Scharfe Waffen im Kampf gegen Krebs

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Junge Hirnstammzellen können Tumore mit bestimmten Fettsäuremolekülen in den Zelltod treiben. Quelle: Hellerhoff / wikimedia commons

25.07.2012  - 

Junge Hirnstammzellen können Tumore in den Zelltod treiben. Mit Fettsäure-Molekülen attackieren Hirnstammzellen in jungen Jahren gegen Hirntumore. Damit aktivieren sie auf den entarteten Zellen einen Ionenkanal, der auch als Geschmacksrezeptor für Schärfe dient. Entschlüsselt wurde der neue Mechanismus von Forschern aus dem Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch und der Charité - Universitätsmedizin Berlin. Im Fachmagazin Nature Medicine (2012, Online-Veröffentlichung) stellen die Wissenschaftler ihre Arbeit vor.

Die Forscher um Kristin Stock und Helmut Kettenmann vom MDC untersuchten eine bestimmte Untergruppe von Hirntumoren, die sogenannten Astrozytome. Diese Krebsart tritt überwiegend in höherem Alter auf und ist meist tödlich. Die Therapie mit Operation, Strahlen- oder Chemotherapie verläuft meist nicht erfolgreich. Sogenannte Tumorstammzellen lassen die Krebserkrankung wieder ausbrechen, glauben viele Wissenschaftler.In dieser Folge der Kreidezeit erklären wir, was sich hinter dem Begriff Stammzellen verbirgt. Quelle: biotechnologie.de Bereits vor einigen Jahren konnte die von Kettenmann geleitete Forschungsgruppe Zelluläre Neurowissenschaften zeigen, dass die neuronalen Stammzellen ihre entarteten Cousins – sogenannte Tumorstammzellen – direkt angreifen. Sie schütten ein bone morphogenetic protein genanntes Eiweiß aus, dass die Tumorstammzellen in einen differenzierten Zustand versetzt, so dass die entarteten Zellen ihre Stammzelleigenschaften verlieren.

Generalangriff mit Fettsäure-Derivaten

Die Berliner Forscher haben nun gemeinsam mit Kollegen aus Europa und den USA entdeckt, dass die Hirnstammzellen auch andere maligne Zellen angreifen. Bei einer bestimmten Krebsart, dem Astrozytom, greifen die Stammzellen offenbar auch gewöhnliche Krebszellen direkt an. Für den Generalangriff nutzen die Stammzellen dabei kein Eiweiß, sondern Fettsäuresubstanzen.

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Die Fettsäure-Ethanolamide aktivieren den Ionenkanal Vanilloid-Rezeptor 1 (TRPV1), der auf den Krebszellen viel häufiger vorkommt, als auf gesunden Hirnzellen. Der übermäßig aktivierte Ionenkanal löst dann in den Krebszellen ein Selbstmordprogramm aus. Ist TRPV1 in den Gliomzellen jedoch heruntergeschaltet oder blockiert, werden sie nicht abgetötet. Den Forschern ist es damit zum ersten Mal gelungen, neuronale Stammzellen als Quelle für krebsabtötende Fettsäuren zu identifizieren und die Rolle des TRPV1-Ionenkanals bei der Bekämpfung von Gliomen nachzuweisen. 

TRPV1 ist in der Forschung kein Unbekannter. Er ist beteiligt an der Weiterleitung von Schmerzreizen und besitzt unter anderem eine Bindestelle für Capsaicin, dem scharfen Reizstoff von Chilischoten. Es gibt bereits klinische Studien, in denen dieser Ionenkanal unempfindlich gemacht oder blockiert wurde, um neue Schmerztherapien zu entwickeln. Auch in der Krebsbehandlung könnte TRPV1 künftig eine Schlüsselrolle spielen. Würde er durch Medikamente gezielt aktiviert, ließe sich der Krebs womöglich bekämpfen, glauben die Berliner Forscher. Bei Mäusen konnte die Gruppe zeigen, dass mit der Chemikalie Arvanil, die dem Schärfemolekül Capsaicin ähnelt, das Tumorwachstum reduziert werden kann. Diese Substanz ist jedoch nicht als Medikament zugelassen, da sie für den Menschen zu starke Nebenwirkungen hat. Sie wird nur in der Grundlangenforschung an Mäusen eingesetzt, die den Stoff gut vertragen. „Prinzipiell“, so die Forscher, „zeigt aber dieser Ansatz Möglichkeiten auf, neue Medikamente zu entwickeln.“

© biotechnologie.de/bk

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