Wochenrückblick KW 32

13.08.2012

Agennix: Zulassungsstudie mit Talactoferrin gescheitert

Herber Rückschlag für das Biotechnologie-Unternehmen Agennix: Eine klinische Zulassungsstudie mit dem Wirkstoff Talactoferrin ist gescheitert.

Wie das Heidelberger Unternehmen am 7. August mitteilte, wird das Gesamtüberleben von Patienten mit kleinzelligem Lungenkrebs nicht verlängert, wenn sie mit dem Immunmodulator Talactoferrin behandelt werden.

In der Zulassungsphase gescheitert: Das Krebsmedikament Talactoferrin.Lightbox-Link
In der Zulassungsphase gescheitert: Das Krebsmedikament Talactoferrin.Quelle: Agennix
Der Wirkstoff beziehungsweise ein Placebo wurden in der Fortis M genannten Studie jeweils in Kombination mit unterstützender Therapie erprobt. Der primäre Endpunkt der Studie, die Verbesserung des Gesamtüberlebens, wurde nicht erreicht. Es betrug in der Talactoferrin-Gruppe im Median 7,5 Monate, im Vergleich zu 7,7 Monaten in der Placebo-Gruppe.

Die Agennix-Verantwortlichen zeigten sich angesichts des Fehlschlages überrascht. Zwei Phase II-Studien in dieser Indikation waren zuvor überzeugend abgeschlossen worden, sagte Forschungsvorstand Rajesh Malik: „Wir beabsichtigen, die Daten sorgfältig zu analysieren, um ein besseres Verständnis dieses Ergebnisses zu erlangen.“

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News: Sepsis: Ein Antibiotikum ist genug

Wochenrückblick: Agennix bricht Sepsis-Studie ab

Nachdem im Februar 2012 bereits eine Phase II/III-Studie mit Talactoferrin in der Indikation Sepsis scheiterte, laufen derzeit nur noch Arbeiten mit einer Gel-Formulierung des Wirkstoffs zur Behandlung des diabetischen Fußes. Damit gerät das gesamte Unternehmen in eine schwierige Lage. „Wir werden sofort Maßnahmen ergreifen, um unseren Barmittelbestand zu schonen, während wir mögliche Optionen für die Zukunft der Gesellschaft überprüfen und werden in Kürze weitere Details zu unserer Unternehmensplanung bekanntgeben“, betonte Torsten Hombeck, Sprecher des Vorstands und Finanzvorstand von Agennix. Erst Ende 2011 hatte das Unternehmen 27,5 Millionen Euro von seinen Anlegern eingeworben, am 30. Juni lagen laut Halbjahresbericht noch 22,7 Millionen Euro auf der hohen Kante. Mit dem Kinase-Hemmer RGB-286638 hat das Unternehmen einen weiteren Wirkstoff in der klinischen Phase. Die schwierige Situation ist für Agennix nicht völlig neu. Das Vorgängerunternehmen GPC Biotech scheiterte einst ebenfalls mit einem  Krebsmedikament. Nachdem die FDA die Zulassung von Satraplatin verwehrt hatte , standen die Martinsrieder ohne Entwicklungskandidaten aber mit Forschungsgeld da. Die Lösung damals: GPC Biotech wurde zur heutigen Agennix AG verschmolzen.

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Funktion eines Bakterien-Kanals aufgeklärt

Freiburger Forscher haben die Funktion eines wichtigen Transportproteins bei Bakterien entschlüsselt.

3D-Illustration des FormiatkanalsLightbox-Link
3D-Modell des Formiatkanals FocA.Quelle: Universität Freiburg
Wie sie im Fachmagazin PNAS (2012, Online-Vorabveröffentlichung) beschreiben, haben sie erstmals präzise Daten über die Funktion eines Transportproteins für Formiat erhalten, einer zentralen Proteinkomponente in der von Bakterien ausgeübten gemischten Säuregärung. Diese ist eine alternative Form der Verarbeitung von Nährstoffen in einer sauerstoffarmen Umgebung. Die Bakterien wandelten dabei Zucker in verschiedene Säuren um, säuern mit diesem für ihren eigenen Energiehaushalt wichtigen Prozess aber ihre Umgebung an. Das nutzt nicht nur der Versorgung von nützlichen Darmbakterien, sondern unterstützt auch pathogene Organismen wie Cholerabakterien und Salmonellen.

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News: Und welcher Darmtyp sind Sie?

Menschen: Dirk Haller: Die Darmmikrobe als Problemfall

Weil im menschlichen Organismus keine gemischte Säuregärung stattfindet, bieten die molekularen Bestandteile dieses Prozesses eine wichtige Grundlage für die Entwicklung antibiotischer Wirkstoffe. Formiat ist das negativ geladene Ion der von den Bakterien erzeugten Ameisensäure. Mit dem Formiatkanal FocA besitzen Darmbakterien ein Transportprotein für das Ion. Um mehr über die Funktion von FocA zu erfahren, bauten die Forscher es in eine künstliche biologische Membran ein, an der die elektrischen Ströme von Ionen gemessen werden. Das Team erhielt so neben präzisen Daten über das Transportverhalten von FocA auch genaue Informationen über den Schließmechanismus des Kanals: Wenn die Umgebung der Bakterien zu sauer wird, schließt er sich und verhindert so, dass die Bakterien sich selbst schaden. Er bildet damit den Wissenschaftlern zufolge einen idealen Ausgangspunkt für therapeutische Maßnahmen gegen Darmerkrankungen.

