Alzheimer: Phosphat-Gruppen hemmen Plaque-Abbau

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Mit der Substanz Florbetaben lässt sich frühzeitig aufspüren, ob ein Patient an Alzheimer leidet. Der linke Hirnscan zeigt die Proteinansammlungen von Beta-Amyloid (gelb markiert) im Vergleich zu einem gesunden Gehirn. Quelle: Bayer Healthcare

13.03.2012  - 

Die Alzheimer-Erkrankung entwickelt sich zwar langsam, ist aber besonders heimtückisch. Durch den Untergang von Nervengewebe entstehen erst nur kleine Erinnerungslücken. Doch mit der Zeit wird den Betroffenen ein selbstständiges Leben unmöglich, die Ausfallerscheinungen werden immer größer. Eine Heilung des Demenz-Leidens ist bis heute nicht möglich. Immerhin verstehen die Forscher die Krankheitsursachen immer besser. Bonner Wissenschaftler haben nun einen neuen Mechanismus entdeckt, der die Anreicherung schädlicher Proteinablagerungen im Gehirn im Verlauf der Alzheimer-Krankheit begünstigt. Ihre Erkenntnisse präsentieren sie im Journal of Biological Chemistry (2012, Online-Vorabveröffentlichung).

Heute leben in Deutschland mehr als 1,2 Millionen Demenz-Patienten, die Mehrheit von ihnen leidet an der Alzheimer-Krankheit. Experten schätzen, dass dieser Demenztyp ungefähr 60 Prozent der weltweit 24 Millionen Erkrankungen ausmacht. Bis 2050 wird sich die Zahl der Patienten wohl verdoppeln. „Etliche Jahre bevor sich die ersten Alzheimer-Symptome bemerkbar machen, bilden sich im Gehirn bereits Plaques aus fehlerhaft gefalteten Beta-Amyloid-Peptiden“, sagt Jochen Walter von der Klinik für Neurologie des Bonner Universitätsklinikums. „Diese Ablagerungen beeinträchtigen die Funktion der Nervenzellen im Gehirn.“

Gewebeschäden durch fehlgefaltete Peptide

Wie bei vielen der sogenannten neurodegenerativen Erkrankungen kommt es auch bei Alzheimer zum Untergang von Nervengewebe. Ein möglicher Verursacher für die Gewebeschäden könnten Ablagerungen aus dem falsch gefalteten Beta-Amyloid-Peptid sein.

Beta-Amyloid-Plaques im Gehirn eines Alzheimer-Patienten. Was genau die Erkrankung auslöst, ist jedoch immer noch nicht restlos geklärtLightbox-Link
Beta-Amyloid-Plaques im Gehirn eines Alzheimer-Patienten. Was genau die Erkrankung auslöst, ist jedoch immer noch nicht restlos geklärt. Quelle: KGH
Normalerweise verfügt das Hirn über spezialisierte Zellen, die es gegen schädliche Moleküle verteidigen, die Mikrogliazellen (mehr…). „Lagern sich im Gehirn von Alzheimer-Erkrankten die Beta-Amyloid-Peptide ab, werden die Mikrogliazellen aktiviert und fressen einen Teil der Ablagerungen wieder auf“, berichtet Walter. Bei Alzheimer-Patienten arbeiten die Zellen aber offenbar nicht effektiv genug. Zu diesem Schluss kommen die Forscher von der Uniklinik für Neurologie und vom Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie der Universität Bonn nach Untersuchungen der Mikroglia bei Mäusen.

Entsorgung von Amyloid-Plaques gestört

Besonders wenn die Beta-Amyloid-Peptide mit zusätzlichen Phosphatgruppen beladen waren, taten sich die Mikroglia-Zellen schwer damit, die Ablagerungen zu entfernen. „Dann wird ein insulinabbauendes Enzyms blockiert, das für die Aktivität der Mikrogliazellen von großer Bedeutung ist“, sagt der Bonner Wissenschaftler. „Im Ergebnis sind Beta-Amyloid-Peptide mit Phosphatgruppe also viel schwerer verdaulich als ohne.“ Doch damit nicht genug, die Phosphatgruppen sind auch aus einem zweiten Grund noch besonders gefährlich: Weil sie die Verklumpung der Amyloid-Beta-Peptide erleichtern, fördern sie die Entstehung der Alzheimer-Plaques.

Bei der Entsorgung von Alzheimer-Plaques setzt der Körper zusätzlich noch auf eine ganze Batterie von unterschiedlichen Proteinen. Die Insulinabbauenden Enzyme und die Angiotensin-konvertierenden Enzyme (ACE) sind normalerweise ebenfalls in der Lage Plaques aufzulösen.

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Auch dieser Mechanismus ist bei stark phosphorylierten Beta-Amyloid-Peptiden offenbar gestört, berichtet der Mitarbeiter Sathish Kumar: „Das Neue ist, dass die Anknüpfung einer Phosphatgruppe diesen wichtigen Zersetzungsprozess blockiert. Wir können diese Effekte nun auf ein einziges Enzym zurückführen.“ Bei Alzheimer-Patienten verfügen etwa 20 bis 30 Prozent der Peptide über eine Phosphatgruppe und sind damit im Gehirn schlechter zu beseitigen.

Weiter Weg bis zum therapeutischen Nutzen

Die Wissenschaftler hoffen nun, dass sich aus diesen Erkenntnissen in Zukunft neue Therapieansätze für Alzheimer-Patienten ergeben könnten. „Das ist aber noch ein sehr weiter Weg“, sagt Walter. „Vielleicht ist es möglich, mit Antikörpern, die speziell an die Beta-Amyloid-Peptide mit Phosphatgruppe binden, die gefährlichen Peptide außer Gefecht zu setzen.“ Außerdem könnten diese Peptide mit Phosphatgruppe möglicherweise als Biomarker zum Nachweis der Alzheimer-Krankheit im Frühstadium dienen. „Wenn sich viele Phosphatgruppen an den Peptiden befinden, wäre dies ein Zeichen für ein erhöhtes Risiko, an Alzheimer zu erkranken“, so die Bonner Wissenschaftler.

© biotechnologie.de/bk

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