Hochresistente Keime unter Beobachtung

Besonders die methicillin-resistenten "Staphylococcus aureus"-Erreger (MRSA) treiben den Medizinern die Sorgenfalten in die Stirn. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Besonders die methicillin-resistenten "Staphylococcus aureus"-Erreger (MRSA) treiben den Medizinern die Sorgenfalten in die Stirn.

25.11.2011  - 

Gegen Antibiotika resistent gewordene Bakterien sind eine ernstzunehmende Bedrohung – doch zumindest für Deutschland sollte die Lage nicht überdramatisiert werden. Das ist ein Fazit eines Verbraucherschutz-Forums, zu dem das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) am 23. und 24. November in Berlin eingeladen hatte. Anlässlich des Europäischen Antibiotikatages gaben Forscher einen umfassenden Überblick über aktuelle Studien zu problematischen Mikroorganismen bei Mensch und Tier. Besonders in Mastbetrieben sind MRSA-Stämme aufgetaucht- zwar können sich Menschen mit ihnen anstecken- zumeist richten diese Mikroben aber keine Schäden an.

In Deutschland werden jährlich etwa 300 Tonnen Antibiotika in der Humanmedizin verbraucht. Der Einsatz der Medikamente kann bei Infektionen Leben retten, doch nicht immer werden die Antibiotika angemessen eingesetzt. Die Folge sind zunehmend resistente Keime, vor allem bei gram-negativen Bakterien, wie etwa Escherichia coli. Zum Beispiel Bakterien vom Typ "Extended-Spectrum-Betalactamase-Bildner (ESBL)". Wie schwierig es ist, ESBL-bildende Keime in den Griff zu bekommen, zeigt sich aktuell im Fall eines Bremer Klinikums, in dem seit August drei Frühchen an Infektionen mit ESBL-bildenden Klebsiellen starben. Bei dem BfR-Forum in Berlin-Marienfelde ging es darum, ein Bild der aktuellen Bedrohungslage durch multiresistente Keime in Deutschland zu zeichnen. Alexandra Fetsch vom BfR stellte die wohl bedeutendste Gruppe multiresistenter Keime vor: Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA), die unter anderem als Krankenhauskeime für Probleme sorgen. Bei einem geschwächten Immunsystem führen die an sich harmlosen Mikroben zu Infektionserkrankungen, die lebensbedrohlich verlaufen können. Wie Fetsch erläuterte, kommen MRSA-Stämme nicht nur bei Menschen vor.

In dieser Folge der Kreidezeit erklärt Annette Langbehn, was sich hinter der Abkürzung MRSA verbirgt. Quelle: biotechnologie.tv

Auch in der Tierhaltung sind die Keime ein zunehmendes Problem (mehr...).  

Tierische MRSA keine Bedrohung für den Menschen

Gerade bei den tierischen MRSA-Stämmen (laMRSA) gebe es noch etliche Unklarheiten. Wissenschaftler vermuten, dass der Einsatz von Antibiotika in der Mast ein Hauptgrund für das Auftauchen von Bakterien sind, die gleich mehrere Resistenzen angehäuft haben. „Bei ökologischer Tierhaltung sind deutlich weniger Schweine MRSA-Träger als bei konventioneller Haltung“, sagte Fetsch.  Sie wies darauf hin, dass die überwiegende Mehrheit der MRSA-Stämme die Tiere selbst nicht krank mache. Um die Risiken für den Menschen zu skizzieren, stellte sie Daten aus Schlachtungsbetrieben vor. Ein Großteil der Schweine sei vor der Schlachtung zwar MRSA-positiv. Durch Hygienemaßnahmen könne der Prozentsatz MRSA-positiven Fleisches jedoch kontinuierlich gesenkt werden. Aber auch für den Fall, dass solche Keime ins Fleischregal der Supermärkte gelange, gab Fetsch Entwarnung: „Es gibt momentan keine Anzeichen, dass diese MRSA-Stämme über Lebensmittel auf Menschen übertragen werden können.“

Tierärzte oder Schweinezüchter häufig Träger

Menschen, die häufig mit Tieren in Kontakt kommen - etwa Schweinezüchter oder Tierärzte - sind häufig Träger eines tierischen MRSA-Stammes. Allerdings werden sie nur vereinzelt klinisch auffällig. Trotzdem wies Fetsch auf die Möglichkeit hin, dass die Bakterien in Zukunft Virulenzfaktoren – auch von Bakterienstämmen, die für Menschen schädlich sind– aufnehmen könnten. Aufgrund der Resistenzen gegen die Mehrheit der verfügbaren Antibiotika käme man dann eventuell in Schwierigkeiten. Daher sei die Minimierung des Übertragungsrisikos von herausragender Bedeutung. Über Übertragungswege der MRSA-Keime in Krankenhäusern sprach der Mediziner Walter Popp vom Universitätsklinikum Essen. Aufgrund offener Wunden und invasiver Operationsmethoden seien Kranke besonders anfällig für Infektionen. „Jeder vierte Träger eines MRSA-Stammes entwickelt innerhalb eines Jahres in Krankenhäusern auch eine MRSA-Infektion“ so Popp. Eindämmung der Übertragung habe daher oberste Priorität. In deutschen Krankenhäusern sei durch regelmäßige Oberflächendesinfektionen die Übertragung der Keime in einem akzeptablen Rahmen. Allerdings werden aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten mehr und mehr Reinigungsaufgaben an externe Unternehmen ausgelagert. Zeitdruck und mangelnde Schulungen könnten hier zu Problemen mit der Sauberkeit führen.

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Familien und Heime in der Pflicht

„Das weitaus größere Problem ist der Kontakt von Mensch zu Mensch“, so Popp. „Das Bewusstsein für ein besseres Hygieneregiment muss geschärft werden.“ Mit der bundesweiten, 2008 angelaufenen "AKTION saubere Hände" wolle man auf eine häufigere und verbesserte Händedesinfektion bei Patienten, Familienangehörigen und auch Personal hinarbeiten. Immerhin bekommen etwa 15 Prozent der Personen, die in Kontakt mit MRSA-Trägern stehen, später selbst den Keim. Besonders vehement wies Popp auf die Zustände in den Alten- und Pflegeheimen hin: "Dort tragen viele Mitarbeiter oftmals nicht einmal geeignete Berufskleidung." Durch die häufige Verlegung der Bewohner zwischen Heim und Krankenhaus komme es so zu einem regelmäßigen MRSA-Eintrag ins Krankenhaus. Jede Bemühung der Krankenhäuser, Patienten von MRSA vollständig zu befreien, Popp sprach von der „Sanierung der Patienten“- werde so konterkariert. Bei einem Blick auf Europa stehe Deutschland trotzdem noch ganz gut da, so Popp: "Nur zwei bis drei Prozent der Patienten in deutschen Krankenhäusern sind Träger von MRSA-Keimen." Dass es noch besser geht, zeigen die Niederlande, die vor allem mit einer rigorosen Behandlung von Trägern punkten kann. Auch würden dort weniger Antibiotika verbraucht, da diese nur von Oberärzten verschrieben werden können. In Deutschland hingegen sind auch Assistenzärzte dazu befugt.  

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