Stammzell-Regisseur der Herzen

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Herzentwicklung außer Kontrolle: Ohne den Transkriptionsfaktor Ajuba (rechtes Bild) erhöht sich die Zahl der Herzmuskelzellen (grün mit rot gefärbten Zellkernen) und das Herz wird während der Entwicklung deformiert. Quelle: MPI f. Herz- und Lungenforschung

18.07.2012  - 

Angeborene Herzfehler entstehen durch eine Fehlentwicklung  - die häufig vorkommt, weil die Herzentstehung biologisch ein sehr komplexer Vorgang ist. Forscher am Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim haben jetzt ein wichtiges Schalterprotein identifiziert, der die Funktion der Stammzellen im Herz reguliert. Seine Entdeckung könnte nicht nur helfen, angeborene Herzfehler zu vermeiden, sondern auch die Regeneration geschädigter Herzen bei Erwachsenen zu stimulieren. Über ihre Forschung berichten die Entwicklungsbiologen im Fachmagazin Developmental Cell (2012, Online-Vorabveröffentlichung).

Am Anfang sind die Stammzellen. Ein Haufen weniger Herzstammzellen teilt sich und differenziert sich im Embryo zu dem Pumporgan mit Kammern, Klappen, Kranzgefäßen und Vorhöfen, das schließlich zentral für das Leben eines Organismus ist. Die Stammzellen und Vorläuferzellen verteilen und differenzieren sich dabei nach einer äußerst komplexen Choreografie – und werden abgeschaltet, sobald das Herz vollständig ausgebildet ist. Soweit die Theorie.

Kontrolle der Vorläuferzellen

In der Praxis kommt es bei diesem komplexen Prozess immer wieder zu Fehlern. Die Max-Planck-Forscher versuchen deshalb herauszufinden, wie die Herzentwicklung gesteuert wird. Eine Schlüsselrolle spielt dabei offenbar der Transkriptionsfaktor Ajuba. Dieses Eiweiß wirkt in  einer bestimmten Gruppe von Vorläuferzellen, die sich später zu Herzmuskelzellen ausdifferenzieren. „Wir haben die Interaktion von Ajuba mit dem Molekül Isl1 untersucht und kamen zu dem Ergebnis, dass es sich bei Ajuba um einen wichtigen Schalter handeln muss“, sagt Forschungsgruppenleiterin Gergana Dobreva.

Im Tiermodell untersuchten die Forscher, wie sich das Fehlen von Ajuba auf die Herzentwicklung auswirkt. Als Modellorganismus diente der Zebrabärbling, bei dem sich die Embryonalentwicklung gut verfolgen lässt. Die Forscher in Bad Nauheim erzeugten durch einen genetischen Eingriff Fische, denen der Transkriptionsfaktor fehlte. Im Gegensatz zu gesunden Tieren hatten die Bärblinge ohne funktionierendes Ajuba ein deformiertes Herz mit einer verdrehten Herzachse. „Bei fast allen untersuchten Fischen stellten wir eine drastische Vergrößerung des Herzens fest“, so Dobreva.

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Selbstheilung des Herzens stimulieren

Die Suche nach der Ursache für die vergrößerten Herzen gab den Forschern Aufschluss über die genaue Funktion des Schalterproteins. Denn in den Fischen mit den vergrößerten Herzen befanden sich in einem früheren Entwicklungsstadium auch schon wesentlich mehr Vorläuferzellen, die den Transkriptionsfaktor Isl1 produzieren. Deren künftige Funktion als künftige Herzmuskelzellen ist bereits festgelegt, sie können sich aber noch wie Stammzellen regenerieren. Offenbar blockiert Ajuba das Protein Isl1, und damit auch den stimulierenden Effekt dieser Vorläuferzellen, erklärt Dobreva: „Fehlt Ajuba, gibt es offensichtlich keinen anderen Schalter, der am Ende den von Isl1 gesteuerten Teil der Herzentwicklung ausschaltet.“ Das Wissen um die Regulation der Herzentwicklung helfe dabei, Ursachen für angeborene Herzfehler zu verstehen und Therapieansätze zu entwickeln.

Die übermäßige Vermehrung von Herzmuskelstammzellen, die in der Embryonalentwicklung so verheerende Folgen hat, bietet wiederum einen möglichen Therapieansatz, um geschädigte Herzen von Erwachsenen zu heilen. Dobreva überlegt, mit Hilfe des neuen Wissens die Gewinnung von Ersatzzellen aus embryonalen oder künstlich erzeugten Stammzellen im Labor zu optimieren. „Durch das Ausschalten von Ajuba in diesen Zellen dürfte sich deren Entwicklung hin zu funktionierenden Ersatzzellen verstärken lassen“, sagt Dobreva. „Man könnte so ausreichend viele Ersatzzellen zur Behandlung von Patienten züchten.“

Eine weitere Möglichkeit sei es, durch das Ausschalten von Ajuba in einem geschädigten Herz die Blockade der Vorläuferzellen aufzuheben. Theoretisch würde damit die Regeneration des Herzens vor Ort stimuliert. Bisher müssen Stammzellen für Therapien gespritzt werden, alternative Methoden stecken noch in einem experimentellen Stadium (mehr...). An einer körpereigenen Zellersatztherapie arbeiten auch Dresdner Regenerationsforscher, die 2009 einen Weg fanden, Stammzellen im Gehirn zu vermehren (mehr...). Inwieweit dies bei Herzmuskelstammzellen möglich ist, sollen jetzt weitere Studien klären.

© biotechnologie.de/ck

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