die er Biobanken zur Qualitätssicherung anbieten will.

Mit der Vergleichbarkeit der Analysen verschiedener Biobanken steht und fällt auch der Wert ihrer Vernetzung. „Kleinste Unterschiede in der Probenhandhabung vor der eigentlichen Analyse haben große Auswirkungen auf die späteren Analyseergebnisse“, erläuterte Joachim Thiery, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin und Koordinator der LIFE-Biobank (mehr...).   Schwankungen in der Zeit bis zum Einfrieren, beim Transport in die Tiefkühlbehälter, bei der Gewebefixierung, aber auch die Reproduzierbarkeit der eingesetzten Untersuchungsmethoden sind daher geroße Herausforderungen, die es zu meistern gilt.

Rechtssicherheit für Spender

Neben wissenschaftlichen Fragen sind aber auch rechtliche zu klären. So wird bereits seit Jahren darüber diskutiert, wie eine langfristige Forschung an gespendeten Probenmaterialien sichergestellt werden soll. Der Mannheimer Rechtsexperte Jochen Taupitz geht davon aus, dass Patienten der Forschung ihre Körpermaterialien zur Verfügung stellen können, auch ohne dass genau festgelegt ist, zu welchem Zweck ihre Materialien eingesetzt werden. Um die Sicherheit der personenbezogener Daten zu gewährleisten, schlägt das Mitglied des Deutschen Ethikrates vor, ein der ärztlichen Schweigepflicht ähnliches Biobankgeheimnis einzuführen. Dies hatte der Ethikrat bereits 2010 empfohlen, um die Proben vor unberechtigtem Zugriff zu schützen. Einen Entwurf für eine liberale einheitliche Einverständniserklärung soll im nächsten Jahr vorgestellt werden.

© biotechnologie.de/tg

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