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Europäisches Patentamt gegen Tierzuchtpatent

Das Europäischen Patentamt in Den Haag hat in einer Einspruchsverhandlung ein Patent auf die Zucht von Rindern und Schweinen widerrufen.

Vom Europäischen Patentamt widerrufen: Das bereits erteilte Patent EP 1506316 für die Schweine- und Rinderzucht.Lightbox-Link
Vom Europäischen Patentamt widerrufen: Das bereits erteilte Patent EP 1506316 für die Schweine- und Rinderzucht.Quelle: Scott Bauer
Wie die Umweltschutzorganisation Greenpeace und die Süddeutsche Zeitung berichten, gab das Gericht in seiner Entscheidung vom 8. August  einem Einspruch von Greenpeace und der Hilfsorganisation Misereor gegen das Patent EP 1506316 „Patent auf Methoden zur Verbesserung der Ausbeute in der konventionellen Tierzucht“ statt. Ein kanadischer Züchter hatte dieses Patent bereits 2008 erhalten, es schützt von ihm entwickelte Methoden zur Verbesserung der Rinder- und Schweinezucht. Kernpunkt der Erfindung sind bestimmte Gene insbesondere in Rindern und Schweinen, die bei der Zucht Fetteinlagerung und Gewichtszunahme regulieren.

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Wochenrückblick: Antrag auf Schweine-Genpatent zurückgezogen

News: Patent auf Gentest für Schweine in der Kritik

Das Patent schützt ein Zuchtverfahren, bei dem die Zuchttiere einem Gencheck unterzogen werden. Anschließend werden sie so miteinander gekreuzt, dass die Gene optimal kombiniert werden können. Da es sich dabei jedoch weder um gentechnisch veränderte Tiere noch ein eigenes Paarungsverfahren handelt, sondern lediglich eine Vorauswahl unter den Zuchttieren getroffen wird, folgte das Gericht in seiner Entscheidung der Argumentation der Kläger, dass das Patent konventionelle Züchtungsverfahren monopolisiere. Greenpeace zufolge könnte das Patent auf alle Tierrassen angewendet werden. Zudem bezweifeln die Einsprechenden, dass das Patent überhaupt erfinderisch ist. Das Europäische Patentamt gab den Organisationen jetzt in entscheidenden Punkten recht. Im Herbst soll außerdem erneut über das Europäische Einheitspatent verhandelt werden, welches seit den 1970er Jahren geplant ist, bisher aber immer an den Einwänden einzelner Mitgliedsstaaten scheiterte. In dieser Vorlage sind die Patente auf Lebensformen stark eingeschränkt.

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Herzinfarkt-Therapie mit magnetgesteuerten Nanopartikeln

Hightech für die Herzinfarkt-Therapie: Im Magnetfeld haben Rostocker Biomediziner wirkstoffbeladene Nanopartikel in infarktgeschädigte Herzen von Ratten gelotst und so die Regeneration angekurbelt.

Mit Hilfe dieses Magneten, der den Mäusen implantiert wurde, werden die Genpartikel gelenkt.Lightbox-Link
Mit Hilfe dieses Magneten, der den Mäusen implantiert wurde, werden die Genpartikel gelenkt.Quelle: 2012 Zhang et al.
Wie die Rostocker Forscher zusammen mit Kollegen aus Hannover, Münster und Teltow im Fachjournal PLOS one (2012, Online-Veröffentlichung) berichten, gelang es ihnen erfolgreich, die mit einem Wachstumsfaktor beladenen Partikel ins Herz zu steuern. Die Wissenschaftler aus der Herzchirurgie der Universität Rostock entwickelten spezielle magnetische Nanopartikel, die mit dem VGEF-Gen beladen waren. VGEF regt die  Gefäßneubildung an. Über ein Magnetfeld auf dem Herzen wurden die Nanopartikel aus dem Blutkreislauf im Infarktgewebe angereichert und bewirkten eine signifikante Verbesserung der Herzfunktion.

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News: Infarkt: Junge Herzen regenerieren dank Zellreserve

News: Stammzell-Regisseur der Herzen

Die Arbeitsgruppe arbeitet seit einigen Jahren an dieser Technologie mit dem Ziel der klinischen Umsetzung. Diese kann allerdings erst nach weiterer technologischer Entwicklung und Abklärung der Sicherheit in Tiermodellen erreicht werden. Das Rostocker Referenz- und Translationszentrum für kardiale Stammzelltherapie forscht seit mehr als zehn Jahren an Herzinfarkttherapien  mit körpereigenen, adulten Stammzellen aus dem Knochenmark. Seit 2009 läuft am Rostocker Referenz- und Translationszentrum  für kardiale Stammzelltherapie (RTC) eine klinische Studie mit 140 Patienten. Bis 2013 soll die mulitzentrische PERFECT-Studie abgeschlossen sein, dann wird sich zeigen,ob die kardiale Stammzelltherapie die Herzfunktion tätsächlich verbessern kann. „Wir hoffen, dass wir die Ergebnisse unserer vorhergehenden Studien auch doppelblind wiederholen können, das sich also zeigt, dass hier keineswegs ein Placebo-Effekt wirksam ist, sondern wirklich die Patienten-eigenen adulten Stammzellen Heilung bringen“, sagt Gustav Steinhoff, Direktor der Rostocker Klinik für Herzchirurgie.

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