Systembiologie in Deutschland hat Modellcharakter
08.12.2011 -
Die Systembiologie ist eine der jüngsten Disziplinen der Lebenswissenschaften. Gerade wenn es darum geht, die Gesamtheit der dynamischen Vorgänge des Lebens auf allen Ebenen zu erfassen, sind deutsche Forscher weltweit führend. Dieses Bild zeichnet eine vom Projektträger Jülich vorgestellte Studie, in der die in den verschiedenen Ländern laufenden Forschungsprogramme vorgestellt werden.
Mithilfe der Systembiologie werfen die Lebenswissenschaftler einen umfassenden Blick auf das große Ganze. Statt nur einzelne Stoffwechselwege oder Moleküle zu untersuchen, streben sie danach, vollständige Systeme abzubilden: vom Genom über das Proteom bis hin zur kompletten Zelle oder gar einem vollständigen Organismus. Neben den klassischen Untersuchungsmethoden der Molekularbiologie brauchen sie dafür vor allem Rechenpower. Denn bei den modernen Untersuchungsverfahren fallen
Studie zum Download |
Der Projektträger Jülich bietet die Studie "Internationale Übersicht der Systembiologie" in voller Länge zum kostenlosen Download an. zur Publikationsliste beim PTJ: hier klicken |
große Datenmengen an, aus denen sich Computermodelle ableiten lassen. Gerade im Zusammenspiel zwischen Mathematik, Informatik und Systemwissenschaften einerseits und Biologie, Chemie und Medizin andererseits, hoffen die Forscher ganz neue Erkenntnisse zu Gewinnen, sei es für die Verbesserung der personalisierten Medizin oder die Optimierung biotechnischer Produktionsprozesse.
Das junge Wissenschaftsgebiet der Systembiologie hat sich während der letzten Jahre sehr stark entwickelt und als eigenständige Forschungsdisziplin international etabliert. In der Studie zur Systembiologie bescheinigt der Projektträger Jülich, der die Systembiologie-Förderung im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) koordiniert, den deutschen Forschern eine europaweite Führungsrolle und dem Wissenschaftsstandort Deutschland eine international herausragende Sichtbarkeit. Das BMBF habe bereits frühzeitig die Innovationskraft dieses jungen Forschungszweiges erkannt und mit seiner bisherigen Förderung von rund 450 Millionen Euro seit 2004 sowohl national wie international neue Maßstäbe gesetzt.
Mehr zum Thema auf biotechnologie.de |
News: Heidelberg - Wettbewerb für synthetische Biologie gestartet Wochenrückblick: Innovationswettbewerb für synthetische Biologie gestartet Wochenrückblick: 50 Millionen Euro-Zentrum für strukturelle Systembiologie in Hamburg |
FORSYS: „Arbeit auf höchstem wissenschaftlichen Niveau“
Dank der Förderung durch das BMBF hat sich hierzulande in den vergangenen Jahren eine veritable Forschungsinfrastruktur etabliert. Insgesamt neun Systembiologie-Zentren und 14 Förderinitativen zu diesem Thema listet der Bericht auf. Mit der Initiative Forschungszentren der Systembiologie (FORSYS) wurde die Vernetzung von außeruniversitären und akademischen Einrichtungen zu interdisziplinär und arbeitsteilig gegliederten Forschungsverbünden vorangetrieben. Zwischen 2006 und 2011 stellte das BMBF 48 Millionen Euro für die FORSYS-Standorte Magdeburg, Potsdam, Freiburg und Heidelberg zur Verfügung. Auf diese Weise soll die Systembiologie nachhaltig in Deutschland verankert werden. In einer Zwischenanalyse hatte im März 2010 ein internationale Expertenkommission das FORSYS-Projekt bereits in den höchsten Tönen gelobt: "An allen vier Standorten wird auf höchstem wissenschaftlichen Niveau gearbeitet" (mehr…).
Neben den FORSYS-Zentren existieren in Baden-Württemberg vier weitere Systembiologie-Zentren, die überwiegend von Landesmitteln finanziert werden. Weiterhin stellt das Berlin Institut für Medizinische Systembiologie (BIMSB) am Max Delbrück Centrum für Molekulare Medizin eine wichtige systembiologische Forschungseinrichtung mit medizinischem Schwerpunkt dar (mehr…). Eine weitere wichtige Rolle spielt die Helmholtz-Allianz Systembiologie, aus der sich Netzwerke aus sechs Helmholtz-Zentren mit universitären Partnern und forschenden Unternehmen gebildet haben. Die hierzulande laufenden Forschungsinitiativen laufen meist über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren. Die wichtigsten nationalen Initiativen sind: HepatoSys I und II/ Virtual Liver Network, QuantPro/SysTec, FORSYS-Partner, MedSys, GerontoSys I und II, CancerSys, e:Bio sowie die Helmholtz Allianz Systembiologie. Internationale Initiativen, die zum Teil von Deutschland koordiniert werden, sind die transnationalen Fördermaßnahmen SysMOI und II, INREMOS und ERASysBioPlus.
Deutschland im internationalen Vergleich Spitze
Im internationalen Vergleich ist Deutschland damit der Studie zufolge besonders gut aufgestellt. Die europäischen Nachbarn fördern die Systembiologie nur mit einem Bruchteil der hierzulande aufgewandten 450 Millionen Euro. In Großbritannien gibt es beispielsweise für neun Zentren und ein Forschungsprogramm gerade einmal 61 Millionen britische Pfund. Die Centers for Integrative Systems Biology (CISB) erforschen dabei ganz unterschiedliche Themen von pflanzlich orientierter Forschung über medizinisch relevante Gebiete, wie Malaria oder Neurodegeneration, bis hin zu klassischen Fragestellungen der Genomanalyse. In den Niederlanden wird die Systembiologieforschung ebenfalls mit hohem Aufwand gefördert. Elf Zentren und zwei Initiativen fließen insgesamt 43 Millionen Euro zu. In der von 2009 bis 2015 laufenden Förderlinie Centres for Systems Biology Research (CSBR) arbeiten drei Zentren an Fragen zur Alterungsforschung, Krebs und zellulären Energieproduktion. Selbst den transatlantischen Vergleich muss die Forschung hierzulande nicht scheuen. In den USA gibt es insgesamt 36 Zentren und drei Forschungsinitiativen denen Bundesmittel zufließen. Wieviel genau ist aufgrund der komplexen Förderstruktur nicht zu ermitteln, die Schätzung beläuft sich auf mehr als 170 Millionen US-Dollar. Auffällig ist jedoch, dass die Fördermillionen dort ganz anders eingesetzt werden. Während europäische Forscher mathematische Modelle durch Experimente überprüfen und verbessern, also einen theoriegetriebenen Ansatz verfolgen, machen es die US-Kollegen eher andersherum und arbeiten auf Basis von experimentell erhobenen Daten: Mit Hochdurchsatzverfahren werden große Datenmengen produziert, durch deren Analyse neue biologische Mechanismen gefunden werden.
Die vollständige Studie des Projektträgers Jülich gibt es hier zum kostenfreien Download: hier klicken.
© biotechnologie.de/bk