Calcium-Express: Turbo-Schalter bei Zellpumpe entdeckt

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Die Calciumpumpe besitzt eine weitere Turbo-Bindungsstelle. Das fanden europäische Forscher bei Untersuchungen der hantelförmigen Schalterstruktur heraus. Quelle: Henning Tidow et al.

23.10.2012  - 

Die Calcium-Pumpen unserer Körperzellen besitzen einen Express-Schalter. Das haben europäische Forscher bei Strukturanalysen an der Synchrotronstrahlungsquelle ESRF in Grenoble und der Hamburger DESY-Röntgenlichtquelle DORIS entdeckt. Bislang kannte die Wissenschaft nur die Ein- und Aus-Stellung der Pumpe. Nach neuesten Erkenntnissen verfügen die Pumpen aber zusätzlich über eine Art Turbo. Das Team arbeitete unter Leitung dänischer Forscher von der Universität Aarhus und der Universität Kopenhagen. Über die Ergebnisse berichten sie im Fachjournal Nature (2012, Online-Vorabveröffentlichung).

Calcium spielt nicht nur als Härtemittel für Knochen und Zähne eine wichtige Rolle. Ohne das Element könnten etwa die Muskeln nicht kontrahieren. Außerdem ist es wichtig für die Blutgerinnung und Zellteilung. Calcium wirkt in zu hoher Konzentration aber auch zerstörerisch. Unter normalen Bedingungen ist die Konzentration der Moleküle außerhalb der Zelle hoch und innerhalb niedrig. Es besteht ein sogenanntes Konzentrationsgefälle. Bei körperlicher Anstrengung oder durch Stress steigt der Calciumgehalt der Zellen und muss ausgeglichen werden.

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Pumpenturbo bei höher entwickelten Organismen

Aus diesem Grund sind alle höher entwickelten Organismen mit einem Zellkern ebenfalls mit Calciumpumpen ausgestattet. Sie sorgen für den ständigen Ausgleich der Konzentrationen. Ein europäisches Forscherteam analysierte unter Leitung des Biologen Henning Tidow und der Agrarbiologin Lisbeth Poulsen die Calciumpumpen-Moleküle der – molekular gesehen – wohl am besten verstandenen Pflanze der Welt (mehr...). Bei Untersuchungen der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) entdeckten die Forscher, dass die Calciumpumpe neben dem bisher bekannten Ein- und Aus-Schalter über einen dritten Express-Schalter verfügt. Das fanden die Forscher unter anderem bei der Durchleuchtung von Proteinkristallen an der Hamburger DESY-Röntgenlichtquelle DORIS heraus. Bei der molekularen Inspektion der Ackerschmalwand-Calciumpumpe entdeckten die Forscher einen zweiten, bisher unbekannten Rezeptor auf dem Schaltermolekül, der ebenfalls auf die Kraft der Calciumpumpe wirkt.

Calciumpumpe hat zwei Bindungsstellen

Für Poulsen ist der Rezeptor der Zelle eine Möglichkeit Energie zu sparen: „Der Calciumtransport aus der Zelle benötigt viel Energie. Daher ist es wichtig, dass die Pumpe nur aktiviert wird, wenn nötig.“ Um bei Bedarf anzuspringen, besitzen diese sogenannten PMCA-Pumpen (Plasma-Membran- Calcium-ATPase) einen Schalter, der indirekt durch die Anwesenheit von Calcium betätigt wird. Calcium bindet in der Zelle an das Protein Calmodulin. Dieses ändert durch den Kontakt seine Form und kann dadurch an die Calciumpumpe in der Zellmembran andocken und sie aktivieren. In dieser Folge der Kreidezeit erklären wir, was sich hinter dem Begriff Röntgenstrukturanalyse verbirgt.Quelle: biotechnologie.tvAus den Messungen fertigten die Wissenschaftler ein dreidimensionales Bild der Schalterstruktur und kamen zu einem unerwarteten Ergebnis: „Zu unserer großen Überraschung stellten wir fest, dass die Calciumpumpe zwei Bindungsstellen für Calmodulin besitzt und nicht nur eine wie bislang angenommen“, so Tidow. Demnach hat die Schalterstruktur eine hantelartige Struktur mit zwei Bindungsstellen für das Schlüsselprotein Calmodulin. Legten die Wissenschaftler eine der beiden Pumpen lahm, liefen sie mit weniger Kraft. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Calciumpumpe in drei Schritten gesteuert wird“, erläutert die Agrarbiologin Poulson. „Sie ist aus, wenn kein Calmodulin an den Schaltkomplex gebunden ist. Die Pumpe läuft mit mittlerer Geschwindigkeit, sobald eine Bindungsstelle besetzt ist, und mit voller Geschwindigkeit, wenn an beiden Stellen Calmodulin gebunden ist“, so die Kopenhagener Wissenschaftlerin.

Turbo gegen hohe Calciumkonzentration

Die Pumpgeschwindigkeit der PMCA steigt also abhängig von der Calciumkonzentration. Um die Zelle zu schützen wird das Calcium bei einer kritischen Menge im Turbogang hinausbefördert. Tidow ist sich sicher: „Die Entdeckung verbessert nicht nur das Verständnis eines fundamentalen Mechanismus in der Biologie aller höheren Lebewesen, sondern könnte auch einmal eine bessere Behandlung bestimmter Krankheiten ermöglichen, bei denen der Calciumhaushalt gestört ist.“ Als nächsten Schritt wollen die Forscher die Struktur der gesamten Calciumpumpe entschlüsseln.

© biotechnologie.de/ks

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